Bei den Regionalwahlen in Andalusien müssen die regierenden Sozialdemokraten kaum Konkurrenz fürchten

Rotes Andalusien

In Andalusien sollen Anfang Dezember vorgezogene Regionalwahlen stattfinden. Die Macht der sozialdemokratischen Regierungspartei PSOE scheint nicht gefährdet. Doch erstmals könnte die rechtsextreme Partei Vox in ein Regionalparlament einziehen.
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»Typisch andalusisch« präsentiert sich die meist sonnenverwöhnte Gegend Südspaniens seit Wochen nicht. Es herrscht Dauerregen in der mit rund neun Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Region Spaniens.

Der Fläche nach ist sie die zweitgrößte und sie zählt zu den ärmsten der EU. Am 2. Dezember soll in Andalusien ein neues Regionalparlament gewählt werden. Die vorgezogenen Wahlen wurden ­nötig, nachdem die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) der Regierung der sozialdemokratischen Partei PSOE ihre Unterstützung entzogen hatten und Regionalpräsidentin Susana Díaz am 8. Oktober das Parlament aufgelöst und Neuwahlen angekündigt hatte.

Seit dem Ende der faschistischen Diktatur unter Francisco Franco 1977 und den ersten freien Wahlen zum ­Regionalparlament 1982 ist Andalusien fest in der Hand des PSOE. Auch wenn Umfragen von leichten Verlusten von fünf bis sieben Mandaten ausgehen (im Moment hält die Partei 47 von insgesamt 109 Sitzen), kann sich Díaz des Wahlsiegs sicher sein. Ihrer Partei werden immer noch deutlich über 30 Prozent der Stimmen vorhergesagt. Die Rechte fordert einen Wandel, doch auch links des PSOE wirbt man dafür.
Der Vormachtstellung des PSOE, dessen Regierungen in über vier Jahrzehnten eine Politik mit klientelistischen Zügen betrieben haben, konnten bislang selbst einige Skandale nichts anhaben: Die ehemaligen Regionalpräsidenten Manuel Chaves und José ­Antonio Griñán müssen sich im Fall »ERE«, benannt nach dem spanischen Akronym für betriebsbedingte Kündigung, vor Gericht verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, etwa 680 Millionen Euro aus Mitteln für Arbeitslose veruntreut zu haben. Der politischen Karriere von Díaz hat dies bislang jedoch nicht geschadet. »All das passierte vor meiner Zeit. Unter meiner Ägide gab es keinen einzigen Fall von Korruption«, betonte sie in der Wahldebatte im Re­gionalsender Canal Sur in gewohnt starkem andalusischen Dialekt.

Soziale Probleme bewegen die Wähler in Andalusien, etwa die langen Wartezeiten im öffentlichen Gesundheitssystem. Im Schnitt wartet man 66 Tage auf einen Operationstermin. Mehr als 60 000 Patienten stehen auf Wartelisten. Für den 27. November ist ein Ärztestreik in der Erstversorgung angesetzt. Auch im Bildungswesen gibt es Mängel. Das Bildungsniveau der Jugend ist trotz großer Investitionen aus dem Regionalbudget miserabel. Nach dem Schul- und selbst nach einem Universitätsabschluss bieten sich oft nur wenig Perspektiven. Viele arbeiten für den Mindestlohn, der etwas über 700 Euro liegt, beziehungsweise für unter 1 000 Euro im Monat, jobben fachfremd im Tourismus oder wandern gleich ab.

Was Andalusien bewegt, sind soziale Probleme. Etwa die langen Wartezeiten im öffentlichen Gesundheitssystem. Im Schnitt wartet man 66 Tage auf einen Operationstermin.

