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Bei der Lackarbeit

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Los ging es bei Twitter, wo der Energieexperte des WDR, Jürgen Döschner, unter dem Hashtag #Dieselgate verkündete: »Wo drastische Taten fehlen, müssen wenigstens drastische Worte her: Deutsche #Automafia vergast jedes Jahr 10 000 Unschuldige.« Einen Tag später entschuldigte sich der Mann zwar: »Für d Verwend d Wortes ›vergasen‹ entschuldige ich mich ausdrücklich. War nicht m Absicht, d Abgasskandal in Beziehung z Holocaust z setzen.«

Aber da war die durch seinen Tweet ruinierte Nagellackschicht schon lange wieder entfernt und ein neuer Versuch gestartet worden. Unglücklicherweise mit der irischen Ausgabe der Sunday Times, wo der Holocaust-Leugner Kevin Myers eine Kolumne über das kürzlich bekannt gewordene Gender-Pay-Gap bei der BBC schreiben durfte. Unter der Überschrift »Sorry ­ladies, equal pay has to be earned« stand dort geschrieben, dass zwei der besser bezahlten BBC-Journalistinnen jüdisch seien; die üblichen antisemitischen Klischees folgten. Eine der beiden Frauen, selbst Kolumnistin der Sunday Times, versprach immerhin umgehend, nie wieder für das Blatt zu schreiben. Und das Multitasking ist halt einfach weg.