Klimaschützer haben die Internationale Automobilausstellung blockiert

Autofreunde ausgebremst

Anlässlich der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt trafen am Wochenende Welten aufeinander: Autoliebhaber standen protestierenden Klimaschützern gegenüber.

Sonntagmittag in Frankfurt am Main, ein kleines Grüppchen in weißen, ­roten und blauen Maleranzügen zieht am Messegelände entlang. Den Haupteingang haben die Beteiligten bereits am Morgen blockiert, nur 17 Minuten nach dem Beginn der Internationalen Automobilausstellung (IAA) an diesem Tag, wie auch deren Veranstalter zugeben müssen. Auf Twitter verweisen diese auf andere Eingänge. Kein Problem für die Blockierer, sie teilen sich auf, sabotieren einen Eingangnach dem anderen. Als in erreichbarer Nähe kein Eingang mehr zu blockieren ist, setzt sich das kleine Grüppchen in den Eingang einer Messetiefgarage. Die in Autos anfahrenden Messebesucher antworten mit einem wilden Hupkonzert.

Die Autogegner haben es mit dem Protest bei der IAA geschafft, der Debatte über die Zukunft der Mobilität kurzzeitig eine andere Richtung zu geben.

Wenn sich Autoliebhaber und Klimaschützer begegnen, prallen Welten aufeinander: Die einen fahren mit dem Rad zur Arbeit, trinken Leitungswasser aus wiederverwendbaren Flaschen und essen vegan; die anderen rüpeln auf der Überholspur rum, trinken aus Plastikbechern und essen Fastfood. So will es zumindest das Klischee, dem jedoch die Wirklichkeit bei der IAA recht nahe kommt. Allerdings ließen sich auf der Messe verschiedene Typen von Autoliebhabern beobachten: vom Typ älterer Herr im teuren Anzug, der die Protestierenden darüber informiert, dass das Auto keine negative Auswirkung auf das Klima habe und man sich besser dem Thema Überbevölkerung widmen solle, bis zum Typ Rap-Fan mit dicken Oberarmen, der für einen Blockierer nur ein »Ich ficke dich, du ­Hurensohn!« übrig hat.

»Ich könnte jetzt eine halbe Stunde lang Beleidigungen aufzählen«, berichtete ein Klimaschützer, der vor den Blockaden Flugblätter verteilt hatte, von seinen Begegnungen mit Autofreunden an diesem Tag. Messerscharf waren die Argumente einiger Blockierer allerdings auch nicht ge­rade. »Kauf dir doch ein Fahrrad« – mit einer solchen Aufforderung wird man überzeugte Autofans nicht von der persönlichen ­Mobilitätswende überzeugen. Die Polizei begleitete am Sonntag die Blockaden, ließ viel zu und griff fast nur ein, wenn die direkte Konfron­tation zwischen Autofans und Gegnern handgreiflich zu werden drohte.

Nicht weniger emotional, aber ohne Konfrontationen ging es auf der Messe selbst zu. Verträumt starrten Männer auf Sportwagen. Und viele versicherten den Messehostessen, schon lange aus Überzeugung ein Auto der Marke des jeweiligen Messestands zu fahren. Als Belohnung für solche Bekenntnisse gab es gängigen Messekrempel: Taschen, Stifte, T-Shirts.

 

Die Automobilbranche reagierte auf ihre eigene Art auf die Blockaden. »Dieser Sonntag ist eine Abstimmung mit den Füßen für das Automobil«, verkündete Bernhard Mattes, der Präsident des Verbands der Automobil­industrie. Die Messe sei voll, bei »Kaiserwetter« hätten Zehntausende Menschen die Ausstellung besucht. Die Leitung der IAA hatte zunächst versucht, auf Kritiker zuzugehen, zum Beispiel mit einer Einladung an »Fridays for ­Future«, die die Organisation jedoch kurzfristig ausschlug. Dann änderten die Veranstalter ihre Herangehensweise, allzu viel Kritik war auf der IAA nicht erwünscht. Das traf sogar den sozialdemokratischen Oberbürgermeister Frankfurts, Peter Feldmann, der in der Vergangenheit milde Kritik an der Autoindustrie geäußert hatte. Dessen traditionelles Grußwort zur Messe­eröffnung sagten die Veranstalter ab – offiziell aus Zeitgründen. Feldmann veröffentlichte seine Rede dann auf Facebook. Sie bestand aus Sätzen wie: »Beweisen wir, dass deutsche Innovationskraft nicht darin besteht, gesetz­liche Vorgaben zu umgehen, sondern die umweltschonendsten und zukunftsfähigsten Produkte zu entwickeln. Ich möchte ehrlich sein: Frankfurt braucht mehr Busse und Bahnen, aber nicht mehr SUVs.« Allzu harsche Worte hätte die Branche also nicht aushalten ­müssen.

Mit den Blockaden konnten die Protestierer für einiges Aufsehen sorgen. Es stellt sich die Frage, ob es für die autokritischen Klimaschützer ähnlich ­weitergeht. Vor gut einem Monat blockierten Kleingruppen einen Zug, der Neuwagen aus dem Wolfsburger VW-Werk ausliefern sollte, und besetzten ­einen Baumarkt in der »VW-Autostadt« auf dem Konzerngelände. Mit solchen Aktionen ist in Deutschland kein Sympathiewettbewerb zu gewinnen, eher handelt es sich um Nadelstiche gegen einen mächtigen Gegner. Dass es die vom Bündnis »Sand im Getriebe« geforderte »radikale Verkehrswende« mitsamt autofreien Innenstädten in naher Zukunft geben wird, darf bezweifelt werden angesichts von 800 000 Beschäftigten in der Autoindustrie und einer engen Verknüpfung zwischen der Politik und der Branche. Die Autogegner bei der IAA haben es aber immerhin geschafft, der Debatte über die Zukunft der Mobilität kurzzeitig eine andere Richtung zu geben. Nach den Frankfurter Protesten wurde weniger darüber diskutiert, welchen Antrieb das Auto der Zukunft haben soll, als ­darüber, ob und wo das Auto überhaupt notwendig ist.