Die südafrikanische Regierung prüft entschädigungslose Enteignungen von Land

Landreform und Paranoia

In Südafrika wird über Enteignung von Land debattiert. Die soziale und ökonomische Ungleichheit bleibt davon jedoch nahezu unberührt.

Seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Cyril Ramaphosa am 15. Februar wird in Südafrika erneut über eine Landreform diskutiert. In seiner Ansprache zur Lage der Nation hatte Ramaphosa Anfang Februar angekündigt, die Enteignung von Land ohne Entschädigung in Betracht zu ziehen. Seitdem findet auf Veranlassung der Regierungspartei African National Congress (ANC) eine juristische Beratung darüber statt, inwieweit das verfassungskonform sei. Im entsprechenden Passus der Verfassung heißt es, Enteignungen »für einen öffentlichen Zweck oder im öffentlichen Interesse« seien zulässig. Ob das eine Entschädigung für historisches Unrecht mit einschließt, wird derzeit diskutiert.

Die gewaltsame Enteignung schwarzer Landeigentümer, die mit der Kolonisierung des Landes ihren Anfang nahm, wurde bereits 1913, 35 Jahre vor dem Beginn der Apartheid, mit dem »Native Land Act« Gesetz. Den schwarzen Einwohnern Südafrikas, 80 Prozent der Bevölkerung, wurden gerade einmal sieben Prozent der Fläche zugesprochen. Auch 24 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der weißen Minderheit hat sich an den Eigentumsverhältnissen wenig geändert: Nach einer Studie der Landwirtschaftsvereinigung Agrisa von 2017 sind 73,3 Prozent des in Privateigentum befindlichen Lands in der Hand von Weißen, obwohl diese gerade einmal 8,4 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Bei den ersten freien Wahlen 1994 hatte der ANC angekündigt, innerhalb der nächsten fünf Jahre 30 Prozent des kommerziell genutzten Landes in weißer Hand umzuverteilen. Allerdings wollte er dabei die Kräfte des Marktes walten lassen: »Willing buyer – willing seller« (bereitwilliger Käufer – bereitwilliger Verkäufer) nannte sich das Prinzip, bei dem der Staat nach 1913 enteignete Grundstücke aufkaufte und den Nachkommen der ­historischen Eigentümer zurückgab. Doch es zeigte sich einmal mehr, dass der Markt ein miserables Instrument ist, um Ungleichheit zu überwinden – so wurden bis heute gerade einmal acht Prozent der Flächen in privater Hand restituiert.

Präsident Ramaphosa steht für einen neoliberal-technokratischen Kurs und es wird vermutet, dass er selbst nicht für Enteignungen ist, sondern sie lediglich aus strategischen Gründen unterstützt.

An der Verteilung des Bodens wird besonders augenscheinlich, wie wenig sich seit den Zeiten der Apartheid an den Eigentumsverhältnissen in Südafrika geändert hat. Insofern birgt dieses Thema erhebliche soziale Sprengkraft. Doch nicht nur daraus erklärt sich der Kurswechsel des ANC unter Ramaphosa. Denn der neue Präsident steht ansonsten eher für einen neoliberal-technokratischen Kurs und es wird vermutet, dass er selbst nicht für Enteignungen ist, sondern sie lediglich aus strategischen Gründen unterstützt. Der ANC steht unter politischem Druck, denn die linksnationalistische Oppositionspartei Economic Freedom Fighters (EFF) tritt für eine umfassende Verstaatlichung privaten Landbesitzes ein und konnte damit in den vergangenen Jahren immer mehr Unterstützung gewinnen. Während der von Korruption und Nepotismus geprägten Regierungszeit von Ramaphosas Vorgänger Jacob Zuma wuchs zudem die Kritik an der Sozialpolitik des ANC. Dieser Entwicklung soll mit der Ankündigung von Landenteignungen Einhalt geboten werden.