Im Nationalismus geeint
Die türkischen Behörden lassen die Geflüchteten vor der Abschiebung ein Dokument unterzeichnen, in dem diese sich damit einverstanden erklären, nach Syrien zurückzukehren. Da dieses Schriftstück in kompliziertem Amtstürkisch verfasst ist, verstehen die meisten Syrerinnen und Syrer nicht, was sie unterschreiben, selbst wenn sie bereits über Türkischkenntnisse verfügen.
Diese Praxis wird nicht nur vom Gouverneur der AKP unterstützt. Der neue Bürgermeister von Istanbul, Ekrem İmamoğlu von der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), sagte einige Tage nach seinem Amtsantritt Ende Juni, die Frage der syrischen Flüchtlinge sei ein ernstes Thema. »Es gibt viele Syrer, die unregistriert arbeiten. Wir müssen die Interessen unserer Leute schützen.« Auf Twitter gibt es seit Neuestem den Hashtag #YallahArabistana (Auf nach Arabien), der von Anhängern der CHP benutzt wird, um sowohl islamisch-konservativen Türken als auch syrischen Flüchtlingen zu signalisieren, dass mindestens Letztere, am liebsten aber beide Bevölkerungsgruppen besser im Nachbarland aufgehoben wären. Ungefähr 3,6 Millionen Syrerinnen und Syrer sind in der Türkei unter vorübergehendem Schutzstatus registriert, aber einige Schätzungen gehen davon aus, dass noch eine Million Nichtregistrierte hinzukommen.
Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu verkündete unlängst, das Flüchtlingsabkommen mit der EU sei eine Farce und ab sofort nicht mehr gültig. Funktioniert hatte es ohnehin nie. Die Türkei hat die von ihr erbrachte Integrationsleistung stark übertrieben. Nun hat eine Studie ergeben, dass die Hälfte der in der Türkei lebenden syrischen Kinder nicht zur Schule geht. Für viele ist das ein weiterer Grund, die Präsenz syrischer Geflüchteter als Problem anzusehen, statt die türkische Bildungspolitik zu kritisieren.