Der Kampf für Fahrverbote ist ein antimoderner Kampf gegen die Industria­lisierung

Grüne machen Braune stark

Die möglichen Dieselfahrverbote spielen der AfD in die Hände. Denn wer den Deutschen ans Auto will, gilt als Volksverräter.

Nach Angaben des Bundesumweltamtes ist die Stickoxidbelastung in den vergangenen zehn Jahren um rund 20 Prozent gesunken. Die Tendenz ist weiter rückläufig. Auch die Belastung durch Feinstaub, die in erster Linie dem Dieselmotor zugeschrieben wird, sinkt. Über 90 Prozent des Feinstaubs sind natürlichen Ursprungs. Da unsere Leben­serwartung steigt, scheinen auch die Folgen der Industrialisierung und des damit verbundenen Reichtums nicht so schlimm zu sein wie Armut. Denn nichts macht so krank und lässt die Menschen schneller sterben als Armut.

Warum wir trotzdem über den Diesel diskutieren, hat der Kabarettist Vince Ebert bereits im vergangenen Jahr auf den Punkt gebracht: »Was ist typisch deutsch? Wenn studierte Theaterwissenschaftler utopische Grenzwerte beschließen, Ingenieure und Automanager aus Feigheit vor einer öffentlichen Konfrontation kuschen und dann hintenherum versuchen, das Ding mit ­unlauteren Mitteln hinzubiegen.«

Seit vergangener Woche dürfen Städte Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängen. Für die Deutsche Umwelthilfe ist das Urteil nur ein Zwischenschritt im Kampf für die Abschaffung des Verbrennungsmotors.

Weniger Diesel bedeutet mehr Benziner und mehr CO2 – die Umwelthilfe will auch für diese Motoren eine Nachrüstpflicht mit Partikelfiltern durchsetzen. Ihr Feind ist die Automobilindustrie. Pendler, Handwerker, Kunden und Mitarbeiter von Lieferdiensten und Busunternehmen sowie die Beschäftigten in der Automobilindustrie werden davon betroffen sein. Jeder achte Job hängt in Deutschland am Auto, rechnete unlängst die Neue Zürcher Zeitung vor.

Man mag das libidinöse Verhältnis der Deutschen zum Auto kritisieren, doch für viele entstand mit dem eigenen Auto die erste Möglichkeit, der Enge der Kleinstadt oder des Jugendzimmers zu entfliehen, Freunde und Clubs zu be­suchen oder auf der Rückbank Sex zu haben. Vor allem aber sollte man die politischen Folgen bedenken, die der Kampf der Umwelthilfe hat. Diese ­Grünen werden die Braunen stark machen. Wenn erst einmal die Angst in den Fabriken umgeht, wenn Millionen Menschen enteignet werden und als Pendler – und Dieselfahrzeuge sind Pendlerwagen – deutlich mehr für die Fahrt zur Arbeit bezahlen müssen, weil sie gezwungen sind einen Benziner zu kaufen, auch wenn sie es sich vielleicht gerade nicht leisten können, wird davon eine einzige Partei profitieren: die AfD.

Schon bei der Bundes­tagswahl wählte mehr als jeder fünfte Arbeiter die AfD. Die Rechten haben dieses Potential erkannt. Die meisten Linken haben sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum noch für die Interessen der Arbeiter starkgemacht und Industrie vor allem als Umweltbelastung wahrgenommen. In Österreich wählten bei den Nationalratswahlen im Januar bereits etwa 60 Prozent der Arbeiter die rechtsextreme FPÖ.

Wenn nur ein Bruchteil der Dieselfahrer aus Wut künftig AfD wählt, wird die Partei bundesweit über 20 Prozent erreichen und könnte sich dauerhaft in der Wählergunst oberhalb der SPD ­etablieren. Der Kampf der Umwelthilfe ist auch ein Kampf gegen die Industria­lisierung, der Kampf einer postmaterialistischen Bourgeoisie um Deutungs­hoheit auf Kosten von Arbeitern und damit ein Kampf gegen die Chance auf Wohlstand für breite Teile der Bevölkerung. Wer diese sozialen Konflikte eskalieren möchte, stellt sich an ihre Seite und unterstützt so den weiteren Aufstieg der extremen Rechten.