Small Talk mit Andy Uphoff und Felix Kronau von der »Linken Liste« über das Verbot der Vorführung einer Antisemitismusdokumentation

»Auf Konflikte einstellen«

Die Frankfurter Hochschulgruppe »Linke Liste« wollte die Antisemitismusdokumentation »Auserwählt und ausgegrenzt« zeigen und die Filmemacher Joachim Schroeder und Sophie Hafner zum Gespräch einladen. Der WDR als Rechteinhaber verbot jedoch die Vorführung. Die Jungle World hat mit Andy Uphoff und Felix Kronau von der »Linken Liste« gesprochen.
Small Talk Von

STWarum wollen Sie die Dokumentation zeigen?
Felix Kronau:
Weil wir sie für wirklich gut halten! Außerdem werden viele Punkte angesprochen, die gerade in einer bürgerlichen Rezeption von Antisemitismus zu kurz kommen. Des Weiteren finden wir, dass in der Debatte um die Nichtausstrahlung der Dokumentation die Auseinandersetzung um den eigentlichen Inhalt bedauerlicherweise von der Kritik an vermeintlichen Mängeln verdrängt wurde. Wir wollen die Deutung der Debatte auch nicht Medien wie PI-News überlassen, die ihre vermeintliche Solidarität mit Israel nutzen, um antiarabischen Rassismus zu verbreiten.
Andy Uphoff: Deshalb haben wir auch die Macherin und den Macher des Films eingeladen, um mit ihnen über den Verlauf der Debatte über die Dokumentation zu sprechen, da sie beide diesbezüglich kaum zu Wort kamen.

Wie kam es dazu, dass Sie den Film nicht zeigen konnten, und wie gehen Sie damit um?
Uphoff:
Nachdem wir beim WDR angefragt hatten, wurden wir mit einer recht knappen E-Mail abgespeist, in der man uns mitgeteilt hat, dass der Film einer »redaktionellen Verwendungssperre« unterliege und wir ihn deshalb nicht zeigen dürften. Wir haben uns rechtliche Beratung geholt. Den Film trotz Verbot in Gänze zu zeigen, würde mit Geld- oder sogar Gefängnisstrafe sanktioniert. Eine rechtliche Grauzone wäre es, den Film aus der Mediathek direkt zu streamen oder Ausschnitte zu zeigen, aber so können wir unserem Anspruch, die Dokumentation zu zeigen und zu diskutieren, nicht gerecht werden.

Ist es Ihr Anspruch, die Studierenden der Goethe-Universität über Antisemitismus aufzuklären?
Kronau:
Wir beschränken unsere politische Arbeit nicht auf die Hochschule. Jedoch ist es an einer Universität, an der Josef Mengele geforscht hat und deren größter Sponsor die Familie Quandt ist, deren Vermögen zu einem großen Teil aus Zwangsarbeit und »Arisierung« während der Nazizeit herrührt, zwingend notwendig, über Antisemitismus zu sprechen.
Uphoff: Das gilt gerade in Bezug auf den neuen Campus, der ja im ehemaligen Gebäude der IG Farben untergebracht wurde, einem Konzern, dessen Tochterunternehmen Degesch das in Auschwitz eingesetzte Giftgas Zyklon B produzierte, und der mit Auschwitz III ein eigenes KZ betrieb, was viel zu wenig aufgearbeitet wird.
Kronau: Da Antisemitismus jedoch ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, halten wir es für wichtig, die Dokumentation in einem öffentlichen Rahmen zu zeigen. Dem Film gelingt es ausgezeichnet, Antisemitismus einmal an konkreten Akteuren und Akteurinnen festzumachen, andererseits aber auch als gesellschaftliche Struktur zu entlarven. Wir haben auch die Hoffnung, dass die Vorführung bürgerlichen oder linken Israelkritikern und -kritikerinnen hilft, ihre Ressentiments zu hinterfragen.

Rechnen Sie mit Widerstand gegen die Vorführung?
Kronau:
Seitens der Universität eigentlich nicht, da ist man zu stolz auf die Tradition der Kritischen Theorie. Was anderweitige Proteste angeht, muss man sich allerdings schon auf Konflikte einstellen.
Uphoff: Es gab auch vor kurzem heftige Debatten in Frankfurt über israelbezogenen Antisemitismus. Erst vor wenigen Monaten fand hier eine Tagung der Israelboykottorganisation BDS statt.