Das Trump-Enthüllungsbuch »Fire and Fury«

Fury in the White House

Das Enthüllungsbuch »Fire and Fury« des Journalisten Michael Wolff präsentiert viel Tratsch über Donald Trump. Für dessen ehemaligen Chefberater Steve Bannon hat der Insiderbericht allerdings handfeste Konsequenzen.

Wer auch immer dem Journalisten Michael Wolff Zugang zum Weißen Haus verschaffte, hatte den Werbespot der Zeitung USA Today aus dem Jahr 2013 offenkundig nicht gesehen ­ oder ihn schon wieder vergessen: »Michael Wolff ist hier und möchte Sie sprechen«, teilt eine Empfangs­dame zu Beginn des 15sekündigen Clips einem Manager mit. Der reagiert schnell und entschlossen: Aus einer Schublade zieht er ein Notfall-Set heraus und geht zum Fenster, um sich daraus abzuseilen. »Lies Michael Wolff. Und danke deinem Glücksstern, dass er nicht über dich schreibt«, verkündet eine Männerstimme aus dem Hintergrund.

Der Autor des Trump-Enthüllungsbuchs »Fire and Fury« ist nicht ­unumstritten: 13 der in seinem 1998 veröffentlichten Bestseller »Burn Rate« vorkommenden Personen erklärten damals, sie seien falsch ­zitiert beziehungsweise ihnen seien frei erfundene Zitate untergeschoben worden; keiner von ihnen erinnerte sich daran, dass Wolff während ihrer Gespräche Notizen oder Aufnahmen gemacht habe. 2004 erschien im Magazin New Republic ein Porträt über Wolff, in dem die Autorin Michelle Cottle ihn als egomanen Blender zeichnet, der mit scharfem Witz Situationen beschreibe, die oft nur in seiner Phantasie stattgefunden haben.

Ob Wolff in »Fire and Fury« ebenfalls Zitate erfunden oder verändert hat, ist unklar. Bislang hat keiner der Zitierten geklagt, was vielleicht auch daran liegt, dass Wolff schon vor der Veröffentlichung des Buchs beteuerte, viele der zitierten Gespräche aufgenommen zu haben.

»Fire and Fury« ist ein großer Erfolg: 1,4 Millionen Exemplare wurden in der ersten Woche verkauft. Die Reichweite war sogar noch größer, denn Julian Assange stellte über Wikileaks prompt eine PDF-Fassung des Buchs zum illegalen Download zur Verfügung. Ob sein erklärtes Ziel, dem Verlag wirtschaftlich zu schaden, damit wirklich erreicht wurde, ist unklar. Zum einen kursierten bereits zuvor Kopien von »Fire and Fury«, zum anderen dürfte die Wikileaks-Veröffentlichung vor allem ein interessantes Angebot für Trumps Wähler gewesen sein, die ohnehin nicht ­vorhatten, das Buch zu kaufen,­ aber nach der Lektüre ein etwas anderes Bild von ihrem Präsidenten haben könnten. Für Wikileaks war der Imageschaden beträchtlich: Selbst Fans der Enthüllungsplattform ­twitterten, dass sie politisch brisante Enthüllungen erwarteten und keine kleinlichen Racheaktionen.

Aber was steht nun eigentlich drin im Buch, außer den schon vorab ­verbreiteten Anekdötchen und den schon in praktisch allen US-Medien hinreichend geschilderten Intrigen zwischen den einzelnen Fraktionen im Weißen Haus? Bislang unbekannt war, dass Ivanka Trump die Frisur ­ihres Vaters komödiantisch erklären kann. »Sie behandelte ihren Vater mit einer gewissen Distanziertheit und sogar mit Ironie«, merkt Wolff an, »und sie ging sogar so weit, sich vor anderen über seine zurechtgekämmten Haare lustig zu machen.«

Der künf­tige Präsident habe gewirkt, als habe er »einen Geist gesehen«, so schildert Wolff die Minuten am Wahlabend, in denen klar wurde, dass alles nun doch ganz anders kommen würde als angenommen.

