Unkritischer Umgang mit Polizeimeldungen

Die Polizei, dein Freund und Fälscher

Seite 3 – Nicht Sprachrohr, sondern Kritiker der Staatsgewalt

Dass das offenbar keine journalistische Selbstverständlichkeit ist, sagt eine Menge über das Selbstbild vieler Medienvertreter als brave Staatsbürger aus, die das Tun der Polizei und die begleitenden Öffentlichkeitsarbeit nicht in Frage stellen. Wenn sich Polizei­gewalt einmal nicht mehr verschweigen lässt, folgt eine kurze Skandalisierung und anschließend die Relativierung der Vorfälle als bedauernswerte Einzelfälle.

Ein Forscherteam unter Leitung des Bochumer Kriminologen Tobias Singelnstein hat erst kürzlich festgestellt, dass die Zahl illegaler Polizeiübergriffe in Deutschland wesentlich höher ist als bisher angenommen. »Die polizeiliche Befugnis zum Gewalteinsatz ist notwendig mit dem Problem rechtswidriger Gewaltausübung verbunden. Eine Polizei, die das Gewaltmonopol des Staates ausübt, in der es aber keine rechtswidrige Polizeigewalt gibt, ist eine theoretische Idealvorstellung, die in der Praxis nicht vorkommt«, sagte Singelnstein der Jungle World. Gerade hier bräuchte es also Medien, die nicht als Sprachrohr, sondern als Kritiker der Staatsgewalt auftreten. Zudem müsste das Agieren der Polizei für die Öffentlichkeit transparent gemacht werden.

Genau das versuchen Polizeibehörden jedoch immer wieder zu verhindern. Das zeigte sich beispielsweise am 20. Juli bei einem Aufmarsch von Neonazis in Kassel. Eine Teilnehmerin der antifaschistischen Gegenproteste fotografierte mit ihrem Smartphone die Polizeikontrollen. Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 2015 festgestellt, dass Aufnahmen von Polizisten im Einsatz grundsätzlich erlaubt sind. Trotzdem wurde die Frau kontrolliert und ihr Smartphone beschlagnahmt. Die Polizei argumentierte, mit dem Gerät könnte auch das gesprochene Wort der Polizisten aufgenommen und womöglich veröffentlicht werden und das sei ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Polizisten. Eine juristische Klärung kann Jahre dauern.

Damit wird erneut deutlich, wie ­wenig Interesse die Polizei daran hat, ihr Handeln transparenter zu machen. Dass politische Parteien dazu aussichtsreiche Vorschläge formulieren, ist bis auf Weiteres nicht zu erwarten.