Antisemitismus im deutschen Rap

Die Härte der Straße

Antisemitismus floriert im deutschsprachigen Rap. Rapper wie Bushido, Prinz Pi oder Kollegah tragen dazu bei, dass der Hass auf Juden in dem Genre immer selbstverständlicher wird.

»Contra Tel Aviv, pro Freiheit, contra Parasit USA und Drohnenkrieg-Kollektiv, contra Bilderberger, Volksverräter, Hintermänner« – wer bei dieser Assoziationskette glaubt, er habe die Querfrontlyrik eines Ken Jebsen vor Augen, der irrt. Die Zeilen stammen von dem deutschen Rap-Duo Fard & Snaga aus Gladbeck. Immerhin den vierten Platz der deutschen Albumcharts erreichten sie mit jenem Album, auf dem diese Reime gleich im ersten Song zu hören sind. Ein zufriedener Fan schreibt in seiner Kundenbewertung bei Amazon, dass ihm vor allem die »sozialkritischen Texte« gefielen.

Diese »Sozialkritik« ist vor allem eine Hassbekundung: gegen Israel, gegen die USA, gegen die angeblichen Strippenzieher der Weltpolitik. Verknüpfungen zwischen der »Politik aus Tel Aviv« und antisemitischen Verschwörungstheorien wie der über die Bilderberg-Konferenz werden wie selbstverständlich hergestellt. Zwischendrin erklingt der Ruf nach der »Todesstrafe für Kinderschänder«, wie er auch von der NPD kommen könnte. Sind das Rechte, die da rappen?

So einfach ist es nicht, denn es kommt noch schlimmer: Neben ­antisemitischen und verschwörungsideologischen Slogans propagieren Fard & Snaga einen Antiautoritarismus, der fast als links durchgehen könnte: Gegen den Staat, gegen Polizisten, gegen die Banken, aber – natürlich – für Che Guevara. Mit diesem weltanschaulichen Flickenteppich ist das Duo im deutschen Rap in guter Gesellschaft. Das Genre strotzt seit einiger Zeit vor zweifelhaften Statements, in denen Hetze gegen die Juden und den Staat Israel mal explizit, mal implizit vorkommt. Der Rapper Prinz Pi verkündete bereits 2008 seine Sympathie für die Hizbollah. Vor ziemlich genau einem Jahr freute sich der Berliner dann in Jan Böhmermanns »Neo Magazin Royale«: »Wie Ahmadinejad mach ich eine Kernfusion/und dieses Wunder kann ich jederzeit wiederholen.«

Sympathie für eine Terrormiliz, die die Vernichtung Israels fest in ihre Ideologie eingebaut hat, und eine deutliche Anspielung auf die Pläne des ehemaligen iranischen Präsidenten, den Staat Israel mittels einer Atombombe auszulöschen – aber von Antisemitismus möchte niemand etwas wissen. Es sei doch nur Rap: Image, Provokation, Kunst oder eben »Sozialkritik«. Auf den ersten Blick erscheint es seltsam, dass ausgerechnet im HipHop Israel angegriffen wird. Die Subkultur, in der die Kritik an der Ausgrenzung der Schwarzen aus der Gesellschaft leitendes Motiv war, hetzt gegen andere Ausgegrenzte.

Anpacken und Selbermachen: Wer dem Antisemitismus im Deutschrap auf die Schliche kommen möchte, muss bei seinen wiederkehrenden Motiven nachhaken.

Wie konnte es dazu kommen? Zunächst ist nicht sicher, ob antisemitische Tendenzen im deutschen Rap neu sind. Einer der wenigen deutschen Rapper mit jüdischer Herkunft, Ben Salomo, erzählte in Interviews, dass ihm antisemitische Anfeindungen schon seit Jahren bekannt sind. Gerade der harte, konfrontative Battle-Rap fand jahrelang im subkulturellen Untergrund, in Kellern und Jugendzentren statt. In den vergangenen Jahren hat sich das stark verändert. Battle-Rapper füllen mittlerweile Stadien.

Reimwettbewerbe spielen sich im Internet ab und erreichen dort nicht mehr länger nur eine Handvoll Jugendlicher, sondern ein Millionenpublikum. Rap ist neben dem Schlager zur erfolgreichsten deutschsprachigen Musiksparte geworden. Der Einfluss der Musik, vor allem auf Jugendliche, ist so groß, dass ein nicht unerheblicher Teil der gegenwärtigen deutschen Jugendsprache aus der Szene stammt. Parallel dazu ist das Wort Jude als Schimpfwort an deutschen Schulhöfen seit einigen Jahren wieder etabliert. Glaubt man Ben Salomo, wird vor allem durch den riesigen Erfolg des Genres nun in puncto Antisemitismus lediglich sichtbar, was dort seit Jahren schwelte.