Gespräch mit der Schriftstellerin Lizzie Doron

»Ich will etwas anderes als den Status quo«

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Interview Von

Wie beeinflusst Sie das?
Zum Beispiel verliere ich meine Sprache. Ich mische immer mehr deutsche Wörter in mein Hebräisch. Als Schriftstellerin habe ich zunächst auf »Hochhebräisch« geschrieben. Doch seit ich mir bewusst bin, dass meine Sätze übersetzt werden, notiere ich zwischendrin vorbereitend deutsche oder englische Wörter. Dieser Prozess hat mein Hebräisch ­wiederum beeinflusst, das dadurch nicht mehr perfekt ist. Es ist eine ­Revolution in meiner kognitiven und auch meiner emotionalen Welt.

»Die Combatants for Peace haben sozusagen eine alternative Nationalität für ein alternatives Land erfunden.«

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Auf Englisch und auf anderen europäischen Sprachen gibt es aber kaum Bücher von Ihnen.
Ja, Verlage zögern derzeit generell, israelische Autoren zu verlegen. Der BDS spielt dabei auch eine Rolle.

Das haben Sie selbst im August letzten Jahres in Berlin zu spüren bekommen.
Ja, ich war im Rahmen des Pop-Kultur-Festivals als Rednerin eingeladen. Mein Beitrag sollte von Boykott handeln, ein Konzept, das ich grundsätzlich unterstütze, da dabei niemand getötet wird. Alle Sitzplätze waren ausverkauft, doch zu Beginn waren rund 60 Plätze noch leer. Nach der Einführung der Moderatorin Shelly Kupferberg kamen die fehlenden ­Zuhörer in die Halle, mit Plakaten und roter Farbe. Sie riefen Sätze wie »Deine Hände sind voller Blut« etcetera. Es war sehr beängstigend. Ich wurde in einen kleinen Raum geführt und die Veranstaltung abgebrochen. Noch bevor richtig klar war, dass es sich um BDSler aus London handelte, kam ein Bus, der sie zurück zum Flughafen brachte.

Ich konnte das alles nicht wirklich fassen, denn ich bin ja auf gewisse Weise propalästinensisch. Ich bin weder radikal noch extremistisch, aber ich will eine andere Lösung als die Beibehaltung des Status quo. Ich wünsche mir einen Kompromiss. Ich kann keine Menschen unterstützen, die diese Form von Gewalt in sich tragen. Um so überzeugter war ich, dass es richtig ist, über die Combatants for Peace (Friedenskämpfer) zu berichten, die per Definition jegliche Form von Gewalt ablehnen.

Die Friedenskämpfer haben auch den gemeinsamen ­Memorial Day für Israelis und Palästinenser initiiert.
Ja, dieser Tag ist für mich sehr wichtig geworden. Ich nehme seit vier Jahren an dieser Veranstaltung teil, bei der Juden und Araber zusammentreffen, als wären sie eine Nation, die gemeinsam gelitten und Verluste erlebt hat. Wir erkennen das Leid des Gegners gegenseitig an und entwickeln Empathie füreinander.
Es ist ein starkes Konzept, dass in konfliktbeladenen Zeiten die Feinde gemeinsam trauern. Stellen Sie sich vor, die Ukrainer und Russen, Iraker und Amerikaner würden gemeinsam trauern und zwar noch während des Krieges – nicht in Friedenszeiten. Es ist eigentlich undenkbar, denn es bedeutet, dass sich zwei Familien ­begegnen, deren Angehörige sich gegenseitig getötet haben könnten. Die Combatants for Peace haben sozusagen eine alternative Nationalität für ein alternatives Land erfunden.