Antifaschisten verhindern rechte Großdemo

Identitärer Stillstand in Halle

In Halle an der Saale ist es Antifaschisten gelungen, eine geplante Groß­demo der Identitären Bewegung zu blockieren. Der Verfassungsschutz hat diese mittlerweile als rechtsextremistisch eingestuft.

Nur selten sorgen Mitteilungen der ­Polizei bei Antifaschisten für Jubel. Doch am Samstagnachmittag um kurz nach halb vier geschah es. »Durch die Versammlungsbehörde wurde ­verfügt, dass die IB keinen Aufzug startet«, hieß es da von der Polizei Halle auf Twitter. Zu diesem Zeitpunkt versammelten sich mehr als 1 000 Menschen in der Nähe des Hausprojekts der »Identitären Bewegung« (IB) in der Adam-Kuckhoff-Straße. Sie blockierten so eine geplante Demonstration der extrem rechten Organisation. Bereits 2016 und 2017 war es den Identitären in Wien und Berlin nicht gelungen, wie geplant zu marschieren. Antifaschisten hatten die Routen der jeweils knapp 1 000 Rechtsextremen durch Blockaden erheblich verkürzt. Unter dem Motto »Europa verteidigen! Es bleibt unsere Heimat« wollte es die IB mit ­einer Kombination aus Sommerfest und Aufzug in diesem Jahr erneut ­versuchen – diesmal in Halle an der Saale.

Der Verfassungsschutz führt die Identitäre Bewegung nun als »rechtsextremistische Organisation«.

In der sachsen-anhaltinischen Stadt mobilisierten mehrere Bündnisse und Initiativen bereits Wochen vor der geplanten Demonstration für den ­Gegenprotest. So riefen unter anderem die Stadtspitze und die Universität zu ­einem gemeinsamen Bürgerfest auf dem Steintor-Campus auf, also in unmittel­barer Nachbarschaft zum rechtsextremen Hausprojekt. Einen Tag vor dem geplanten Aufmarsch der IB verlegten die Veranstalter das Fest jedoch auf den deutlich weiter abseits gelegenen Marktplatz. Der parteilose Oberbürgermeister Bernd Wiegand begründete die Verlegung in der Mitteldeutschen Zeitung damit, dass man kein fried­liches Bürgerfest feiern könne, wenn »direkt nebenan möglicherweise ein Straßenkampf tobt«. Bis zu diesem Tag sei man davon ausgegangen, dass die IB vom etwa zwei Kilometer entfernten Bahnhof aufbrechen wolle. Aber diese Pläne hätten sich kurzfristig geändert. »Jetzt konzentriert sich das Geschehen auf die Adam-Kuckhoff-Straße«, sagte Wiegand der Zeitung.

Das Bündnis »Halle gegen rechts« bezeichnete die Entscheidung der Stadt als »falsches Signal«; dass die Identitären ihre Route offenbar freiwillig verkürzten, sei jedoch ein ­»erster Erfolg« gewesen. Das nach eigenen Angaben aus mehr als 100 Einzelpersonen und über 30 Organisationen bestehende Bündnis hatte zu ins­gesamt vier Demonstrationen aufgerufen.

 

Die Polizei war schnell und rabiat

Eine davon begann kurz vor elf Uhr am weit entfernten Rannischen Platz. Nach einigen Redebeiträgen, die sich unter anderem den Verbindungen der IB zu Rechtsterroristen und anderen Rechtsextremen widmeten, liefen etwa 800 Menschen in Richtung Adam-Kuckhoff-Straße. Kurz vor dem Ziel der Demonstration rannten mehrere hundert Personen los und setzten sich auf eine Kreuzung, von der sie ver­muteten, sie liege auf der Route der IB-Demonstration. Nur wenige Polizisten stellten sich den Antifaschisten dabei in den Weg. Auf der Adam-Kuckhoff-Straße selbst gab es ebenfalls zwei ­Blockaden mit mehreren hundert Menschen. Die Identitären waren somit frühzeitig auf ihrem Sommerfest eingekesselt.

