Indonesische Islamisten haben die Wiederwahl des Gouverneurs von Jakarta verhindert

Hetze lohnt sich

Eine Verleumdungskampage kostete den Gouverneur von Jakarta die Wiederwahl. Dieser Erfolg radikaler Muslime dürfte auch Folgen für die Wahlen in anderen Teilen Indonesiens haben.

Ahok muss gehen. Obwohl Umfragen zufolge über 70 Prozent der Bevölkerung Jakartas mit der Arbeit des bisherigen Gouverneurs Basuki Tjahaja Purnama, genannt Ahok, zufrieden waren, stimmte am Mittwoch vergangener Woche eine Mehrheit von 58 Prozent für dessen Kontrahenten Anies Baswedan und dessen Stellvertreter Sandiaga Salahuddin Uno. Der Grund dafür war vor allem eine ausgesprochen perfide Wahlkampagne der Gegner Ahoks.

Anies, der bis voriges Jahr Kultur- und Bildungsminister und davor Rektor der Paramadina-Universität war, galt bisher als moderater Muslim. Im Wahlkampf stützte er sich jedoch auf radikale Gruppen, die mit Massendemonstrationen, Verleumdungskampagnen, Drohungen und Klagen Stimmung gegen Ahok machten. Um Kritik an Ahoks Regierungsstil oder Politik ging es nicht, vielmehr setzten Anies und seine Unterstützer auf Rassismus und Intoleranz. Ahok ist nicht nur evangelischer Christ, sondern gehört auch der chinesischstämmigen Minderheit an. Von den 7,2 Millionen Wahlberechtigten Jakartas sind über 70 Prozent Muslime. Die Kampagne von Anies legte ihnen nahe, dass eine Stimme für Ahok ein Votum gegen den Islam sei.

Anies’ Kanditur wurde von der Partei Gerindra und deren Vorsitzenden Prabowo Subianto unterstützt, der 2014 bei der Präsidentschaftswahl Joko Widodo, genannt Jokowi, unterlag. Zu den weiteren Unterstützern Anies’ zählten die islamistische PKS (Partei für Gerechtigkeit und Prosperität) und Perindo, deren Vorsitzender Hary Tanoesudibjo ein Geschäftspartner und Bewunderer Donald Trumps ist.
Darüber hinaus suchte Anies die Unterstützung radikaler Gruppen wie der Front Pembela Islam (FPI, Islamische Verteidigungsfront), die bekannt dafür ist, bei ausstehenden Schutzgeldzahlungen Nachtclubs zu überfallen sowie LGBTI und Überlebende der antikommunistischen Progrome von 1965/66 zu drangsalieren. Ihr Anführer Rizieq Shihab hält Demokratie für »unrein (haram) und daher gefährlicher als Schweinefleisch«. Sobald Anies sein Amt antritt, werden seine Unterstützer die ihnen versprochenen Zugeständnisse einfordern. Die FPI fordert etwa die Einführung der Sharia.

Anhänger der FPI hatten im Herbst vorigen Jahres Ahok vorgeworfen, den Koran beleidigt zu haben, und ihn verklagt. In einer Wahlkampfansprache hatte Ahok gefordert, sich nicht von seinen Kontrahenten verleiten zu lassen, wenn diese Koranverse nutzen, um der Wählerschaft einzureden, dass Muslime nicht von Nichtmuslimen regiert werden dürften.
Klagen wegen Verleumdung und Blasphemie sind mittlerweile ein beliebtes Mittel, dessen sich radikale und konservative Gruppen immer häufiger bedienen, um gemäßigte Muslime und Nichtmuslime zum Schweigen zu bringen. Wegen Sicherheitsbedenken – die FPI hatte mit Aufmärschen gedroht – wurde der Prozess gegen Ahok verschoben. Erst einen Tag nach dessen Wahlniederlage verlas die Anklage ihre Strafforderung. Statt Blasphemie, was mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden kann, wirft die Anklage Ahok nun nur noch »Verbreitung von religiösem Hass« vor und senkte die Strafforderung auf zwei Jahre auf Bewährung. Das Urteil wird im Mai erwartet.

Ahok akzeptierte seine Niederlage und versprach, bis zum Ende seiner Amtszeit die Infrastrukturprogramme zur Staubeseitigung und zum Hochwasserschutz weiterzuführen. Er hatte auch vor, die Privatisierung der Wasserversorgung in Jakarta rückgängig zu machen. Das aber wird der neue Vizegouverneur Uno, dessen Firmen an der privatisierten Wasserversorgung verdienen, wohl zu verhindern wissen.

Das Problem ist nicht, dass Anies gewonnen hat, sondern wie. Das Signal, das von dieser Wahl ausgeht, ist, dass Angehörige religiöser oder ethnischer Minderheiten keine politischen Führungspositionen einnehmen dürfen. Das hat schwerwiegende Konsequenzen für die bevorstehenden regionalen Wahlen in anderen Provinzen, aber auch für die Präsidentschaftswahl 2019. Indonesien, das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung, galt als Modell in Sachen Pluralismus. Doch seit Jahren werden die Rechte und Freiheiten der Minderheiten schleichend eingeschränkt. Die Wahl in Jakarta hat diesen Prozess weiter vorangetrieben.