In Honduras wird gegen Machismo, Bandengewalt und Morde an Frauen protestiert

Tödlicher Machismo

In Honduras haben zahlreiche Frauengruppen gegen die vielen Morde an Frauen protestiert. Ursachen sind Machismo und Bandengewalt, die Täter gehen fast immer straffrei aus.

Jensy wollte ihren 26. Geburtstag feiern und endete gesteinigt auf einem Friedhof in Tegucigalpa. Milenas Kinder hörten die Schüsse vor dem Haus, ohne zu ahnen, dass diese ihrer Mutter galten. Die 19jährige Estefania wurde von ihrem Freund erschossen. Die Ingenieursstudentin Mónica wurde vor den Augen ihrer vierjährigen Tochter von ihrem Mann mit einem Hammer erschlagen. In San Pedro Sula wurde eine geköpfte Mädchenleiche auf einem Schulgelände gefunden. Heidy überlebte die Attacke ihres Ehemanns mit einer Machete schwer verletzt, sie verlor den rechten Fuß.

Das ist eine wahllose Aufzählung oft tödlich endender mysogener Gewalt­taten in Honduras. Dagegen protestierten am 4. Juli 20 Frauenorganisationen vor dem Regierungssitz in der Hauptstadt Tegucigalpa. Allein in den vorangegangenen zehn Tagen waren 18 Frauen getötet worden. Bei 463 Frauenmorden im vergangenen Jahr wurden in nur 15 Fällen Untersuchungen ein­geleitet. Während Gewaltverbrechen im Allgemeinen seit Beginn dieses Jahres nach Regierungsangaben um 22 Prozent zurückgegangen sind, steigt die Zahl der Femizide erneut an. Organisierte Kriminalität wird bekämpft, während sexuelle und häusliche Gewalt, die Frauen betrifft, ignoriert wird. »In Honduras eine Frau zu sein, ist ein ständiges Risiko«, sagte Sara Tomé vom Zentrum für Frauenstudien (CEM) der BBC.

Frauen haben in den gesetzlosen Strukturen der Bandenkriminalität keinen Schutz zu erwarten.

Neben Mexiko, Guatemala und El Salvador gehört das kleine mittelamerikanische Honduras zu den gefährlichsten Ländern der Welt für Frauen. Zwischen 2005 und 2009 hat sich die Zahl der Frauenmorde fast verdoppelt, 2009 waren es 363 Fälle. Infolge des Putsches im selben Jahr, der die politischen Institutionen zersetzte und dem Drogenhandel Tür und Tor öffnete, schoss sowohl die Zahl der Morde insgesamt wie auch die der Femizide in die Höhe. 2013 erreichten letztere mit 636 Morden ihren Höhepunkt. Seitdem sind die Zahlen zwar wieder gesunken, bleiben jedoch mit einer Rate von 8,7 pro 100 000 Einwohner alarmierend hoch.

Für internationale Schlagzeilen sorgte Ende 2014 der Mord an María José Alvarado, die Honduras bei den Miss-World-Wahlen vertreten sollte und wenige Tage zuvor zusammen mit ihrer Schwester von deren Freund erschossen wurde. Die große Mehrheit der Fälle betrifft jedoch Frauen aus marginalisierten Schichten und findet abgesehen von einer Polizeimeldung weder Öffentlichkeit noch Aufklärung. Gladys Lanza, die mittlerweile verstorbene Vorreiterin der feministischen Bewegung in Honduras, benannte klar: »Das Phänomen der Frauenmorde konnte das heutige Ausmaß erreichen, weil es auf vollkommene Gleichgültigkeit seitens der Regierung stieß.« Hinter jeder Tat stehe die machistische Überzeugung von Männern, dass eine Frau ihr Eigentum sei. »Sie bemächtigen sich ihrer und sogar ihres Lebens«, so die Feministin kurz vor ihrem Tod.

Der Machismo wird in Honduras herausgefordert von der Tatsache, dass Frauen aufgrund von Migration, Industrialisierung und sich verändernden Rollenbildern für sich selbst sorgen und Kinder oft alleine großziehen. Mit dem Staatsstreich, der die Führungsriege der rechten Kirchenorganisation Opus Dei ins Staatsamt erhob, setzte jedoch ein politischer Backlash ein. Heutzutage sind es vor allem evangelikale Sekten, die ein ultrakonservatives Gesellschaftsbild vertreten.

Frauenmorde in Honduras hängen auch mit dem Phänomen der Jugendbanden und der organisierten Kriminalität zusammen. Der Feministin Neesa Medina zufolge verbindet sich in diesen Gruppen der Machokult mit einem Alltag von Waffen, Drogen und Gewalt. Wie in El Salvador und Guatemala werden in Honduras die Armenviertel von Banden beherrscht, die ­deren Bewohnern eine stetig steigende »Kriegssteuer« abpressen, Auftragsmorde und Drogenhandel für Kartelle erledigen und sich gegenseitig bekriegen. Frauen haben in diesen gesetzlosen Strukturen keinen Schutz zu erwarten. »Die Männer können mit Frauen in Honduras tun, was sie wollen«, so Medina, die beim Frauenrechtszentrum (CDM) in Tegucigalpa tätig ist. Frauenmorde seien lediglich der Höhepunkt der ­Gewalteskalation und oft der letzte Akt in einer Serie von Übergriffen. Vor dem Hassmord werden Frauen häufig vergewaltigt und verstümmelt.

2013 wurde Femizid als schwerer Straftatbestand in die honduranische Gesetzgebung eingeführt und 2016 wurde eine Spezialeinheit gegen Frauenmorde gegründet. Doch selbst die zuständige Staatsanwältin für Delikte gegen Frauen in Tegucigalpa, María Mercedes Bustelo, muss zugeben, dass die Polizei oft keine Möglichkeiten hat, ohne Begleitung des Militärs in von Banden beherrschte Viertel zu gelangen, um Anzeigen nachzugehen. »Viele Frauen, die mit Bandenangehörigen in einer gewalttätigen Beziehung leben, haben noch nicht einmal die Chance, eine Anzeige zu stellen, da dies ihr sicheres Todesurteil wäre.« Oftmals werden Frauen und Mädchen von Banden- oder Kartellangehörigen willkürlich »ausgewählt« und vergewaltigt und mit Todesdrohungen gegen ihre Familie zum Schweigen gezwungen. Was fehle, seien Schutzmaßnahmen und Frauenhäuser. So bleibt vielen Frauen einzig die Möglichkeit, Honduras zu verlassen. Verschärfte Asylbedingungen in den USA unter Präsident Donald Trump treffen sie besonders und auf den Fluchtrouten sind Migrantinnen brutalster Gewalt ausgesetzt.

Viele junge Feministinnen aus der wachsenden Mittelschicht sind hingegen nicht gewillt zu gehen. Unter dem Motto »Nicht eine weniger« protestieren sie gegen die Gewalt gegen Frauen in ihrem Land. Eine Forderung, die seit vergangenem Jahr in ganz Lateiname­rika auf die Straße getragen wird. Die Proteste Anfang Juli in Honduras er­innerten auch an die im vergangenen Jahr ermordete Umweltschützerin ­Berta Cáceres, die auch feministische, basisdemokratische und indigene Forderungen vertrat. Erst kürzlich wurde ihre Tochter Bertha Zuniga Cáceres, die mit der Organisation COPINH das Erbe ihrer Mutter weiterführt, von Bewaffneten attackiert.