In der Nähe des Hausprojekts der IB waren immer wieder kleine und große Gruppen von Rechtsextremen unterwegs. So sammelten sich am Bahnhof mehrere Dutzend Personen. Die Polizei untersagte ihnen jedoch aus Sicherheitsgründen, zum Haus der Identi­tären zu laufen, und empfahl ihnen stattdessen die Heimreise.

Besonders kompliziert verlief der Tag für eine aus etwa 20 Personen bestehende Gruppe von Identitären aus Bayern. Lediglich zwei Kreuzungen vom Haus der IB entfernt wurde diese aus mehreren Richtungen von Gegendemonstranten ­umkreist. Die Polizei entschloss sich nach einigen Minuten dazu, die Gruppe zum Bahnhof zu bringen, wo sie etwa eine Viertelstunde blieb. Anschließend führte die Polizei sie zurück in die Innenstadt – diesmal begleitet von einer wachsenden Zahl von Antifaschisten. Diese stellten und setzten sich immer wieder in den Weg und verzögerten den Zug dadurch mehrmals. Allerdings räumte die Polizei die meisten Blockaden schnell und rabiat. Am Ende ­wurden die Identitären in Polizeiwagen weggebracht.

Daniel Fiß, einer der Leiter der IB in Deutschland, verkündete kurz vor 16 Uhr auf dem Sommerfest, dass es keine Demonstration geben werde. Zu diesem Zeitpunkt war die Stimmung unter den etwa 200 Anwesenden ­bereits deutlich getrübt. Die Blockaden hingegen entwickelten sich im Laufe des Tages zu Straßenfesten mit Musik und Tanz.

 

Twitter-Sperre zeigt Wirkung

Neben »Halle gegen rechts« hatten auch linke Gruppen wie »Nice to Beat You« und die »Interventionistische Linke« zum Protest aufgerufen. Donna, die ihren richtigen Namen nicht preisgeben möchte, ist Mitglied der antifaschistischen Kampagne »Kick Them Out«. Sie sieht vor allem zwei Gründe dafür, dass die IB an diesem Tag keinen Erfolg feiern konnte. Zum einen habe diese rechtsextreme Bewegung ihren Zenit längst überschritten. »Sie mobilisieren inzwischen so wenige Menschen wie nie zuvor«, sagt Donna der Jungle World. Das liege unter anderem daran, dass sich die Aktionen der IB immer wieder selbst übertreffen müssten: »Irgendwann geht das nicht mehr.« Die Rechtsextremen seien auch dadurch eingeschränkt, dass viele ihrer Social-Media-Kanäle gesperrt wurden. ­»Außerdem hat sich das soziale Klima so verändert, dass es die Identitären nicht mehr braucht«, so Donna.

Zum anderen seien gut organisierte antifaschistische Strukturen in Halle und die Arbeit der Kampagne »Kick Them Out« für den ausbleibenden Erfolg der IB mitverantwortlich. So war es Antifaschisten dort beispielsweise bereits am 1. Mai 2017 gelungen, eine Großdemonstration von Neonazis komplett zu verhindern. »Kick Them Out« wurde vor zwei Jahren initiiert, als bekannt geworden war, dass die Identi­tären in Halle ein Hausprojekt planen. Seitdem hat die Kampagne zahlreiche Protestveranstaltungen gegen Aktivitäten der IB organisiert. Zudem informiert sie auf ihrem Blog über Mit­glieder, Übergriffe und Verbindungen der in Halle »Kontrakultur« genannten Gruppe. Demnächst soll eine Broschüre zu diesen Themen erscheinen. Die weiteren Aktivitäten von »Kick Them Out« sind Donna zufolge vor allem ­davon abhängig, was die Identitären für die Zukunft planen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt die Identitäre Bewegung in Deutschland seit kurzem nicht mehr nur als »Verdachtsfall«, sondern als »rechtsextremistische Organisa­tion«. Die Behörde darf die IB nun mit geheimdienstlichen Mitteln wie dem Abhören von Telefonen und dem Einsatz von V-Leuten überwachen. Wie aus der Geschichte des rechtsterroristischen »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) bekannt ist, muss das die Aktivitäten dieser rechtsextremen Organisation freilich nicht unbedingt behindern.