Ein Rückblick auf ein halbes Jahrhundert »Planet der Affen«

Es geht um alles

Im dritten Teil der neuen »Planet der Affen«-Saga muss der intelligente Anführer Caesar in einem Feldzug kämpfen, den er nicht gewollt hat.

Mit »Survival« endet der 2011 begonnene dreiteilige Reboot von »Planet der Affen« – rund ein halbes Jahrhundert nachdem der Stoff zum ersten Mal auf die Leinwand gebracht wurde. Matt Reeves (»Let Me In«) durfte trotz des nur mittelprächtigen zweiten Teils abermals Regie führen und hat das in ihn gesetzte Vertrauen nicht enttäuscht. Reeves tritt in große Fußstapfen und schafft es dennoch, einen eigenen Zugang zum Universum der Affen zu finden, der visuell aufwändig ist, ohne philosophisch gleichgültig zu sein.

Nicht allein die Faszination des Spektakels ist für die jüngste Verfilmung wesentlich, es wird eine ganz konventionelle Idee des Kinos wiederentdeckt: die Sichtbarwerdung, die den Filmtheoretiker Béla Balázs Anfang des 20. Jahrhunderts begeisterte. Der Ungar war hingerissen von der Macht der Großaufnahme, die aus Gesichtern ganze Landschaften zu machen vermochte. Nach einem Jahrhundert Kino läuft im Film noch immer vieles über die Mimik, die Darstellung von Gefühlen und Gedanken, eben über das, was sich in den Gesichtern der Protagonistinnen und Protagonisten abzeichnet.

Alle drei Teile des »Planet der Affen«-­Reboots beweisen hierfür ein ausgeprägtes Gespür. Die Kamera beobachtet die Gesichtsausdrücke der Affen mit der gleichen Genauigkeit wie die Wissenschaftler im ersten Teil. Es geht um Psychologie, Körpersprache, Machtgebaren und immer wieder um Blicke. Dazu kommt, dass in »Planet der Affen: Survival« Anleihen an den charakteristischen Charme der alten Verfilmungen deutlich werden. Nach zwei sehr ernsten Episoden darf nun wieder gelacht werden. Das komische Potential der Phantasie-Affen will jedoch erst entwickelt werden und sich wie die Geschichte selbst über ein feines Verständnis für Körperlichkeit entfalten.

Der ursprünglichen »Planet der Affen«-Reihe war ein recht uneitler Humor eigen. Man denke nur an Charlton Hestons Grimassen, die er Ende der Sechziger zwischen einer Bande von Schauspielern in Affenmasken zog. Wie der Mann spielt und insbesondere wie er einen »Mann« spielt, kommt einem aus heutiger Sicht sonderbar entrückt vor. Und doch erinnert er mit seinem charakteristischen Wangenzucken an andere markante Männerfiguren des Kinos, etwa die des japanischen Filmemachers Takeshi Kitano.

»Planet der Affen: Survival« lässt sich erstaunlich viel Zeit für Gespräche. Eine Stärke, von der bereits die alten Filme profitierten.

Es war eine kluge Entscheidung, 1968 die Rolle des Astronauten Taylor, der mit seiner Crew in einem kleinen Raumschiff auf der Erde der Zukunft bruchlandet, mit Heston zu besetzen. Er war ein Star, der die Finanzierung des Films erst ermöglichte. Die Buchvorlage des französischen Kriegsveteranen Pierre Boulle (»Die Brücke am Kwai«) war dem Chef der Filmproduktionsgesellschaft Fox nicht spannend genug. Vielleicht erfolgte die Besetzung Hestons auch aus der Intuition heraus, die für stilistische Wagnisse unabdingbar ist. Was die Kamera dann einfing, war ein imposanter Kerl mit starkem Kiefer, der selbst neben all den Affenmasken, die für den Kultstatus der Filme mitverantwortlich sind, noch auffiel.

Der Tod Taylors bereits im zweiten Teil der Reihe überraschte: ein Schuss ins Herz, bevor die Atombombe die Welt zerstört. Es gehört schon Mut dazu und eine gewisse Verspieltheit, einen Star so schnell aus dem Film zu werfen. Heute ist das Kino konservativer und die Verträge sind anders, da passiert so etwas nicht mehr ohne weiteres. Andy Serkis bleibt, gibt den Affenanführer Caesar und steht im Zentrum der neuen Trilogie. Vermutlich weil er der geübteste Maskenträger des Gegenwartskinos ist. Er versteht es, Masken zu spielen und der Kamera und Computeranimation Material zu liefern. Als Gollum in »Herr der Ringe« hat sich Serkis ins Bildgedächtnis eingeschrieben und vorgeführt, dass er wie kaum sonst jemand in der Lage ist, die zeitgemäßen Masken einzusetzen und dadurch bisherige Begriffe von Schauspiel in Frage zu stellen.

