Wie werden sich die Beziehungen zu Russland unter Donald Trump ändern?

Prekäre Beziehung

Der designierte US-Präsident Donald Trump hält es für möglich. dass Russland hinter den Hackerangriffen im US-Wahlkampf steckt. Berichte, wonach russische Geheimdienste im Besitz brisanter Informationen über sein Privatleben sein sollen, streitet er ab. Beide Mächte streben weiterhin »gute Beziehungen« zueinander an. Auf welcher Basis, ist unklar.

Mit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump sind begeisterte Anhänger rassistischer Präsidentenkarikaturen in Russland ihres Lieblingshassobjektes Barack Obama beraubt. Für Trump wird ein anderes Motiv anstelle des wenig originellen mit einer Banane bewaffneten Affen herhalten müssen. Dem andauernden Rätselraten um eine Wiederherstellung der angeschlagenen Beziehungen zwischen den USA und Russland dürfte indes kaum ein baldiges Ende beschert sein. Für den Fall, dass Hillary Clinton die Präsidentschaftswahlen gewonnen hätte, schienen alle Zeichen auf zusätzliche Spannung hinzudeuten, ja sogar auf eine Bereitschaft der US-Führung zu einer militärischen Konfrontation mit Russland in Syrien. Donald Trump hingegen hat durch zahlreiche Wahlkampfaussagen jene in ihrem Glauben bestärkt, die annahmen, er sei der bessere Friedenskandidat. In besonders brisanten internationalen Angelegenheiten wie der Krim-Frage äußerte er sich prorussisch, also keineswegs im Einklang mit seinen republikanischen Parteifreunden, geschweige denn mit der von der bisherigen Regierung gepflegten Haltung. Das allein reichte aus, um weit über Russland hinaus die Illusion einer zukünftigen störungsfreien, friedlichen Koexistenz und sogar aufkeimender freundschaftlicher Beziehungen zwischen den beiden Nuklearmächten zu erwecken. Noch bevor es überhaupt zu einer Annäherung kommen konnte, bestimmt allerdings ein folgenreicher Skandal das politische Tagesgeschehen. Zum Jahreswechsel verhängte die US-Führung weitere Sanktionen gegen Russland und ließ 35 Diplomaten ausweisen, mit der Begründung, die russischen Geheimdienste stünden hinter Hackerangriffen während des Präsidentschaftswahlkampfes. Dem Senat liegt ein Gesetzesprojekt über zahlreiche einschränkende Maßnahmen vor, die unter anderem den Energiebereich tangieren. Zur gleichen Zeit erschien ein entsprechender Bericht des FBI und des Ministeriums für Innere Sicherheit, dessen 13 offen zugängliche Seiten zwar Angaben über die Vorgehensweise der Hacker enthalten, aber keine Beweise für deren Identität liefern. Außerdem wäre zu fragen, welche Auswirkungen die Attacken auf den Wahlkampfverlauf und das Stimmergebnis hatten, auch dazu sagt der Bericht nichts. Stattdessen versicherte Trump, dass das Resultat der Präsidentschaftswahl keineswegs beeinflusst worden sei. Eine andere Beurteilung wäre äußerst verwunderlich, würde er die Legitimität seines eigenen Sieges anzweifeln.

Trump stellte klar, dass es keinen kompletten Neuanfang in den russisch-amerikanischen Beziehungen geben wird.

