Die Ermittlungen in der Cum-­Ex-Affäre kommen für Friedrich Merz ungelegen

Der Kandidat und die Krake

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Vor allem aber konnte Blackrock im Zuge der Krise zu niedrigen Preisen Unternehmensteile von Konkurrenten erwerben, die dringend Geld brauchten. So kaufte Blackrock 2009 die Unternehmensverwaltungssparte der britischen Bank Barclays. Dazu gehörte das Unternehmen I-Shares, der Weltmarktführer für passiv gemanagte Indexfonds. Das sind Aktienfonds, die versuchen, Aktienindizes wie etwa den Dax in ihrem Portfolio möglichst genau abzubilden. Anders als ein hochbezahlter Fondsmanager, der versucht, besonders erfolgversprechende Aktien auszusuchen, kauft ein Indexfonds einfach Anteile an allen Dax-Unternehmen.

Das ist billiger, sicherer und sogar meistens erfolgreicher als die Vorgehensweise bei individuell gemanagten Aktienfonds. Durch den Erwerb von I-Shares ist Blackrock seit 2009 an allen großen deutschen Konzernen beteiligt und wurde zum größten Aktionär der deutschen Wirtschaft.

Um I-Shares geht es vermutlich bei den Cum-Ex-Ermittlungen. Zum einen hatte Barclays mit I-Shares erwiesenermaßen Cum-Ex-Geschäfte betrieben, Blackrock könnte sich also juris­tische Altlasten eingekauft haben. Außerdem könnten durch I-Shares aus­gegebene oder verliehene Indexfonds von anderen für Cum-Ex-Geschäfte ­genutzt worden sein. Blackrock wird auch aus anderen Gründen kritisiert: Ein häufig erhobener Vorwurf lautet, es nutze seine enorme Finanzmacht, um den Wettbewerb auszuhebeln und politische Macht auszuüben. Blackrock ist inzwischen bei allen 30 Dax-Konzernen jeweils einer der drei größten Aktionäre. Der Tagesspiegel schrieb, wer eine Erklärung dafür suche, dass gegen diese Eigentumskonzentration nichts unternommen werde, treffe »auf ein erstaunliches Phänomen«: »Blackrock ist selbst eine politische Macht. Die Arme der Geldkrake reichen bis in die Regierungen.«

Tatsächlich stellt Blackrock oft ehemalige Politiker ein, um eine bessere Verbindung zu Regierungen herzustellen. Als Merz im Frühjahr 2016 in den Aufsichtsrat von Blackrock ging, schrieb die Firma, er solle eine »weiter gefasste Beraterrolle einnehmen, in der er die Beziehungen mit wesentlichen Kunden, Regulierern und Regulierungsbehörden in Deutschland für Blackrock fördern wird«.

Merz selbst sieht die Vorwürfe, er sei ein Lobbyist des Unternehmens, bisher gelassen. Er verteidigt Blackrock, die Firma sei »kein Private-Equity, keine Heuschrecke« – womit Investment­unternehmen gemeint sind, die angeschlagene Firmen aufkaufen, sie umfassend sanieren, was meist zu vielen Entlassungen führt, und mit Gewinn verkaufen. Tatsächlich tritt Blackrock als Aktionär in den Dax-Unternehmen eher passiv auf. Weil Blackrock vor allem Indexfonds betreibt, hat die Firma langfristige Interessen. Der Vermögensverwalter Blackrock dürfte versuchen, darauf zu achten, dass die Unternehmen, in die er investiert, langfristig profitabel bleiben. Im Kapitalismus ist das kein Skandal.

Dass die Verbindung zu Blackrock Merz dennoch belasten könnte, obwohl er seine dortige Tätigkeit erst nach der Zeit der fraglichen Cum-Ex-Geschäfte aufnahm, lässt sich vielleicht mit der besonderen Rolle erklären, die solche und ähnliche Unternehmen in der öffentlichen Diskussion in Deutschland spielen: Blackrock gilt als zu groß, zu mächtig, zu amerikanisch, zu sehr »Finanzkapital« – und schürt die Angst, im internationalen Wettbewerb zu kurz zu kommen, weil eine ausländische Macht sich an der deutschen Wirtschaft vergreife. Ähnliche Ängste stecken hinter dem Bild von den »Heuschrecken«, von denen sich Merz distanzieren will. »Heuschrecke« ist ein mehr als unpassender Begriff, denn er verbreitet die Legende vom verantwortungslosen Finanzkapital, das allein aus Profitgier die produktive deutsche Wirtschaft ausplündere.

Eine ­Legende ist das nicht etwa, weil das Gegenteil wahr wäre – selbstverständlich arbeiten Finanzkonzerne allein profitorientiert und kennen keinerlei soziale Verpflichtung. Die Lüge besteht vielmehr darin, was als das Gegenteil der »Heuschrecke« gilt: der lokal verwurzelte deutsche Unternehmer, der sich seiner sozialen Verantwortung für seine Angestellten bewusst sei und nicht etwa für seinen Profit sorge, sondern für ehrliche Arbeit. Dabei sollte klar sein, dass das deutsche Kapital nie auch nur die geringste Hilfe von außen benötigte, um sich für Sozialabbau, verschärfte Prekarisierung und niedrigere Löhne starkzumachen.