So wissen wir nun endlich, dass auf dem Trump’schen Schädel nach ­einem Kopfhautlifting eine komplett kahlen Platte liegt, umgeben von einem »pelzigen Haarkranz«. Dieser wird von allen Seiten in die Mitte der Glatze gebürstet, dann zurückgekämmt und mit Haarspray fixiert. Auch über die Haarpflege des Präsidenten weiß die Welt nun dank Ivanka Trump und Michael Wolff Bescheid: Er benutze das Produkt »Just for Men«, sei aber zu ungeduldig, die für das optimale Ergebnis vorgeschriebene Einwirkzeit einzuhalten.

Das Buch beginnt mit dem Wahltag – und damit, wie sich Trump-Mitarbeiter wie Kellyanne Conway darauf vorbereiten, die erwartete Niederlage zu erklären. »Trump und seine winzige Bande von Wahlkampfkriegern waren bereit, mit Feuer und Wut zu verlieren. Sie ­waren nicht bereit zu gewinnen«, heißt es im Buch dazu. »Fire and Fury« ist kein feststehender Ausdruck wie das deutsche »mit Pauken und Trompeten verlieren«, sondern einfach nur ein Wortpaar, das ziemlich genau beschreibt, wie das Team zu verlieren gedachte: Feurig und voller Wut wollte man behaupten, dass der Kandidat durch Wahlmanipulationen, die Lügenpresse und den etablierten Politsumpf um den Sieg gebracht worden sei. Er wäre dann wieder ins alte Leben zurückgekehrt und hätte von den gesammelten Erfahrungen und Kontakten profitiert.

Donald Trump sprach schon während des Wahlkampfs immer wieder von den möglichen Auswirkungen der Kandidatur auf sein Unternehmen. Seinem Assistenten Sam Nunberg schwärmte er beispielsweise vor, dass er »der berühmteste Mann der Welt« werden könne. Auf dessen leicht skeptische Frage, ob er denn aber auch wirklich Präsident werden wolle, antwortete er nicht.

Dem im Mai 2017 verstorbenen ehemaligen Leiter von Fox News, Roger Ailes, einem langjährigen Freund, sagte Trump während des Wahlkampfs, alles sei »viel großartiger«, als er es sich »je erträumt« habe. Er denke nicht über eine mögliche Niederlage nach, »weil es kein Verlieren wäre. Wir haben total gewonnen.« Trump ging davon aus, dass seine Geschäfte nach der verlorenen Wahl glänzend laufen würden; unterstützt von ­Ailes plante er sogar, einen Fernsehsender zu gründen. In den eigenen Wahlkampf hatte er dagegen nicht investieren wollen, laut Wolff brachten ihn erst Steve Bannon und Jared Kushner gemeinsam dazu, zehn ­Millionen Dollar zu geben – allerdings nur als Kredit. Wegen seiner vielen, im Buch ausgiebig geschilderten Schwächen war man sich übrigens Wolff zufolge im Wahlkampfteam ­einig, dass Trump nicht nur nicht gewinnen würde, sondern auch »nicht gewinnen sollte«. Das erklärt immerhin, warum Trump und seine Team so ­offenkundig unvorbereitet ins Weiße Haus einzogen. Der künf­tige Präsident habe gewirkt, als habe er »einen Geist gesehen«, so schildert Wolff die Minuten am Wahlabend, in denen klar wurde, dass alles nun doch ganz anders kommen würde als angenommen.

 

Der rätselhafte Steve Bannon

Und seither ist der Mann vor allem eines: nicht glücklich. Was eigentlich auch nicht weiter verwunderlich ist, denn alte Leute – ­Trump ist 71 Jahre –­ passen sich nicht mehr so leicht an veränderte Lebensumstände an wie junge. Wobei der Präsident laut Wollf ohnehin kein besonders flexibler Mensch ist: Seit 1983 wohnt er im Trump Tower, wo sich auch sein Büro befindet, das im Buch als seither nicht veränderte »Zeitkapsel der achtziger Jahre« beschrieben wird und wo er einen festen Tagesablauf pflegt.

