Missbrauchsskandal um Jeffrey Epstein

Der Manager und die Mädchen

Jeffrey Epstein gehörte zur US-Finanzelite, ein Freund Bill Clintons und Donald Trumps. Nun ist er angeklagt, weil er über Jahrzehnte Minderjährige missbraucht und prostituiert haben soll.

Bereits in den Neunzigern gab es Vorwürfe gegen Robert Kelly. In der Nacht zum Freitag vergangener Woche wurde der US-amerikanische Musikproduzent, bekannt als R. Kelly, erneut festgenommen. Die Anklagen gegen den 52jährigen lauten Menschenhandel und sexueller Missbrauch – auch von Minderjährigen. In mehreren Missbrauchsfällen musste er sich bereits vor Gericht verantworten, wurde bislang allerdings nicht verurteilt; in anderen Fällen kam es entweder nicht zur Anklage oder zu außergerichtlichen Einigungen. Sein sexuell übergriffiges Verhalten war Medienberichten zufolge in der Musikindustrie schon länger bekannt, die Manager hätten wegen Kellys geschäftlicher Bedeutung jedoch wenig bis gar nichts unternommen. Im Zuge der Sensibilisierung durch die »Me Too«-Bewegung scheinen die ­Zeiten, in denen man systematisch seine Machtstellung dazu nutzen konnte, um anderen sexuelle Gewalt anzutun, aber dem Ende zuzugehen.

»Die ist heiß.« Donald Trump und Jeffrey Epstein begutachten weibliche Party-Gäste. Das Video wurde 1992 auf einer Epstein-Party geschossen und gelangte erst kürzlich in die Öffentlichkeit.

Trump wird von einer Frau beschuldigt, sie 1994 auf einer Party ­Epsteins vergewaltigt zu haben, als sie 13 Jahre alt war.

Dies musste auch der US-amerikanische Milliardär und Hedgefonds-Manager Jeffrey Epstein erkennen. Der 66jährige ist angeklagt, über Jahrzehnte hinweg Mädchen, einige gerade erst 14 Jahre alt, missbraucht und prostituiert zu haben, sowohl in seiner Wohnung in Manhattan als auch in anderen seiner Anwesen. Er habe die Mädchen, die oft aus armen oder schwierigen Verhältnissen kamen, unter anderem dafür bezahlt, ihn nackt zu massieren; des Weiteren habe er sie beauftragt, andere Mädchen für ihn zu rekrutieren. Er soll Aussagen von Klägerinnen zufolge Dutzende Mädchen missbraucht haben. Epstein wurde am 6. Juli festgenommen, auch gegen ihn lautet die Anklage sexueller Missbrauch von Minderjährigen und Menschenhandel. Ihm drohen insgesamt 45 Jahre Haft.

Jeffrey Epstein, Polizeifoto.

Bild:
Florida Department of Law Enforcement

Auch Epstein musste sich bereits früher wegen sexuellen Missbrauchs ­verantworten. Er wurde 2006 angeklagt, kam aber dank einer vor den Kläger­innen verheimlichten Abmachung der Staatsanwaltschaft Floridas mit der Bundesstaatsanwaltschaft recht glimpflich davon. Er verbrachte nach seiner Verurteilung 2008 seine Haft in einem privaten Flügel des Gefängnisses von Palm Beach County, wo er einen eigenen Sicherheitsdienst anstellen konnte und sechs Tage die Woche zwölf Stunden am Tag Ausgang hatte. Zudem wurde er nach 13 Monaten entlassen, fünf Monate vor Ablauf seiner Haftstrafe. Im Staat New York musste er sich unwiderruflich als »Sexualverbrecher« eintragen lassen. Mehr geschah zunächst nicht. Der Milliardär verfügt über sehr reiche und mächtige Freunde. Regelmäßig lud er zu ausschweifenden Partys auf seiner karibischen Privatinsel Little Saint James ein. Die Gäste wurden in Epsteins Privatflugzeug eingeflogen – genannt »Lolita Express«.

In bester Gesellschaft

Zu seinen Freunden zählt unter ­anderem Bill Clinton. Der ehemalige Präsident soll dem Logbuch des Flug­zeugs zufolge mindestens 26 Flüge im »Lolita Express« absolviert haben, ­allerdings zu anderen Zielen als der Privatinsel. Clintons Sprecherin sagte, er sei nur vier Mal mitgeflogen. In einer Stellungnahme vom Montag vergangener Woche ließ Clinton verlauten, er habe schon über zehn Jahre nicht mehr mit Epstein gesprochen und wisse nichts über die Verbrechen.

Auch zum britischen Adel pflegte Epstein ein gutes Verhältnis. Prinz Andrew soll mindestens ein Mädchen aus dem Epstein-Umfeld missbraucht haben.

