In diesem Jahr erscheint das neue Album von The Breeders

Warten auf das neue Album

Zehn Jahre sind vergangen, seit The Breeders ihr letztes Album veröffentlicht haben. Nun wurde ein neues für 2018 angekündigt.

Die beiden Gitarre spielenden Frauen sahen sich zum Verwechseln ähnlich, auch ihre Singstimmen waren kaum voneinander zu unterscheiden. Der Moderator Conan O’Brien, in dessen Sendung dieser Auftritt 1993 stattfand, hatte die Band anhand ihrer Selbstbeschreibung angekündigt: »Just a bunch of rock chicks who like to play loud guitar music.« Und das taten die Breeders dann auch, vor einer Videoprojektion, die Menschen beim Billard zeigte, spielten sie laute Gitarrenmusik, genauer gesagt den Song »Divine Hammer«, wobei man nicht eindeutig klären kann, ob in dem Stück über einen gigantisch großen Penis oder doch über eine ­reli­giöse Erweckung gesungen wird.

Über die Breeders wird durchgängig kolportiert, es handele sich bei ihnen um ein Nebenprojekt der Bassistin der Pixies, Kim Deal. Mit der Verwendung des Wortes »Nebenprojekt« geht eine Abwertung einher, eingefleischte Fans der Pixies reden sich so ein, die Mitglieder ihrer heiligen Band seien auf diese verpflichtet, wenn einer von ihnen noch in einer anderen Band involviert ist, sei das nur eine Spielerei, passiere nur ­nebenbei. Für Kim Deal war es wohl mehr als das: Genervt von den Attitüden des Sängers der Pixies, Frank Black, gründete sie 1989 wohl nicht zufällig eine fast ausschließlich aus Frauen bestehende Band, die Breeders. Auch Tanya Donelli und Josephine Wiggs hatten schon in anderen Bands gespielt und suchten bei den Breeders ein neues Umfeld, um besser das musikalisch verwirklichen zu können, was ihnen vorschwebte. Der einzige Mann im Bunde: Der Schlagzeuger Britt Walford, ausgeliehen von der Noise-Rock-Band Slint. Er trat bei Konzerten in Frauenklamotten auf und trug passend dazu den Künstlernamen Shannon Doughton. In dieser Formation entstand das erste Album »Pod«, das stark beeinflusst vom klaren, aber dennoch dissonanten Sound der Zeit war. Ein großer Fan der Platte war kein Geringerer als der Sänger von Nirvana, Kurt Cobain, der in einem Interview einmal die Entstehung der Band quasi herbeigeseht hatte. Der Song »Gigantic« der Pixies, geschrieben und gesungen von Kim Deal, sei sein Favorit, und enttäuschend sei, dass Deal zu wenig Songs für die Band schreiben dürfe.

Obwohl sie in der Anfangszeit der Riot-Grrrl-Bewegung entstanden, haben die Breeders nie zu diesem Kreis gehört. Ihre Songs waren dafür zu melodisch, die Texte keine Slogans, ihre politische Botschaft abstrakter, ihr Stil experimenteller.

Tatsächlich waren die Breeders ein Befreiungsschlag für Kim Deal, erlaubten ihr, abseits des Alphatiers Frank Black Musik zu machen, die sie bei den Pixies nicht realisieren konnte. Diese lösten sich dann 1993 auch vorerst auf, da war das zweite Album der Breeders, »Last Splash«, schon ­erschienen. Zur Band gehörte jetzt auch Kims Zwillingsschwester Kelley Deal, die am Anfang laut Aussage ­ihrer Schwester nicht mal ein kleines bisschen Gitarre spielen konnte.

»Last Splash« sollte auch das erfolgreichste Album werden. Als einzige der vier Langspielplatten der Band wurde sie nicht von dem Produzenten Steve Albini aufgenommen, dessen roher und schnörkelloser Stil den Sound der Breeders maßgeblich geprägt hat. »Last Splash« ist dagegen ein – wenn man es böse sagen will – Major-Album; voller genialer Songs, aber streckenweise ein wenig überproduziert. Ausgekoppelt wurde »Cannonball«, der wohl berühmteste Song der Band.

1995 erschien »Pacer«, ein Album, auf dessen Cover nicht die Breeders, sondern eine Band mit dem Namen The Amps als Urheber genannt wurde. Kelley Deal war wegen ihrer Alkoholsucht nicht mehr in der Lage, mitzuspielen. Kim ging es zwar ähnlich, sie machte aber mit dem Schlagzeuger der Breeders, mittlerweile Jim Macpherson, weiter. »Pacer« ist so etwas wie ein inoffizielles Album der Band, rau und zynisch klingt es, wie eine Sammlung von B-Seiten, die es eigentlich nicht auf ein fertiges ­Album schaffen.

