Festival regimetreuer Eritreer

»Es gibt wenig Solidarität«

Jedes Jahr findet in Gießen ein Festival regimetreuer Eritreer statt. Geflüchtete wie Samuel Bahabelom protestieren dagegen und hoffen, dass sich die Stadt gegen das Fest aussprechen wird.

In Gießen findet seit 2011 einmal jährlich unter der Schirmherrschaft der eritreischen Botschaft das sogenannte Eritrea-Festival statt. Regimetreue Eritreer und Eritreerinnen aus der ganzen Bundesrepublik kommen dort zusammen, um für die autoritäre Regierung des Präsidenten Isaias Afwerki zu werben. Seit Jahren protestieren eritreische Flüchtlinge gegen das Festival und fordern dessen Absage. Samuel Bahabelom hat am vorvergangenen Samstag gegen die Veranstaltung demonstriert und mit der Jungle World gesprochen.

Könnten Sie kurz sich und Ihre Gruppe vorstellen?
Mein Name ist Samuel Bahabelom, ich komme aus Eritrea und bin seit 2014 in Deutschland. Wir versuchen zurzeit hier in Gießen, eine solidarische Jugendbewegung zu gründen. Seit zwei Monaten klären wir die Menschen in Gießen über Eritrea auf.

Sie haben gegen das Eritrea-Festival in den Gießener Hessenhallen demonstriert. Welches Bild des Landes wurde dort vermittelt?
Dort wurde behauptet, es gehe in Eritrea allen gut. Wir wollten zeigen, dass es nicht so ist. In Eritrea besteht eine Diktatur, es gibt kein demokratisches System.

Warum fliehen junge Menschen wie Sie aus dem Land?
Man hat keine Luft, um das eigene Leben zu leben. Ich will meine Zukunft aufbauen, aber in Eritrea werden Menschen wie Sklaven behandelt.

Zur Diktatur in Eritrea gehört auch der sogenannte Militärdienst. Was können Sie über ihn sagen?
Ich persönlich musste keinen Militärdienst ableisten, da ich noch minderjährig war. Aus meiner Familie waren einige Leute betroffen. Der Militärdienst dauert offiziell 18 Monate, inoffiziell ist er aber unbefristet und kann Jahre dauern. Man dient nicht im Militär, sondern wird zu irgendwelcher Arbeit für den Staat gezwungen. Man verdient viel zu wenig Geld, kann weder selbst davon leben, noch die Familie finanziell unterstützen.

Die Fluchtroute von Eritrea nach Deutschland ist lang. Welche Stationen gibt es auf der Reise?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Man kann über den Sudan oder Äthiopien fliehen. Durch die Sahara gelangt man nach Libyen. Dort ist die Situation furchtbar, sie wird von Gewalt und Krimina­lität beherrscht. Über das Mittelmeer kommt man nach Europa.

Wie verhält es sich mit der Steuer, die in Deutschland lebende Eritreer an das Regime zahlen sollen?
Sobald du eigenes Geld verdienst, verlangt das Regime zwei Prozent davon. Wer nicht zahlt, darf Eritrea nicht besuchen. Gegner der Diktatur zahlen diese Steuer üblicherweise nicht.

Haben Eritreerinnen und Eritreer in Deutschland Hemmungen, sich politisch gegen das Regime zu äußern?
So wurden wir programmiert. In Eritrea geht man nicht auf die Straße und äußert die eigene Meinung. Das loszuwerden, ist ein langer Prozess. Manche Leute haben auch Angst davor, dass ihre Familien in Eritrea angegriffen werden.

Die Stadt Gießen hat sich bislang nicht gegen das Festival ausgesprochen. Was erwarten Sie sich in Zukunft von ihr?
Ich hoffe, die Stadt Gießen wird uns in Zukunft unterstützen. Ich bin selbst aus Gießen und lebe seit 2014 hier.

Wurde Ihr Protest gegen das Festival von Personen und Gruppen unterstützt, die keine direkte Verbindung zu Eritrea haben, aus dem antifaschistischen und antirassistischen Milieu etwa?
Wir hatten viel Unterstützung von Klaus-Dieter Grothe, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Gießener Stadtrat, bei dem wir uns herzlich bedanken. Sonst gibt es bislang wenig Solidarität von Leuten aus Gießen, die nichts mit Eritrea zu tun haben. Wir wollen künftig mehr mit Gruppen aus anderen Bereichen in Kontakt traten und Gespräche führen. Viele Leute wissen eben nichts über Eritrea.