Im Weißen Haus ist die Freizeit­gestaltung, so wie Wolff sie schildert, von deprimierender Gleichförmigkeit: Der Präsident sieht entweder fern oder telefoniert. Als Steve Bannon noch sein Berater war, aßen die beiden Männer pünktlich um halb ­sieben gemeinsam zu Abend. Anfangs waren die anderen Mitarbeiter Wolff zufolge noch neidisch, wenn sie nicht ebenfalls eingeladen wurden, später setzte sich jedoch allgemein die Auffassung durch, dass die Teilnahme an diesem Dinner eher einer Strafe gleichkäme.

Bannons Verhalten bleibt insgesamt rätselhaft. Dem Mann, der zu Beginn der Trump’schen Präsidentschaft von den meisten US-Medien als der in Wirklichkeit regierende, gewiefte Stratege dargestellt wurde, unter­liefen in letzter Zeit eine Menge Fehler.

Überhaupt, Bannon: Dass der ­ehemalige Leiter von Breitbart News im Buch nicht nur viel zitiert wird, sondern auch als einer der eifrigsten Ausplauderer von Interna aus dem Weißen Haus gilt, ist erstaunlich. Der Vordenker der Alt-right-Bewegung hatte nämlich seine Gegner in der Trump-Administration immer wieder als diejenigen dargestellt, die regelmäßig Informationen an die ­Presse weitergäben; vermutlich, um sie beim Präsidenten zu denunzieren.

Bannons Verhalten bleibt insgesamt rätselhaft. Dem Mann, der zu Beginn der Trump’schen Präsidentschaft von den meisten US-Medien als der in Wirklichkeit regierende, gewiefte Stratege dargestellt wurde, unter­liefen in letzter Zeit eine Menge Fehler. Vielleicht gehören sie aber auch zu einem supergeheimen Plan, den nur niemand versteht.

Begonnen hatte Bannons Niedergang mit zahlreichen Artikeln bei Breitbart, in denen »Javanka«, also Jared Kushner und Ivanka Trump, angegriffen wurden. Beide, ursprünglich Demokraten, wurden rasch zum Lieblingshassobjekt der Leserschaft: In den Kommentarspalten wurden blutrünstige Mordphantasien ebenso geduldet wie antisemitische Beschimpfungen und haltlose Verbrechensverdächtigungen. Und ­sogar eine Verschwörungstheorie, die ursprünglich Michelle Obama zum Ziel hatte, wurde abgewandelt. Mit Hilfe zahlreicher gefälschter Fotos, in die in den Schritt Umrisse von ­einem Penis hinein retuschiert wurden, hatten Anhänger der Alt-right-­Bewegung seit Jahren zu belegen versucht, dass Michelle in Wirklichkeit ein Mann namens Michael sei – dann tauchten ähnliche Bilder auch von Ivanka Trump auf.

Selbst wenn Trump, der bekanntlich lieber fernsieht als liest, diese Angriffe auf sein Lieblingskind nicht selbst gesehen haben sollte, dürften Bannons Gegner ihm davon erzählt haben. Nachdem Bannon in »Fire and Fury« dann auch noch das 2016 von Donald Trump Jr. initiierte Treffen mit russischen Regierungsvertretern im Trump Tower als ­»unpatriotisch und verräterisch« bezeichnete, konterte Trump auf ­Twitter jedenfalls mit ausgesuchten Beleidigungen.

Bei Breitbart schließlich entlassen, hat Bannon, der weder twittert noch bei Facebook aktiv ist, derzeit keine Möglichkeit mehr, seine Anhänger zu erreichen, um sie über etwaige neue Pläne zu informieren. In der nächsten Woche soll er zudem vor dem House Intelligence Committee aussagen. Ein Thema unter anderen werden seine Bemerkungen im Buch über mögliche Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verwicklungen von Kushner und Trump Jr. in Geld­wäsche sein. Bannon war darüber hinaus einer der Empfänger der ­E-Mail, in der Donald Trump Jr. über Kontakte zu Wikileaks und mögliche Enthüllungen über Hillary Clinton informierte.

In »Fire and Fury« wird Bannon noch mit der Aussage zitiert, dass er nicht vor dem Committee aussagen und sich auch keinen Anwalt besorgen werde. Am Donnerstag voriger ­Woche wurde bekannt, dass er nun doch aussagt und sich mit dem New Yorker Anwalt Bill Burck darauf vorbereitet.