Schutz für bedrohte Arten nach dem Vorbild des Films »Jurassic World«

Mit Volldampf in die Jurassic World

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Deshalb muss es kurz- und mittelfristig darum gehen, so viele Arten wie möglich erst einmal irgendwie zu erhalten, und sei es provisorisch, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Im Fall des Nördlichen Breitmaulnashorns sind die Bemühungen noch konventionell und basieren auf jenen reproduktionsmedizinischen Techniken, vor denen Leute wie Sibylle Lewitscharoff sich immer so fürchten. Die Schriftstellerin hatte in einer Rede in Dresden 2014 Kinder, die durch künstliche Befruchtung entstanden sind, als »Halbwesen« bezeichnet. Selbst bei der Pinta-Riesenschildkröte besteht noch Hoffnung, denn Forscher fanden heraus, dass das Erbgut der Tiere noch auf anderen ­Inseln im Schildkrötentempo herumläuft. Offenbar sind, vermutlich durch Verschleppung der einst als Schiffs­proviant geschätzten Panzerträger, einige Exemplare der Pinta-Schildkröte auf andere Inseln geraten und haben sich in die dort heimische Population eingekreuzt. Durch gezielte Rückzüchtungen könnte es möglich sein, wieder so etwas Ähnliches wie Pinta-Schildkröten ins Leben zu holen. Ein Vorgehen, das in ähnlichen Fällen schon ganz gut funktioniert hat. Beispielsweise bei den Przewalski-Pferden, den wildlebenden Ahnen der heutigen Haus- und Hofpferde, die bereits so gut wie ausgestorben waren und von denen nur noch wenige Exemplare existierten, deren Erbgut durch Einkreuzungen von Hauspferden bereits verfälscht war. Aber durch kontrollierte Zucht in Zoos konnten die Urpferde gewissermaßen wie Dateien aus dem Laptop-Mülleimer wiederhergestellt und inzwischen ­sogar wieder in ihrem ursprünglichen Lebensraum ausgewildert werden.

Aber auch futuristischere Methoden werden derzeit verfolgt. In Australien ist seit 1983 der Magenbrüterfrosch spurlos verschwunden, vermutlich fiel er einer von Menschen verschleppten Pilzerkrankung zum Opfer. Derzeit arbeiten Forscher daran, die Art mit ihrem einmaligen Reproduktionsmodus – die Kaulquappen wurden bis zur Metamorphose im Magen der Eltern großgezogen – durch Klonen wiederauferstehen zu lassen. Das Erbgut dafür haben sie von einem tiefgekühlten Exemplar. Bislang ist die Rückzüchtung einer ausgestorbenen Art aus konserviertem Erbgut noch nicht gelungen, aber immerhin mehrere Tage lebensfähige Embryos der Magenbrüter konnten in dem passendenderweise »Lazarus« benannten Projekt bereits erzeugt werden, indem das geklonte Erbgut in die entkernte Eizelle einer nahe verwandten Art eingebaut wurde.

Auch für solche Vorhaben haben Wissenschaftler längst damit begonnen, eine Kryo-Zellbank für Tiere aufzubauen, in der gezielt Stammzellen unter nach derzeitigem Kenntnisstand idealen Bedingungen kältekonserviert werden. Schon jetzt dient das so gesicherte Erbgut als Vergleichsmaterial für wissenschaftliche Arbeiten, der Hintergedanke ist aber auch, mit ihm womöglich einst Wiederauferstehungen möglich zu machen.
Ein solcher Plan ist derzeit noch Science-Fiction wie in »Jurassic World«. Ganz konkret und pragmatisch allerdings kann dem Artensterben schon jetzt die Stirn geboten werden. »Ex situ« heißt das Zauberwort, und es bedeutet die gezielte Erhaltungszucht von Tieren in menschlicher Obhut. In Zoos und wissenschaftlichen Einrich­tungen bestehen Kapazitäten und das nötige Wissen, akut vom Aussterben bedrohte Arten zumindest vorläufig über die Zeit zu retten. Für Nashörner etwa dürften solche Zoozuchten realistischerweise die einzige Chance sein, dem Aussterben vorerst zu entgehen.

Aber was ist mit all den weniger bekannten und beliebten Arten? Vor genau zehn Jahren wurde zum Beispiel mit der »Amphibian Ark« der weltweiten Zoogemeinschaft ein Großprojekt dieser Art ausgerufen. Frösche, Kröten und Salamander sind von allen Tier­klassen am stärksten vom Artensterben betroffen, mehr als 40 Prozent der Arten gelten weltweit als gefährdet – ein dramatischer Verlust von Biodiversität droht. Dabei sind gerade diese vergleichsweise kleinen Tiere recht gut halt- und nachzüchtbar. Und neben der recht begrenzten Zahl von Zoos stünden hier theoretisch auch Tausende von Privathaltern zur Verfügung, die aus Liebhaberei ohnehin schon viele Frösche und Molche züchten – es fehlt aber an Koordination und Kontrolle. Daher sind die Erfolgsnachrichten auch überschaubar. In den europäischen Zoos etwa kamen in den zehn Jahren seit Gründung der Amphibienarche lediglich vier Frosch- und Molcharten in die höheren Weihen europäischer Zoozuchtprogramme. Im selben Zeitraum starben statistisch gesehen 15 Amphibienarten aus. Ihr letztes Quaken ist im weltweiten Geschnatter einfach nicht gehört worden.