Auch die jüngste Klimakonferenz in Madrid hat versagt

Geschenkt statt gesenkt

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Umweltschützer und vom Klimawandel in ihrer Existenz bedrohte Inselstaaten stellen dagegen grundsätzlich in Frage, ob der Emissionshandel ein geeignetes Instrument sei, um die Produktion von Treibhausgasen schnell zu senken. Die Leiterin von Green­peace, Jennifer Morgan, wies darauf hin, dass es den Emissionshandel seit mehr als 20 Jahren gebe, ohne dass sich dadurch viel geändert habe. »Es geht hier um Dringlichkeit«, sagte sie dem Guardian. »Wir brauchen abso­lute und weltweite Einschnitte bei der CO2-Produktion. Wir sehen das als gefährliches Ablenkungsmanöver. Warum diskutieren wir hier 2019 noch immer eine gescheiterte Herangehensweise aus dem Jahr 1997?«

Letztlich war es dann wohl hauptsächlich das von Jair Bolsonaro regierte Brasilien, das eine Einigung zu den Emissionsmärkten verhinderte; sie werden also auf der Tagesordnung der COP-Gipfel bleiben und dort Gespräche zur CO2-Reduktion verhindern.

Das andere große Thema war der sogenannte Warschauer Internationale Mechanismus. Darunter versteht man ein Verfahren, mit dem Staaten von anderen Ländern, die ihnen Schaden zugefügt haben, Entschädigungszahlungen verlangen können. Nachdem die Mehrzahl der reichen Industriestaaten vor vier Jahren in Paris ihre Hauptschuld an der Klimakatastrophe zugegeben hat, wäre damit der Weg für die Hauptleidtragenden frei, Ausgleichszahlungen zu verlangen. Das wären etwa Staaten in der Sahel-Region, die die Folgen der Erderwärmung besonders heftig spüren, oder Inselstaaten, die bereits Schwierigkeiten haben, ihre Infrastruktur zu versichern.

Diese Staaten hatten wohl nicht mit der US-Regierung unter Präsident Donald Trump gerechnet. »Die US-Regierung ist der weltweit größte humanitäre Spender«, kommentierte ein Beamter des US-Außenministeriums. »Eine spalterische Diskussion über Schuld und Haftung hilft keinem.« Die durch den anhaltenden Ausstoß von Treib­hausgasen verursachten Schäden dürften allerdings weit über die ungefähr 20 Milliarden US-Dollar hinausgehen, die die USA jährlich für Entwicklungshilfe ausgeben.

Um mehr als 40 Stunden wurde der zweiwöchige Klimagipfel wegen Uneinigkeit in diesen beiden Fragen verlängert; er endete am frühen Sonntagnachmittag anstatt wie geplant am Freitagabend. Am Ende gab es auch zur Frage der juristischen Verantwortung für den Klimawandel nichts Greifbares; das Schlussabkommen blieb äußerst vage. Vor allem aber gab es eines nicht: verbindliche Vorgaben zur Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen.

»Seit dem Pariser Abkommen«, kommentierte die Klimaschützerin Greta Thunberg, »haben Banken weltweit 1,9 Billionen US-Dollar in fossile Energiequellen investiert. 100 Konzerne sind für 71 Prozent des weltweiten Schadstoffausstoßes verantwortlich. Fast 80 Prozent des Ausstoßes werden von den G20-Staaten produziert. Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung produzieren die Hälfte der CO2-Emissionen, während die ärmsten 50 Prozent nur zehn Prozent produzieren. Es stimmt, dass wir viel zu tun haben, aber einige von uns mehr als andere.«

Thunberg machte klar, wen sie damit unter anderem meint, nämlich die EU mit ihrem am Freitagmorgen vergangener Woche verkündeten Klimaschutzziel: »Null bis 2050 bedeutet nichts. Wenn der Ausstoß von Treib­hausgasen auch nur wenige Jahre auf dem bisherigen Niveau weitergeht, wird das verbleibende CO2-Budget aufgebraucht sein.«

Der nächste COP-Gipfel wird im November 2020 in Glasgow stattfinden, im schottischen Landesteil des dann vermutlich aus der EU ausgetretenen Vereinigten Königreichs. Der Premier­minister, der dafür sorgen soll, dass die Staaten dann nicht wieder über Schuld und Geld streiten, sondern wie im Pariser Protokoll vorgesehen konkrete Schritte zur CO2-Reduzierung vollziehen, heißt Boris Johnson. Er kennt sich aus mit Populismus und hat das Talent, desaströse Entscheidungen als große Erfolge darzustellen.