Teresa Rodríguez, die Spitzenkandidatin der linken Allianz Adelante Andalucía (Vorwärts Andalusien), geht auf diese Probleme ebenso ein wie auf die Themen Frauenrechte, Migration und Umweltschutz. In all diesen Bereichen sieht sie Versäumnisse des POSE. »Die Regionalverwaltung als größter Arbeitgeber der Region beschäftigt Abertausende unter prekären Bedingungen, sollte aber mit gutem Vorbild vorangehen«, fordert Rodríguez. Die ehemalige Lehrerin, Gewerkschafterin und EU-Parlamentarierin war es, die die linke Bewegungspartei Podemos 2015 ins ­andalusische Regionalparlament führte. Adelante Andalucía ist ein Zusammenschluss aus Podemos Andalucía, der linksgrünen Izquierda Unida Los Verdes-Convocatoria por Andalucía und kleineren andalusischen Parteien.

Rodríguez präsentiert sich eigenen Aussagen zufolge »nicht als Opposition, sondern als Alternative« zu Díaz. Dennoch wird Adelante Andalucía als möglicher Koalitionspartner des PSOE gehandelt. In Madrid ist die linke Sammlungsbewegung Podemos unter Generalsekretär Pablo Iglesias in interne Querelen verstrickt und auch mit dem PSOE gibt es Konflikte, zuletzt wegen Waffenlieferungen an Saudi-Arabien. In Andalusien dürfte Podemos seine parlamentarische Präsenz nur sehr geringfügig ausbauen.

Dem konservativen Partido Popular (Volkspartei, PP), der mit dem Spitzenkandidaten Juan Manuel Moreno Bonilla antritt, drohen herbe Verluste. Die bisher zweitstärkste Kraft könnte auf den vierten Platz absteigen. Moreno fordert neben drastischen Steuersenkungen, »Auslandsinvestitionen in die Region zu holen«. Der neue Vorsitzende der Gesamtpartei, Pablo Casado, versucht, den PP mit einer noch rechtsgerichteteren Politik wiederzubeleben. Doch zu tief ist der PP in Korruptionsaffären verstrickt. Die Stimmenverluste des PP, aber auch des PSOE in Andalusien kommen in erster Linie den Ciudadanos zugute, mit Juan Marín an der Spitze. Für die Cs war es ein vorteilhaften Zeitpunkt, um die Duldung der Minderheitsregierung des PSOE aufzukündigen. Sie können mit einer Vermehrung ihrer Abgeordnetensitze von neun auf 23 rechnen.

Die rechtsextreme Partei Vox von Santiago Abascal dürfte erstmals den Einzug in ein spanisches Regionalparlament schaffen. Bei den Wahlen in Andalusien könnte sie Umfragen zufolge drei bis fünf Prozent der Stimmen erhalten. »Die Reconquista beginnt auf Andalusiens Boden«, verspricht Vox im Wahlwerbevideo.

Es zeigt zum Soundtrack von »Herr der Ringe« Reiter in der südspanischen Steppe. Der Einzug der Partei wäre eine Zäsur. Den »rechten Rand« konnte bisher der PP aufsaugen, mit Ausnahme der außerparlamentarischen neonazistischen Splittergruppen Democracía Nacional, Fuerza Nueva, Allianza Nacional und den jungen wie alten Franco-Anhängern der Falange-Gruppen. Diese und von PP und Cs Enttäuschte haben in Vox eine Partei gefunden, die die spanische Innenpolitik noch lange beschäftigen dürfte. Wie sehr der PP bereits um Wählerstimmen bangt, zeigt Morenos Warnung: »Vox zu wählen, hilft nur den Sozialisten.«

Innerhalb des PSOE hat sich Díaz’ Verhältnis zum spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez kaum verbessert. Sie war ihrem internen Kon­kurrenten in der Stichwahl um die Parteiführung unterlegen, nachdem sie zuvor dazu beigetragen hatte, dass Sánchez von diesem Posten hatte zurücktreten müssen. Von einem Stimmungstest für die Regierung Sánchez kann in Andalusien kaum gesprochen werden. Dafür ist der PSOE dort zu stark und vor allem susanista, also Díaz er­geben.