In Österreich hat die Linke nach den Wahlen nichts zu sagen, aber viel zu tun

Kein Silberstreif am Horizont

Der Ausgang der Nationalratswahlen in Österreich ist Ausdruck der autoritären Zuspitzung. Die Linke ist völlig marginalisiert.

In der österreichischen Linken herrscht Katerstimmung. Die Nationalratswahl ist eine schwere Niederlage sämtlicher progressiver Kräfte und ein Ausdruck autoritärer Zuspitzung. Sebastian Kurz von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) wird wohl mit 31 Jahren der jüngste Bundeskanzler in der österreichischen Geschichte, Heinz-Christian Strache von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) wird aller Voraussicht nach Vizekanzler. Österreich steht damit eine Koalition zwischen einer weit nach rechts gerückten konservativen und einer offen rechtsextremen Partei bevor.

Die Sozialdemokraten (SPÖ) unter Christian Kern konnten ihr Ergebnis von 2013 halten und bleiben knapp vor der FPÖ zweitstärkste Kraft, jedoch ­offenbar zu Lasten der Grünen, die mit nur 3,8 Prozent der Stimmen aus dem Parlament ausscheiden. Auch an den ehemaligen grünen Abgeordneten Peter Pilz, der mit seiner erstmals angetretenen eigenen Liste 4,4 Prozent der Stimmen erhielt und in den Nationalrat einzieht, verloren sie Wähler. KPÖ Plus, ein Wahlbündnis der Kommunisten mit der von der grünen Parteispitze ausgeschlossenen Jugendorganisation der Grünen, blieb mit 0,8 Prozent hinter den Erwartungen vieler Linker zurück.
Rassismus und Sozialchauvinismus haben den Wahlkampf dominiert, die vor einigen Jahren noch als extrem bezeichneten Standpunkte der FPÖ sind in die Argumentation aller großen Parteien eingegangen. Im Schatten des Flüchtlingsthemas konnte die ÖVP, in weitgehender Übereinstimmung mit der FPÖ, ein wirtschaftsliberales Großprojekt ausarbeiten, das im Wahlkampf jedoch weder von Kern noch den Grünen stark thematisiert wurde. Ein umfassender Reformplan, der mit der Agenda 2010 in Deutschland vergleichbar ist, blieb deshalb wenig beachtet.

Rassismus und Sozialchauvinismus haben den Wahlkampf dominiert. Die Standpunkte der FPÖ sind in die Grundargumentation aller großen Parteien eingegangen.

Der große Zugewinn von ÖVP (plus 7,5 Prozentpunkte) und FPÖ (plus 5,5 Punkte) im Vergleich zu 2013 kann jedoch nicht nur mit einem Rechtsruck erklärt werden. Zwei rechte Parteien, das Team Stronach und die FPÖ-Abspaltung Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), traten bei diesen Wahlen nicht mehr an, ihre Stimmen – 2013 ­erhielten sie zusammen über neun Prozent – verteilten sich auf Kurz und Strache. Dennoch ist es Ausdruck der autoritären Zuspitzung, dass die ÖVP unter Kurz, die einen für die jüngere Geschichte der Partei beispiellosen Rechtskurs verfolgte, ihre Stammwählerschaft komplett erhalten und darüber hinaus viele weitere Stimmen hinzugewinnen konnte.

Mit seinem Erfolg hat Kurz den konservativen Parteien außerhalb Österreichs demonstriert, wie die Abwanderung der Wähler zu weiter rechts stehenden beziehungsweise rechtspopulistischen Parteien aufzuhalten ist: Man lässt rechts neben sich keinen Platz und verbindet Extrempositionen mit staatsmännischem Gestus. Jenen bürgerlichen Wählerinnen und Wählern, die Strache und Co. nicht wegen ihrer Inhalte ablehnen, sondern wegen der ruppigen Attitüde, mit der diese vorgetragen werden, hat Kurz ein Angebot gemacht. Man kann davon ausgehen, dass sich Horst Seehofer und andere Rechtskonservative außerhalb Österreichs künftig an Kurz und der ÖVP orientieren werden.

Angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse im Parlament und der bislang geäußerten Koalitionsabsichten könnten ÖVP und FPÖ mit Unterstützung der ebenfalls wieder ins Parlament eingezogenen wirtschaftsliberalen Partei Neos ihre Politik relativ pro­blemlos durchsetzen. Zu erwarten ist ein hartes Sparprogramm, das vor allem Migranten und Arme trifft, kombiniert mit Steuererleichterungen, von denen vor allem Spitzenverdiener und das exportorientierte Kapital profitieren würden. Die schon lange bestehenden Forderungen der Wirtschaftskammer nach Senkung der Lohnnebenkosten, Arbeitszeitflexibilisierung, Zwölfstundentag und Entbürokratisierung könnten der Reihe nach abgearbeitet werden und auf die Schaffung eines Niedriglohnsektors hinauslaufen. Arbeiterkammer und Gewerkschaften würden sukzessive an Einflussmöglichkeiten verlieren und die im europäischen Vergleich relativ hohe Tarifbindungsquote könnte bald der Vergangenheit angehören.

Des Weiteren sind die Teilprivatisierung des österreichischen Rundfunks, den die FPÖ wegen seiner oftmals kritischen Berichterstattung als »Rotfunk« bezeichnet, und starke Kürzungen bei Forschungs- und Kultursubventionen zu erwarten. Drei von 20 Posten am Verfassungsgerichtshof müssen unter der kommenden Regierung neu besetzt werden. Bislang geschah dies in Österreich nach parteipolitischen Gesichtspunkten, eine rechtskonservative Koalition würde nichts Gutes erwarten lassen. Im schlimmsten Fall fiele der Verfassungsgerichtshof als Kontrollinstanz aus und der autoritäre Staatsumbau, den bereits die große Koalition aus ÖVP und SPÖ in den vergangenen Jahren eingeleitet hat, könnte bruchlos fortgeführt und noch intensiviert werden. Weitere Einschränkungen des Versammlungsrechts, der Ausbau von Überwachungs- und Repressionsmöglichkeiten sowie Verschärfungen der ohnehin schon restriktiven Politik in der Migrations- und Asylpolitik sind zu erwarten.

International könnte sich eine Regierung aus ÖVP und FPÖ, deren Außenminister der ehemalige FPÖ-Präsidentschaftskandidat und Burschenschafter Norbert Hofer werden könnte, stärker in Richtung der autoritären Regime in Ungarn und Polen orientieren.
Es ist fraglich, wie groß der Widerstand gegen diese Entwicklung wird. In Österreich wählten fast 60 Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter mit der FPÖ eine Partei, die noch jede anti­soziale Maßnahme und arbeitsrechtliche Verschlechterung der vergangenen Jahrzehnte mitgetragen hat. In Kärnten ist die FPÖ wieder stimmenstärkste Partei, obwohl das Bundesland von ihr in Jahren der Korruption und Misswirtschaft zugrunde gerichtet worden war und sich noch immer nicht davon erholt hat. Unter den unter 29jährigen Frauen ist die FPÖ, die erkämpfte Rechte wie die Duldung von Schwangerschaftsabbrüchen wieder zur Disposition stellen will, stärkste Kraft. Die ÖVP, die in Österreich seit 30 Jahren in der Regierung sitzt, wurde bei dieser Wahl hauptsächlich gewählt, weil sie ihren Anhängern zufolge für Veränderung stehe.

In diesem vollendeten Irrsinn kann linke, aufklärerische Politik nicht Fuß fassen; das eröffnet der Rechten ungeahnte Möglichkeiten. Die kleine progressive Wählerschaft wird wegen des Erstarkens der Rechten fast vollends von der SPÖ absorbiert, der es weiterhin gelingt, sich kontrafaktisch als ­Gegenpol zur FPÖ zu inszenieren und damit sämtliche Projekte links von sich zu behindern. Trotz Skandalen, Wahlkampfpannen und drei Legislaturperioden, in denen die SPÖ kontinuierlich nach rechts gewandert ist, kann sie sich als zweitstärkste Kraft halten und sieht das sogleich als Auftrag, in Koalitionsverhandlungen mit der rechts­extremen FPÖ einzutreten. Schade nur für Kern, dass die schwarz-blaue Koa­lition aus ÖVP und FPÖ längst ausgemachte Sache zu sein scheint.

Die österreichische Linke muss einen Verteidigungskampf gegen die kommenden Angriffe führen und zugleich Aufbauarbeit betreiben. Die sozialen Verwerfungen, die der Sozialabbau von ÖVP und FPÖ wohl produzieren wird, dürften dabei nicht unbedingt hilfreich sein, denn Abstiegsängste und Arbeitsleid werden in Österreich allzu oft in Rassismus und Nationalismus kanalisiert. Die Aufgabe der Linken wird nicht nur sein, ihre Positionen in die Öffentlichkeit zu tragen, sondern auch, eine Öffentlichkeit herzustellen, die für linke Politik überhaupt wieder empfänglich ist.