Die russische Regierung reagierte genervt auf die Anschuldigungen. Pressesprecher Dmitrij Peskow sprach von »Ermüdung«. Doch auch deutsche Geheimdienste werfen Russland mittlerweile vor, das europäisch-amerikanische Verhältnis systematisch zu stören. Einem Bericht des Spiegel zufolge, der sich auf einen Bericht des Arbeitskreises »PsyOps« (Psychologische Operationen) an die Bundesregierung beruft, wolle Russland die Beziehungen gezielt destabilisieren; eine russische Beeinflussung sei bereits seit Jahren festzustellen. Doch damit nicht genug. Prompt gab es neue Vorwürfe, wonach russische Geheimdienste auch kompromittierendes Material über Trump gesammelt haben sollen. Einem kürzlich auf dem Nachrichtenportal Buzzfeed veröffentlichte 35 Seiten umfassenden Bericht zufolge soll Trump zwielichtige Geschäfte in Russland eingefädelt und Prostituierte engagiert haben. Putins Sprecher Peskow bezeichnete das Dossier als pulp fiction, als Schund. Der Autor des Berichts ist offenbar Christopher Steele, ein in den neunziger Jahren in Moskau tätiger ehemaliger Agent des britischen Geheimdienstes MI6. Seine Quellen legte er nicht offen. Wer aus all diesen schwer nachprüfbaren Angaben den Schluss zieht, Russlands Rolle beschränke sich auf die eines Opfers, liegt jedoch falsch. Mit vereinten Kräften der staatlichen Medien und einer in sozialen Netzwerken aktiven Trollarmee organisierte die russische Führung eine Kampagne gegen Hillary Clinton, die nicht zuletzt deshalb geradezu als Ausgeburt der Hölle dargestellt wurde, weil der Kreml ihr zuschrieb, hinter den Massenprotesten von 2012 in Russland zu stehen. 
Der Zweifel an der Echtheit der US-Wahlergebnisse endete just mit Trumps offenbar auch für die russische Führung unerwarteten Sieg. Bei ihr genießt Trump einen Vertrauensvorschuss. Jedenfalls reagierte die russische Regierung bislang zurückhaltend optimistisch selbst hinsichtlich mehrdeutiger Aussagen Trumps, so zur nuklearen Sicherheit und einem möglichen neuen Wettrüsten. Dabei war die Kooperation mit der scheidenden amerikanischen Führung in dieser Hinsicht recht produktiv. 
Versprechen will Trump jedenfalls nichts. Auf seiner Pressekonferenz am 11. Januar stellte er klar, dass es keinen kompletten Neuanfang in den russisch-amerikanischen Beziehungen geben wird. Er hoffe zwar, mit der russischen Führung gut zurechtzukommen, schließe aber auch das Gegenteil nicht aus. Mitglieder des neuen Kabinetts senden ebenfalls keine Signale aus, die auf eine Kehrtwende in den Beziehungen zu Russland hindeuten könnten. Bei einer Anhörung im Senat stufte der designierte US-Außenminister Rex Tillerson Russland als Bedrohung ein und betonte, dass von Nato-Partnerstaaten geäußerte Sicherheitsbedenken durchaus begründet seien. Er unterstütze die Sanktionen gegen Russland und hege keinerlei Absichten, diese aufzuheben. Außerdem stimmte er den Vermutungen zu, Präsident Wladimir Putin persönlich habe die Hacker-Attacken bei den US-Wahlen abgesegnet. Die Frage, ob Russland ein Anrecht auf die Krim besitze, verneinte Tillerson. Als Kriegsverbrecher aufgrund des russischen Vorgehens in Aleppo wollte er Putin allerdings nicht einstufen. Tillerson, der als Chef des Erdölkonzerns Exxon Mobil über reichlich Erfahrung in der Kooperation mit Russland verfügt, gilt eigentlich als dem russischen Präsidenten zugeneigt. Im Jahr 2013 hatte Putin den Konzernchef mit dem Orden der Freundschaft ausgezeichnet. Er begründete dies mit Tillersons Einsatz für eine engere Zusammenarbeit im Energiesektor. Gute Beziehungen setzten voraus, dass jede Seite profitiere und Zuverlässigkeit an den Tag lege.
Ob die USA beispielsweise mit Russland im Kampf gegen den »Islamischen Staat« (IS) eine zufriedenstellende Partnerschaft pflegen können, ist ungewiss. Putins Strategie der Unkalkulierbarkeit stellte bereits eine Belastung für die Zusammenarbeit mit der scheidenden US-Regierung dar. Da sich Trumps Politikstil von Putins bislang nur unwesentlich unterscheidet, ist zu erwarten, dass der neue US-Präsident Putin nicht weniger auf die Probe stellen wird als umgekehrt. Doch noch ist es nicht soweit. »Russland muss Trump jetzt maximale Unterstützung gewähren«, heißt es in einem Facebook-Beitrag des Kreml-Politologen Sergej Markow. Dafür brauche es eine Kampagne in der gleichen Machart wie einst das, was Ende der neunziger Jahre »Gorbymania« genannt wurde: Die US-amerikanische Begeisterung für den letzten Staatspräsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow. Markow, der weniger als seriöser Analytiker einzustufen ist denn als Meinungsmacher, reagierte auf eine kürzlich in der Washington Post veröffentlichte Kolumne, deren Autor auf eine verfassungsrechtliche Option zur Amtsenthebung des Präsidenten wegen Unfähigkeit zur Ausübung von dessen Pflichten verwies. Trumps Person mag in weiten Kreisen Russlands geschätzt werden, aber für die als Hort des Liberalismus abschätzig bewerteten USA gilt dies nicht. Wenn, wie derzeit im sibirischen Tomsk, Bürger ihrer Unzufriedenheit gegenüber russischen Staatsdienern Luft machen, wird ihre Kritik als aus den USA fremdgesteuert abgetan. Diese Einstellung hat sich derart eingebürgert, dass auch Trump daran nichts ändern wird.