Die AfD und ehemalige Bürgerrechtler verbreiten Wendemythen

Kampf um die Deutungshoheit

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Die sogenannte deutsche Einheit beschrieben die Unterzeichner, darunter Marianne Birthler, Ilko-Sascha Kowalczuk und Freya Klier, als ungebrochene Erfolgsgeschichte mit lediglich kleinen Schönheitsfehlern. So wichtig es gewesen wäre, der AfD-Kampagne zu widersprechen, so wenig sinnvoll dürfte die Erklärung »Nicht mit uns« für diesen Zweck gewesen sein. Der wichtigste Grund dafür liegt in dem Versuch, die AfD ausgerechnet mit Antikommunismus zu bekämpfen, indem man ihr vorhält, mit ihrer Kampagne die »kommunistische Diktatur« der DDR zu verharmlosen. Im Rückblick auf die Wendezeit beschwört man zudem das »Zusammenwirken der Bürgerbewegung und der Menschen auf den Straßen«. Es geht offensichtlich nicht um sinnvolle politische Intervention, sondern darum, das Label »friedliche ­Revolution« und die eigene Deutungshoheit zu schützen.

Auch linke Kampagnen versuchen bisweilen, die »Wende« rein positiv zu besetzen. Im Aufruf zur Demonstra­tion des »Unteilbar«-Bündnisses in Dresden hieß es beispielsweise: »Für ein offenes Land mit freien Menschen – unter diesem Banner gingen ’89 Menschen in Sachsen auf die Straße.« Die ungebrochene Affirmation der sogenannten Wende birgt die Gefahr, den natio­nalistischen Taumel dieser Epoche vergessen zu machen.
Das Bündnis »Aufbruch Ost« sieht die Vereinigung der beiden deutschen Staaten kritischer und will »die Verfehlungen der Nachwendezeit und deren Zusammenhang mit den spezifischen Problemen der ostdeutschen Gesellschaft« thematisieren.

Dieser Schwerpunkt ist angesichts der desaströsen Politik der Treuhand-Gesellschaft in den neunziger Jahren nachvollziehbar, kann aber auch dazu führen, einen ostdeutschen Opfermythos zu bedienen, der die soziale und politische Situation in der DDR glorifiziert. Insofern ist es sinnvoll, dass sich »Aufbruch Ost« auf die linke DDR-Opposition bezieht. Es bleibt aber fraglich, ob es Wählerinnen und Wähler der extremen Rechten erreicht, dass die Innitiative »die aus der Nachwendezeit herrührende Enttäuschung und Wut von links zu kanalisieren«, versucht.