Danach: sieben Jahre Pause. Mit der anderen grandiosen Kim, nämlich Kim Gordon, sang Kim Deal noch auf dem Sonic-Youth-Song »Little Trou­ble Girl«. »Title TK« hieß das dritte Album und erschien erst 2002, wieder unter altem Bandnamen. Die Pause zahlte sich aus, die Platte wurde zwar kein kommerzieller Erfolg, ist aber jene, die am meisten fasziniert. Alle Instrumente werden hier so simpel wie möglich gespielt und ergeben doch in der Kombination eine höchst experimentelle und kom­plexe Popmusik.

 

Feministisches Programm

Obwohl sie in der Anfangszeit der Riot-Grrrl-Bewegung entstanden, ­haben die Breeders weder zu diesem Kreis gehört, noch werden sie dazu gezählt. Das hat vielerlei Gründe. Sie waren nie Vertreterinnen des Punk, ihr Interesse an Musik war ein anderes. Ihre Songs waren zu melodisch, die Texte keine Slogans, ihre politische Botschaft abstrakter, ihr Stil experimenteller.

Das feministische Programm der Band besteht also nicht in der Artikulation von Glaubenssätzen oder der Beteuerung von Überzeugungen (was so auch nicht auf Riot Grrrl per se zutrifft), sondern es besteht aus Aneignungen. Angeeignet werden Gesten, Posen, Töne und Rhythmen, mit denen männliche Musikerkollegen so gerne auf der Bühne auftrumpfen. Ein markantes Beispiel für solch eine Aneignung ist die Coverversion des Aerosmith-Songs »Lord of the Thighs«, die auf einer B-Seite der Breeders erschien und in der ersten Hälfte der Neunziger zum Liverepertoire der Band gehörte. Wenn die Bassistin Josephine Wiggs diesen Macho-Alptraum cool und abgebrüht auf der Bühne von sich gibt, merkt man förmlich, wie sie sich dabei ins Fäustchen lacht über die im Text imaginierte Herrschaft über die Oberschenkel der Frau. Ein Musikvideo der Band zur Single »Safari« erzählt eine ähnliche Geschichte: Das Set ist hier haargenau dasselbe wie jenes aus dem Video zu Black Sabbaths »Paranoid«, eine runde weiße Bühne und im Hintergrund eine Videoprojektion. Die Breeders bedienen sich rigoros aus dem Arsenal der Rockmusik und machen deren Zeichen zu ihren eigenen.

Die Bezeichnung »just a bunch of rock chicks« ist also so wahr wie falsch zugleich. Falsch in dem Sinne, als dass die Band wahrlich nicht dem sexistischen Klischee der gackernden Hühner entspricht, und wahr, weil die Breeders eben genau das doch sind: girls with guitars, die möglichst laut sein wollen. Durch die ironische Aneignung dieser Bezeichnung entkräften sie deren ­abwertenden Gehalt, objektivieren sich selbst und stilisieren sich zu »Rockern« – eine Geste, die in der Musik den männlichen Kollegen vorbehalten ist.

Seit dem letzten Album »Mountain Battles« sind zehn Jahre vergangen. In unregelmäßigen Abständen veröffentlichte Kim Deal seitdem Singles unter ihrem eigenen Namen, jeweils zwei Songs auf einer Platte. Einer ist besonders schön: »Are you mine?«, der von ihrer an Alzheimer erkrankten Mutter handelt, die ihrer Tochter diese Frage immer wieder stellte, weil sie sich nicht mehr an sie erinnern konnte. Um sie zu pflegen, zog Kim Deal vor Jahren zurück in ihren Geburtsort, Dayton im US-Bundesstaat Ohio. Zu den Pixies kehrte sie noch einmal zurück, nahm mit ihnen aber, sogar öffentlichen Videoauf­rufen der anderen Bandmitglieder trotzend, keine Platte mehr auf. ­Dafür wurde gemeinsam getourt, man brauche das Geld, wurde verlautbart.

Im Oktober 2017 erschien eine neue Single, »Wait in the Car«, die erste Veröffentlichung der Breeders seit der EP »Fate to Fatal«, die 2009 herauskam. Mittlerweile spielen sie wieder in der Besetzung aus Zeiten von »Last Splash« und tourten Ende des vergangenen Jahres zusammen durch die USA und Europa. Aber ein neues Album? Fehlanzeige. Zwar hat ihr Label 4AD angekündigt, die Band arbeite seit geraumer Zeit an neuem Material, das im Lauf des Jahres erscheinen solle, aber weder ein Titel noch das genaue Datum sind bislang bekannt. So beginnt das Musikjahr 2018 also mit dem Warten auf den neuen Langspieler jener grandiosen Band, die es geschafft hat, auch nach fast 30 Jahren nicht nur immer noch zu existieren, sondern auch phantastisch zu klingen. Hoffentlich lassen die Breeders uns nicht zu ­lange zappeln.