Die computergenerierten Gesichter des Motion-Capture-Verfahrens wirken so lebensecht wie die der Schauspieler. Serkis vermenschlicht den Affenkönig Caesar gekonnt, damit er als Protagonist der neuen Trilogie für ein breites, internationales Publikum attraktiv ist. Und dennoch ist dieses Wesen eben auch ganz klar eine Phantasiegestalt, die nach eigenen Regeln agiert. Die Wut des Affen ähnelt der menschlichen, aber sie ist eben auch monströs und instinktiv.

Caesar hat reichlich Grund, wütend zu sein. Nachdem er die Affen vom Joch der Menschen befreien konnte, tobt in »Survival« ein Krieg zwischen Menschen und Affen, der sich nicht mehr aufhalten lässt. Ausgelöst hat ihn der zornige, speziesistische Affe Koba mit seinem starrköpfigen Feldzug, der Caesar in die Bredouille gebracht hat. Der gütige König der Affen musste die Hand gegen seinen Artgenossen erheben.

Der Geist des Verräters verfolgt Caesar in »Survival« unentwegt. Koba erscheint in seinen Träumen und stellt die Frage, ob der intelligente Caesar nicht doch animalischer ist, als er zugeben will. Muss er vor seiner tierischen Wut kapitulieren? Entscheiden wird sich dies während eines Rachefeldzugs gegen den irren Colonel McCullough, gespielt von Woody Harrelson. Dieser versucht erst gar nicht, eine eigene Figur zu entwickeln, sondern nimmt sich die wahnsinnigen Kriegstreiber der Kinogeschichte zum Vorbild – insbesondere Marlon Brando als Colonel Kurtz in »Apocalypse Now«. Colonel McCullough ist der Überzeugung, dass es im Krieg keine Menschlichkeit und Moral geben kann. Das erklärt er Caesar in aller Ruhe. Es ist ein gehaltvoller Dialog, vielleicht der philosophische Mittelpunkt des Films, der es auch in den Trailer geschafft hat: Ein Affe und ein Typ, die sich was zu sagen haben!

»So emotional!« ruft der zynische Soldat, weil der Affe an den Fesseln rüttelt. Er kann den Tod seiner Liebsten nicht verkraften und sorgt sich um das Schicksal seiner Artgenossen. Der Film lässt sich erstaunlich viel Zeit für Gespräche. Eine Stärke, von der bereits die alten Filme profi­tierten. Es wurde viel gesprochen in den sechziger und siebziger Jahren; gerade in den späteren Filmen der damals fünfteiligen Reihe wurden Gesellschaftsentwürfe verhandelt und Rollenbilder, Rassismus und ­Genozid angeklagt. Im zweiten Teil tauchen Antikriegsdemonstranten in der ­Affenstadt auf und die Alpha-Omega-Sekte von Zukunftsmenschen, die eine Atombombe anbeten, eröffnet unter der Oberfläche des Planeten ganz unerwartet einen Glaubensdiskurs – der auch mit den ­Affen zu tun hat und die Frage aufwirft, woran sie eigentlich glauben und wie sie ihre Gemeinschaft ­definieren.

In den alten Filmen waren es vor allem die Mimik und die Bewegungen der Schauspieler unter den Affenmasken, die für den camp sorgten. Derartige Übertreibungen bieten die Neuverfilmungen nicht. Aber »Planet der Affen: Survival« hat zumindest eine Figur, die einen ironischen Blick ermöglicht. Bad Ape ist ein kleiner Affe aus dem Zoo, der nicht mehr der Jüngste ist und ein Einsiedlerleben führt. Während der Film die verbliebenen US-Soldaten zur Vernichtungsarmee stilisiert und weder vor der Drastik noch der Rhetorik aus Antikriegsfilmen zurückschreckt, ist Bad Ape häufig nichts weiter als schwer von Begriff oder von der Benutzung eines Fernglases überfordert. Zur Seite steht der Gruppe um Caesar neben dem Affenkauz auch ein Kind. Das Mädchen ist stumm und heißt Nova, wie die stumme junge Frau in den ersten Filmen. Selbst in Momenten größter Gefahr, etwa während eines Gefängnisausbruchs, werden durch diese beiden plötzlich wieder Späßchen und kitschige Eskapaden möglich. Beinahe scheint sich dann der beunruhigend zeitgemäße Kosmos psychologisierter Härte, der hier von einem der absurdesten Stoffe der Filmgeschichte Besitz ergriffen hat, für ­Momente wieder dem Einbruch des Magischen zu öffnen.

»Planet der Affen: Survival« (USA 2017). Regie: Matt Reeves, Darsteller: Andy Serkis, Woody Harrelson, Steve Zahn. Start: 3. August