Die rechten »Mütter gegen Gewalt« wollen im Ruhrgebiet demonstrieren

Mutti mag Nazis

Für das Wochenende rufen die »Mütter gegen Gewalt« zu Demonstrationen in Duisburg und Essen auf. Der Name der Gruppe klingt harmlos, ihre Anliegen sind rechtsextrem.

»Mütter gegen Gewalt« – das klingt nicht besorgniserregend. Was die Gruppe dieses Namens am Wochenende in Duisburg und Essen vorhat, ist jedoch alles andere als harmlos. In Bott­rop gelang es ihr Anfang März, auf ­einer Demonstration unterschiedliche rechtsextreme Milieus zu einen und auch Zuspruch aus bürgerlichen Kreisen zu erhalten. Das wollen die »Mütter gegen Gewalt« in den anderen beiden Ruhrgebietsstädten wiederholen.

Ohne die Ereignisse in Kandel gäbe es die Gruppe wahrscheinlich nicht. Wenn in den vergangenen Monaten von der Kleinstadt in Rheinland-Pfalz die Rede war, dann meist aus einem Grund: Ein mutmaßlich aus Afghanistan stammender Flüchtling hatte im Dezember eine 15jährige in einem Drogeriemarkt mit Messerstichen getötet. Die Ermittler gehen davon aus, dass sein Motiv Rache war, weil sie die Beziehung mit ihm beendet hatte.

Der Mord an der 15jährigen zog große Diskussionen nach sich. Der mutmaßliche Täter hatte im April 2016 Asyl in Deutschland beantragt und war als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling eingestuft worden, weshalb er gemäß der deutschen Rechtslage nach der Ablehnung seines Asylantrags nicht abgeschoben worden war. Eine medizinische Altersbestimmung im Zuge der Ermittlungen ergab ein Alter von ungefähr 20 Jahren. Die Frage der Altersbestimmung bei Flüchtlingen nahm deshalb in der öffentlichen Debatte, die bald zur Abschiebedebatte wurde, großen Raum ein.

Es folgten noch andere Reaktionen: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der zunächst – wie bei Beziehungstaten üblich – beispielsweise in der »Tagesschau« nicht über den Fall berichtet hatte, erntete einen Shitstorm. Der Bürgermeister von Kandel, der sich gegen Vorverurteilungen ausgesprochen hatte, erhielt Morddrohungen. In der Stadt selbst wurden Demonstrationen mit Slogans wie »Kandel ist überall« und »Kandel ist kein Einzelfall« abgehalten. Klangen die Losungen noch vage, zeigte sich die Ideologie der Demonstranten deutlich. Auf den Kundgebungen des »Frauenbündnisses Kandel / Der Marsch 2017«, des Bündnisses »Kandel ist überall« und der AfD nahmen Redner die bürgerliche Abschiebedebatte dankbar auf und forderten, jede weitere Einwanderung und »Überfremdung« zu verhindern; Migranten wurden pauschal zu Mördern und Sexualstraftätern erklärt. Zur größten rechtsextremen Demons­tra­tion kamen Anfang März etwa 4 000 Teilnehmer nach Kandel. »Der Westen steht auf«, titelte die extrem rechte Kampagne »Ein Prozent« danach in einem Propagandavideo.

Dieser rassistische Spuk hatte auch im Ruhrgebiet Auswirkungen. Anfang März riefen die »Mütter gegen Gewalt« zu einer Demonstration in Bottrop auf. Treibende Kraft war eine Frau, die sich »Mona Maja« nennt und beste Kon­takte in die extreme Rechte pflegt. Der Verweis auf den Mord in Kandel und der Umstand, dass die Gruppe mit dem harmlosen Namen bislang nicht negativ in Erscheinung getreten war und bürger­liche Interessierte nicht abschreckte, führten dazu, dass knapp 1 200 Menschen nach Bottrop kamen. Antifaschistischen Protest gab es kaum. So unterschied sich die Veranstaltung von den rassistischen Demonstrationen der vergangenen Jahre im Ruhrgebiet, die meist geringen Zuspruch aus der Region und aus bürgerlichen ­Kreisen erfahren hatten. Eine Ausnahme bildeten die Versammlungen von Pegida NRW, die zwischen Ende 2015 und dem Frühjahr 2016 bis zu 500 Menschen anzogen.

