Der Horrorfilm »Hereditary« erinnert an die gruseligen Geschichten von H. P. Lovecraft

Fluch der Familie

Mit seinem ersten Langfilm »Hereditary – Das Vermächtnis« gelingt Regisseur Ari Aster eine nervenzerfetzende Hommage an die Klassiker der Horrorliteratur.

Eines muss man dem ­jungen US-amerikanischen Regisseur Ari ­Aster lassen: Die Wende in seinem Mystery-Horror-Film »Hereditary – Das Vermächtnis« kommt völlig überraschend. Nach 120 Minuten packend-verstörendem Psychoterror löst sich die Spannung abrupt und man reibt sich ungläubig die Augen. Dass sein Film trotz der faden Auflösung am Schluss nicht auseinanderbricht, liegt einerseits an der stimmigen Kamera und andererseits am ebenso stimmigen Handlungsaufbau. Sie machen die perfekte Inszenierung aus. Andererseits greift Aster auf ein Muster der Narration zurück, das für einen auf kommerziellen Erfolg spekulierenden Horrorstreifen höchst ungewöhnlich ist. Für die Art und Weise, wie hier das Grauen entsteht, scheint der US-amerikanische Schriftsteller H. P. Lovecraft den Bauplan geliefert zu haben.

»Hereditary« feierte seine Welt­premiere im Januar 2018 auf dem Sundance Film Festival, wo der Horrorfilm in der Sektion »Midnight« lief. Regisseur Ari Aster gab nach einigen Kurzfilmen mit dem Gruselstreifen sein Spielfilmdebüt.

Die Inszenierung ist perfekt, auch wenn man das alles schon einmal gesehen oder gelesen hat. Streckenweise wirkt »Hereditary« wie ein auf Hochglanz poliertes B-Movie.

Es beginnt als Idylle in der Provinz. Irgendwo in den USA führt die vierköpfige Familie Graham ein unaufgeregtes Leben in einem Haus am Waldrand. Hier leben die Künstlerin Annie und der Psychotherapeut ­Steve sowie ihre gemeinsamen Kindern Peter und Charlie, die auf die Highschool gehen. Steve ist meist in seiner Therapeutenpraxis in der Vorstadt zu finden, während Annie daheim in ihrem Arbeitszimmer an Miniaturmodellen für eine Ausstellung bastelt. Peter schleppt sich gelangweilt durch den Schulalltag und kifft bei jeder Gelegenheit; seine jüngere Schwester, die ungesellige Charlie, streift gern in der Natur herum und bastelt aus allen möglichen Materialien totem­artige Objekte.

Dann schleicht sich Unheimliches ein. Als Annies Mutter Ellen stirbt, verliert die Familie ihr heimliches Oberhaupt und die Dinge laufen aus dem Ruder: Gleich nach der Beerdigung ist ihre Leiche verschwunden, aber zugleich scheint die Großmutter noch immer Macht über die Lebenden auszuüben. Bald erschüttert ein Autounfall das Leben der Grahams.

Rätselhafte Ereignisse reihen sich aneinander und allmählich offenbart sich ein okkultes Familien­geheimnis, das die Grahams von ihren Altvorderen geerbt haben – bis zum lächerlichen Ende. Gut, die Spur ist schon früher gelegt, aber viel zu klug inszeniert Ari Aster in seinem ersten größeren Film die Effekte, so dass man wirklich an das uralte Muster von dämonischer Besessenheit glauben möchte. Immer scheint irgendwo irgendwas zu lauern, aber nie findet sich dieses Etwas; dann ereignen sich wieder ungewöhnliche Dinge, bis der Film schließlich doch ins Schaurig-Unheimliche dreht, etwa wenn Annie an der Decke herumspringt, sich menschliche Fackeln entzünden und ein mesopotamischer Dämon aufersteht.

Die Inszenierung ist perfekt, auch wenn man das alles schon einmal gesehen oder gelesen hat. Streckenweise wirkt »Hereditary« wie ein auf Hochglanz poliertes B-Movie; insgesamt aber ist der Film eine auf das Kino der Gegenwart gestylte Hommage an die Klassiker der Horror­literatur wie Edgar Allan Poe oder, mehr noch, H. P. Lovecraft. Der US-amerikanische Autor ist besonders durch seinen kosmischen Horror rund um den fiktiven Cthulhu-Mythos bekannt geworden. Wirklich ­gelungene Lovecraft-Verfilmungen sind an einer Hand abzuzählen. Zu nennen wären »Necronomicon«, »Dagon« und »Die Farbe«. Zahlreiche Horrorklassiker wie »Das Ding aus einer anderen Welt«, »Evil Dead«, »Alien« oder »The Cabin in the Woods« bedienen sich aus seinen Geschichten.