Mit einem neuen Einwanderungsgesetz will die Bundesregierung Wirtschaftsinte­ressen und Abschottungspolitik in Einklang bringen

Einwandern vom Fach

Die Bundesregierung hat ein Einwanderungsgesetz für Fachkräfte vorgestellt. Manche Unionspolitiker treibt die Furcht vor der »Einwanderung in die Sozialsysteme« um.

In diesen Tagen kommt es eher selten vor, dass SPD-Politiker Erfolge feiern können. Doch kurz vor der Weihnachtspause zeigte sich der sozialdemokratische Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, in Feierlaune. Neben seinen Kabinettskollegen Horst Seehofer (CSU) und Peter Altmaier (CDU) hielt er ein Papier in die Kamera. Die SPD-Parteizeitung Vorwärts veröffentlichte ein Foto von der Szene und schrieb darunter: »Stolz präsentiert ­Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil in der Bundespressekonferenz die Eckpunkte des geplanten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, das zum 1. Januar 2020 in Kraft treten soll.«

Nur diejenigen sollen ein Visum bekommen, die über eine mit deutschen Standards vergleichbare Berufsausbildung verfügen, die deutsche Sprache beherrschen und ein Stellenangebot vorweisen können. In bestimmten Fällen sollen Teilqualifikationen auch in Deutschland erworben werden können.

Das vom Bundeskabinett bereits abgesegnete Gesetz soll Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern ermöglichen, zur Erwerbsarbeit nach Deutschland einzureisen. Entsprechende Regelungen gibt es bereits für Akademiker und für Berufe, für die dringend Arbeitskräfte gesucht werden. »Dem soll die berufliche Qualifikation nun gleichgestellt werden«, sagte Seehofer bei der Vorstellung des »Fachkräfteeinwanderungsgesetzes«. Für Niedrigqualifizierte sieht das Gesetz keine Erleichterungen vor. Fallen soll das viel kritisierte Prinzip »Deutsche zuerst« beziehungsweise die so­genannte Vorrangprüfung. Bisher musste bei der Vergabe eines Arbeitsplatzes geprüft werden, ob ein Arbeitnehmer aus Deutschland oder einem anderen EU-Land die Stelle antreten wollte, bevor sie einem Bewerber aus einem Nicht-EU-Land offenstand. Gegen den geplanten Wegfall dieser Regelung gab es von rechter Seite Kritik, die von der Ministerrunde bei der Präsentation des Gesetzentwurfs aufgegriffen wurde. Die Minister betonten: »Wir wollen Einwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in die Sozialsysteme.« Nur diejenigen sollen ein Visum bekommen, die über eine mit deutschen Standards vergleichbare Berufsausbildung verfügen, die deutsche Sprache beherrschen und ein Stellenangebot vorweisen können. In bestimmten Fällen sollen Teilqualifikationen auch in Deutschland erworben werden können.

Vor allem in der Unionsfraktion war der Wegfall der Vorrangprüfung sehr umstritten. Wirtschaftsfunktionäre hatten zwar Eile angemahnt, auch die ­Sozialdemokraten wollten das Gesetz schnell beschließen. Doch die Union wollte sich nicht nachsagen lassen, generell die Einwanderung zu fördern. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer meldete im Deutschlandfunk Bedenken an. Er verwies darauf, dass »wir in Deutschland nach wie vor über zwei Millionen Arbeitslose haben und über eine Million Menschen haben, die hier aufgrund mangelnder Quali­fikation langzeitarbeitslos sind«. Dieser Gruppe sollte »unser erstes Augenmerk gelten«, forderte der Politiker. Dann seien Bewerber aus der EU zu berücksichtigen. Als »nachrangige Säule« für den Nachschub an Arbeitskräften bezeichnete er Arbeitswillige aus Nicht-EU-Ländern. Zudem sei zu gewährleisten, dass »unter dem Deckmantel der Fachkräftezuwanderung kein Einfallstor geschaffen wird, um eine Zuwanderung in die Sozialsysteme zu ermög­lichen oder gar noch attraktiver zu gestalten«.

