Die Offensive der Israel-Boykotteure bei der Ruhrtriennale

Karneval der Israel-Hasser

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Unter Protest vieler Juden und anderer mit Israel solidarischer Menschen geschah dann, was zu erwarten gewesen war: Sharp verglich, nachdem er darauf hingewiesen hatte, Nachfahre von Holocaust-Opfern zu sein, die Lage im Gaza-Streifen mit der Situation im Warschauer Ghetto. Israel sei »einer der wichtigsten Gründe für Antisemitismus in der Welt«, so der Musiker. Hildegard de Vuyst forderte, dass Deutschland in Fragen der »Israel-Kritik« normal werden und sich wie jedes an­dere Land auch verhalten solle. Eine Frau aus dem Publikum ertrug irgendwann die Redebeiträge nicht mehr und rief: »Juden wollen auch reden. Sie bringen uns nicht zum Schweigen!« Doch sie wurde ignoriert. Nur Juden, die gegen Israel sind, schienen an diesem Samstag ein Rederecht zu be­kommen.

Aloni schließlich schrie, als er das Mikrophon in der Hand hatte: »Meine Freunde sind für den BDS. Wir kämpfen für die Rechte der Palästinenser, die keine haben. From the river to the sea, Palestine will be free!« Und ohne dass es jemand von ihm gefordert hätte, sagte er: »Ihr Deutschen sagt mir nicht, was ich zu tun habe und was ein guter Jude ist.« Auf die Frage Lammerts, warum es denn Boykottaufrufe nur gegen Israel und kein anderes Land gebe, bekam er von den BDS-Anhängern keine Antwort.

Diejenigen, denen die Rolle zukam, sich gegen BDS zu stellen, wirkten im Vergleich eher schwach: Vesper betonte das »Recht und die Pflicht der Deutschen« zur Kritik an Israel und sagte, er wünsche sich einen BDS, der Brücken baue. Kamerun wies Carp darauf hin, dass jede Band, die BDS unterstütze, die Boykottkampagne immer »im Gepäck« mit sich führe. Ministerin Pfeiffer-Poensgen wiederholte ihre Ablehnung von Israel-Boykotten: »Es gibt keinen BDS light.« Auf Nach­frage der Jungle World sprach sich die Ministerin jedoch dagegen aus, Gruppen, die BDS unterstützen, generell nicht auf die Ruhrtriennale einzuladen. Es komme auf den Einzelfall an.

Und Carp? Die gab erneut die sensible Künstlerin, die wie durch einen bösen Zufall in komplizierte politische Auseinandersetzungen geraten sei: »Soll ich nur noch Künstler einladen, die in jeder Weise konform sind mit jedem gegenwärtigen wording der Bundesrepublik? Dann hätten wir ja ein sehr eingeschränktes Programm.« Damit war klar: Ohne BDS wird auch in den kommenden beiden Jahren auf der Ruhrtriennale nichts laufen. Offenbar ganz oben auf Carps Wunschliste steht die Künstlerin Ofira Henig. Die Israelin hält Israel für einen faschis­tischen Staat.

Nach der Ruhrtriennale wird die ­Politik darüber entscheiden, ob Carp bleibt oder geht. Bislang fordert nur die FDP ihren Rauswurf. Allerdings ist Carps Verhältnis zu BDS längst nicht mehr ihr einziges Problem: Geprüft wird auch ihr Umgang mit Mitarbeitern. Der Betriebsrat, heißt es aus Regierungskreisen, habe einen Brandbrief an die Ministerin geschrieben. Aber dass dieser das Fass zum Überlaufen bringen wird, ist unwahrscheinlich. CDU, Grüne und SPD scheinen sich in der Absicht einig zu sein, das Problem Carp auszusitzen. Spätestens im kommenden Jahr, wenn Carps Karneval der Israel-Hasser weitergeht, könnte sich das als Fehler erweisen.