In Kroatien sind Antifaschisten in der Minderheit

Grüße von der Antifa

Seite 2 – Antifaschismus am Ball
Reportage Von

Auch der Fußball ist Teil dieser National­identität und wird von den Rechten vereinnahmt. Als die Nationalmannschaft nach dem verlorenen Welt­meisterschaftsfinale 2018 gegen Frankreich nach Zagreb zurückkehrte, fuhr auf Wunsch von Luka Modrić, der 2018 zum Weltfußballer des Jahres gekürt wurde, der Sänger Marko Perković mit, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Thompson – das Idol der kroatischen Rechten. Seinen Künstlernamen entlehnte er dem Gewehr, das er im Kroatien-Krieg verwendet hatte. Thompson beginnt seine Konzerte schon ­einmal mit dem Ustaschagruß, auf der Bühne singt er Lieder, in denen die ­Opfer des Konzentrationslagers Jasenovac verhöhnt werden. In mehreren Ländern Europas hat er ein Auftrittsverbot. Doch in Kroatien ist Thompson nicht nur akzeptiert – er ist der beliebteste Musiker des Landes.

»Der Fußball in Kroatien gehört den Rechten, und wir sind die einzige ­Ausnahme«, sagt Robi vom Fußballclub NK Zagreb 041. Er ist Anfang 30 und trägt kurzrasierte Haare. Sein richtiger Name soll nicht in der Zeitung stehen, denn anders als Grgurinović fürchtet er, bedroht zu werden. Sein Nachname deutet auf seine jüdische Herkunft hin und Angehörige seiner Familie wurden von den Ustascha in Jasenovac ermordet. Als Kind war Robi bei den Spielen von Dinamo Zagreb. Die Dina­mo-Ultras, die Bad Blue Boys, galten im Jugoslawien der achtziger Jahre als Avantgarde des völkischen kroatischen Nationalismus. Ihre Vorstellungen prägten praktisch die gesamte kroatische Fanszene – bis heute sind faschistische Parolen und Grüße weitverbreitet. Der kroatische Fußballverband unternimmt wenig dagegen. Der Verbandspräsident Davor Šuker selbst hat dem faschistischen Führer Pavelić an dessen Grab die Ehre erwiesen.

Dennoch gibt es in Kroatien eine linke Fankurve, jene des Fußballvereins NK Zagreb, der jahrelang in der höchsten kroatischen Liga mitspielte, zuletzt aber in die dritthöchste Spielklasse abstieg. Jahrelang war Robi Fan des NK Zagreb und 2014 gründete er gemeinsam mit Freunden, unter denen sich auch Geflüchtete befinden, einen eigenen Verein, NK Zagreb 041. 041 war die Vorwahl Zagrebs zu Zeiten Jugoslawiens. Der Verein ist basisdemokratisch organisiert, es gibt keinen Präsidenten und keine Hierarchien.

Das Auswärtsspiel gegen Mala Mlaka, ganz am südlichen Rand Zagrebs, findet bei Regenwetter statt. Der Fußballplatz des Gastgebers ist heruntergekommen. Ein Pfosten des einen Tors steht schief. Auf einem Holztisch am Spielfeldrand sind ein Hakenkreuz und das Symbol der Ustascha eingraviert. Die Stimmung ist angespannt, beim letzten Aufeinandertreffen der beiden Teams hatten die Fans von Mala Mlaka ein Banner gezeigt, auf dem »Refugees not welcome« stand. Es richtete sich nicht nur gegen Geflüchtete in Kroatien im Allgemeinen, sondern auch gegen Spieler bei NK Zagreb 041.

Einer von ihnen ist Puria Javidi im Trikot mit der Nummer elf. Das Spiel wird angepfiffen. Javidi spielt im Mittelfeld, seine Aufgabe ist es, Tore vor­zubereiten. Vor drei Jahren verließ der 24jährige mit seiner Frau Samira den Iran und gelangte bis Traiskirchen in Niederösterreich. Wegen des Dublin-Abkommens musste das Paar nach einem Jahr zurück ins erste EU-Land, in dem es registriert worden war, nach Kroatien. Beide erhielten Asyl und zogen in eine kleine Wohnung im Westen von Zagreb. Von einem Freund erfuhr Javidi von NK Zagreb 041, von einem Club, der anders sei als alle anderen, offen für Geflüchtete.

Dass Javidi anfangs kein Kroatisch sprach, spielte keine Rolle. Fußball ist eine universelle Sprache. »Ich habe mich sofort wohlgefühlt«, sagt er. »Ich trainiere dreimal die Woche im Verein und habe da meine besten Freunde.« Jetzt steht er in Mala Mlaka einer Mannschaft gegenüber, deren Fans keine Geflüch­teten mögen. Trotzdem sagt er: »Ich mag die Kroaten. Sie sind keine Rassisten.«

Auf dem Platz wird viel geflucht und auf den Boden gespuckt. Die Spieler von NK Zagreb 041 beleidigen dabei politisch korrekter als jene des anderen Teams, sie benutzen etwa keine homophoben Schimpfwörter. Das Spiel endet 4:3 für Mala Mlaka. Robi und Javidi sind enttäuscht, sie wollen dieses Jahr endlich aufsteigen, nachdem es im Jahr zuvor nur für den dritten Tabellenplatz gereicht hatte. Robi sagt: »Die Schimpfwörter stören mich nicht. Schwuler, Serbe, Kommunist – für mich sind das keine Beleidigungen.«.