An Pfeiffers Äußerungen zeigt sich deutlich, wie schwer es den Konservativen fällt, die Berücksichtigung von Wirtschaftsinteressen mit ihrer Abschottungspolitik in Einklang zu bringen. Vor der bayerischen Landtagswahl etwa äußerten viele Handwerker und Kleinunternehmer, die bisher treu zur CSU gestanden hatten, ihr Unverständnis darüber, dass selbst langjährige Mitarbeiter abgeschoben werden sollten. Viele Kleinunternehmer setzen sich dafür ein, auch abgelehnten Asylbewerbern mit einem Duldungsstatus die Möglichkeit zu eröffnen, durch Berufstätigkeit der Abschiebung zu entgehen. Auch gegen eine solche Lösung ist der Widerstand bei denjenigen in der Union groß, die auf einer Trennung von Asyl- und Erwerbsmigration be­stehen.

Die baden-württembergische Bauunternehmerin Beate Meier, die Flüchtlinge beschäftigt, forderte kürzlich in einem Brief an mehrere CDU-Abgeordnete, auch Asylsuchende zu berücksichtigen. »Uns wäre wichtig, dass ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz diesen Menschen eine Bleibeperspektive gibt. Momentan werden die gut integrierten Leute aus der Hotellerie oder die Pflegekräfte aus den Stationen weggeholt, während so ein Mangel herrscht. Das ist fern jeder Realität«, sagte Meier in einem Interview mit der Taz. Dort betonte sie, dass sie Verständnis dafür habe, wenn man illegal Eingewanderte nicht nachträglich belohnen wolle. »Aber da hätte man schon bei ihrer Einreise Entscheidungen treffen müssen«, sagte die Unternehmerin und klagte: »Wir brauchen dringend auch Leute mit niedriger Qualifikation. Auf dem Bau finden sie ja nicht mal mehr Helfer.«

Dass man Zuwanderer brauche, die Deutschland nützen, anstatt es auszunutzen, sagten Politiker bereits in den neunziger Jahren. Damals kritisierten antirassistische Gruppen dieses Nützlichkeitsdenken noch vehement. Die Linkspartei hat derzeit andere Einwände. Als »politischen Irrweg« bezeich­nete die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, ­Sabine Zimmermann, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es treibe die Prekarisierung des Arbeitsmarkts weiter voran. Der Gesetzentwurf sei ein Kniefall vor den Unternehmern, die jahrelang mit schlechten Arbeitsbedingungen dafür gesorgt hätten, dass Tätigkeiten in ihren Betrieben gemieden würden, kritisierte Zimmermann. »Nun rufen sie nach Arbeitskräften aus dem Ausland, von denen sie sich erhoffen, dass diese die Bedingungen akzeptieren. Dafür bereitet das Gesetz der Bundesregierung den Weg. Es sind keine Haltelinien eingezogen, wie etwa eine tarifliche Vergütung.« Zudem verwies sie wie der Unionspolitiker Pfeiffer darauf, dass in der Bundesrepublik immer noch mehr als drei Millionen Menschen erwerbslos seien. »Beispielsweise diejenigen, die in sinnlosen Maßnahmen geparkt wurden oder nicht mehr als arbeitslos gezählt werden, weil ihnen als über 58jährigen Hartz-IV-Bezie­henden ein Jahr lang kein Arbeitsplatz vom Jobcenter angeboten wurde.«

So kritisierte Zimmermann zwar niedrige Löhne und das Hartz-IV-System, setzte jedoch zugleich deutsche und zuwandernde Erwerbssuchende in Konkurrenz. Die gewerkschaftliche Organisierung der Menschen, unabhängig von deren Herkunft, als bestes Mittel zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen erwähnte sie nicht. Ebenso unberücksichtigt ließ sie bei ihrer durchaus berechtigten Klage über die Zumutungen von Hartz IV, dass die Bundesregierung 2012 einen Vorbehalt gegen das Europäische Fürsorgeabkommen (Efa) eingelegt hatte. Das hatte zur Folge, dass Tausende EU-Bürger, die in Deutschland lebten und arbeitslos geworden waren, überhaupt keine Leistungen nach Hartz IV mehr erhielten und so noch stärker unter Druck standen, Arbeit zu jedem Niedriglohn anzunehmen.