Die »Mütter gegen Gewalt« brachten Teilnehmer aus unterschiedlichen ­Milieus nach Bottrop. Michael Brück und andere namhafte Funktionäre der neonazistischen Kleinpartei »Die Rechte« statteten der Demonstration ebenso einen Besuch ab wie rechte Hooligans aus Essen, die sich auch im Kampf­sport und Rockermilieu der »Bandidos« betätigen. Auch zwei AfD-Funktionäre gaben sich die Ehre: der ehemalige Sozialdemokrat und das derzeitige Arbeitermaskottchen der AfD, der Essener Bergmann Guido Reil, und Matthias Helferich aus Dortmund, der zur Bundestagswahl als Direktkandidat antrat und bei Verkündung des Wahlergebnisses eine Kornblume am Revers trug. Die Kornblume gilt in Österreich als Erkennungszeichen des »dritten Lagers«, also der Deutschnationalen.

Im Ruhrgebiet ist eine solche übergreifende Zusammenkunft bislang nur den »Müttern gegen Gewalt« gelungen. Dies wollen sie am Wochenende auch in Duisburg und Essen wiederholen. Für den Samstag in Duisburg haben sie sich mit Pegida NRW zusammengetan. Zuletzt versuchte der Organisator von Pegida NRW, in Dortmund eine Versammlung abzuhalten. Bei den Gesprächen mit der Polizei wurde er wegen diverser ausstehender Haftbefehle in Untersuchungshaft genommen. Auch die reichweitenstarke Facebook-Seite von Pegida NRW verschwand von der Bildfläche. Nun ist die Gruppe offensichtlich wieder umtriebig.

 

Zunächst sollte die Demonstration am Duisburger Hauptbahnhof stattfinden, die Polizei verlegte die Versammlung jedoch in eine Gegend, in der rechts­extremes Gedankengut ankommt. 21,1 Prozent der Wähler in Duisburger-Neumühl hatten bei der Bundestagswahl der AfD ihre Stimme gegeben. Einen Aufmarsch in Neumühl gab es zuletzt im August 2016, organisiert von der NPD und deren Landesvorsitzendem Claus Cremer. Der Anlass: Ein Flüchtling soll ein Mädchen vergewaltigt haben, die Rufe nach der »Todesstrafe für Kinderschänder« ließen nicht lange auf sich warten.

Auch der ehemalige stellvertretende Vorsitzende von Pro NRW und Anmelder von Demonstrationen der »Hooligans gegen Salafisten«, Dominik Roeseler, erinnert sich an die Demonstration. »Da war doch mal was! Kein Asyl in Neumühl«, schrieb er in einem Kommentar auf der Facebook-Seite der »Mütter gegen Gewalt«. Am Wochenende soll in Duisburg zudem der ehemalige AfD-Funktionär und Gründer der völkischen »Patriotischen Plattform«, der Düsseldorfer Rechtsanwalt Alexander Heumann, sprechen. Er gründete kurz nach den ersten Pegida-Demonstrationen in Dresden den ersten westdeutschen Ableger in Düsseldorf, »Dügida«, gemeinsam mit der bekannten Rechtsextremen Melanie Dittmer.

Die zweite Veranstaltung der »Mütter gegen Gewalt« soll in Essen-Steele stattfinden. »Besorgte Eltern stehen auf gegen Gewalt«, heißt es auf einem Flugblatt, das auch eine Deutschland-Fahne zeigt. Eine Frau namens »Stephanie«, eine der Organisatorinnen der Kundgebung, stand in Bottrop gemeinsam mit Mona Maja auf der Bühne. Zu der Demonstration ruft auch der Essener Politaktivist Serge Menga auf. Der im Kongo geborene Mann trat 2017 auf einer AfD-Veranstaltung in Osnabrück als selbsterklärter »Quotenneger« auf. Er betreibt eine Facebook-Seite und genießt bei etlichen Rechtsextremen eine gewisse Anerkennung, weil er sich als »Migrationskritiker« inszeniert, sich der »deutschen Identität und Kultur« verpflichtet sieht und gegen den deutschen »Schuldkult« wendet.

In beiden Städten sollen Proteste gegen die Veranstaltungen der »Mütter gegen Gewalt« stattfinden. Linke Gruppen rufen in Duisburg zu einer Demonstration unter dem Motto »Grenzenlos feministisch« auf, in Essen will das Bündnis »Essen stellt sich quer« eine Kundgebung unter dem Motto »Steele ist kunterbunt – Gegen Rassismus! Gegen Gewalt!« veranstalten. Anders als in Bottrop müssen die »Mütter gegen Gewalt« also mit mehr Widerspruch rechnen.