Auch der Juraprofessor Alan Dershowitz von der Harvard University zählt zu Epsteins Freunden. Als dessen ­Verteidiger holte Dershowitz 2006 für ihn eine linguistische Expertenmeinung ein, um zu zeigen, dass das »Inter­net Luring Statute« (Anlocken von Kindern über das Internet mit sexuellen Absichten) in Epsteins Fall nicht zur Anwendung kommen könne. Es liegen zwei Aussagen von Frauen vor, denen zufolge sie von Epstein »angewiesen« worden seien, Sex mit Dershowitz zu haben.

Anwälte der Zeuginnen der Anklage: Brad Edwards und David Boies, 15. Juli.

Bild:
REUTERS / Lucas Jackson

Zum britischen Adel pflegt Epstein ebenfalls ein gutes Verhältnis: Prinz Andrew, der jüngere Bruder von Prinz Charles, ist ein langjähriger Freund. Prinz Andrew wird vorgeworfen, mindestens ein Mädchen missbraucht zu haben; eine Klägerin gibt an, sie und andere Mädchen seien gezwungen worden, mit ihm Sex zu haben. Das britische Königshaus wies die Vorwürfe entschieden zurück.

Ghislaine Maxwell, die Tochter des britischen Verlegers Robert Maxwell, soll die Mädchen für Epstein rekrutiert haben, was Maxwell bestreitet. US-Präsident Donald Trump ist ein wei­terer Freund Epsteins. »Ich kenne Jeffrey seit 15 Jahren, ein toller Typ«, sagte er 2002. »Es macht echt Spaß, mit ihm rumzuhängen. Man sagt sogar, dass er schöne Frauen genauso gerne mag wie ich – und viele von ihnen sind ein bisschen jünger.« Eine ehemalige Angestellte in Trumps Golfclub Mar-a-Lago wurde als 16jährige von Maxwell rekrutiert, 1992 organisierte Trump in Mar-a-Lago einen »Calendar Girl«-Wettbewerb mit 28 Teilnehmerinnen, dem ansonsten nur er und Epstein beiwohnten.

Vergewaltigungsvorwurf gegen Trump

Inzwischen hat Trump sich von Epstein distanziert und behauptet, ihm Hausverbot auf seinem Wohnsitz erteilt zu haben, da er eine Angestellte belästigt habe. Trump ist jedoch selbst durch sexistische Sprüche aufgefallen und es gibt Vorwürfe Dutzender Frauen gegen ihn wegen sexueller Belästigung; verurteilt wurde er allerdings nie. Trump wurde von einer Frau beschuldigt, sie 1994 auf einer Party ­Epsteins vergewaltigt zu haben, als sie 13 Jahre alt gewesen sei. Sie zog die Anklage kurz vor der Präsidentschaftswahl zurück, nach Angaben ihrer Anwältin Lisa Bloom wegen »zahlreicher Drohungen«.

Donald Trump auf einer Epstein-Party im Jahr 1992.

Trump ist auch das Bindeglied zwischen Epstein und Alexander Acosta, jenem Mann, dem Epstein 2008 seine milde Haftstrafe verdankte. Als Staatsanwalt von Florida setzte sich Acosta damals dafür ein, dass die Staatsanwaltschaft auf Bundesebene einen Kompromiss einging, der Epstein vor weiteren Ermittlungen bewahrte. Die Beweislage, um Epstein hinter Gitter zu bringen, sei zu dünn gewesen, behauptete Acosta, inzwischen Arbeitsminister unter Trump, am Mittwoch ­vergangener Woche. »Wir glauben, dass wir richtig vorgegangen sind.« Am Freitag vergangener Woche kündigte Acosta seinen Rücktritt an und kam damit entsprechenden Forderungen ­wegen seiner Rolle in der Affäre Epstein zuvor.

Epstein scheint sich bewusst zu sein, dass es deutlich schwieriger sein wird als noch vor elf Jahren, mit einer geringen Strafe davonzukommen. Er behauptet, er sei unschuldig. Die New Yorker Staatsanwaltschaft wirft ihm auch vor, potentiellen Zeugen 350 000 US-Dollar gezahlt zu haben. Insbesondere der Zeitpunkt der Zahlung, so die Staats­anwaltschaft, lege nahe, dass der An­geklagte die Zeugen habe beeinflussen wollen. 100 000 US-Dollar seien an ­jemanden geflossen, der ihm dabei geholfen haben soll, 2008 in Florida zu ­lediglich 18 Monaten Gefängnis verurteilt zu werden, 250 000 US-Dollar an eine Person, die sowohl in die »Florida-Vereinbarung« involviert als auch Komplize in Epsteins Kinderprostitutionsring gewesen sei.

Über Jahrzehnte hinweg konnten sich sexuell gewalttätige Männer oft sicher vor Strafverfolgung fühlen, vor allem, wenn sie genug Geld und Ansehen hatten. Inzwischen hat sich dies offenbar geändert. Es ist zu hoffen, dass Epsteins Opfer endlich Gerechtigkeit erfahren.