Michael Gläser, ehemaliger Betriebsrat, im Gespräch über das »union busting« bei Starbucks

»Nicht kaufen lassen«

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Am Freitag um 18 Uhr findet vor der Starbucks-Filiale am Brandenburger Tor in Berlin eine Kundgebung gegen »union busting« (gewerkschaftsfeindliche Unternehmenspolitik) statt. Die Jungle World hat mit dem langjährigen Starbucks-Betriebsratsmitglied Michael Gläser gesprochen.

Sie haben fast neun Jahre bei Starbucks gearbeitet und werfen dem Konzern »union busting« vor. Welche Probleme hatten Sie als Betriebsratsvorsitzender in Ihrer Gewerkschaftsarbeit?

Die Geschäftsführung hat null Verständnis für betriebliche Mitbestimmung. So haben wir etwa Arbeitsanweisungen erhalten, mit denen wir unter Androhung der Kündigung genötigt werden sollten, nicht auf Betriebsratsseminare zu fahren.

Warum haben Sie sich gewerkschaftlich engagiert?

Ich bin seit meinem 16. Lebensjahr in verschiedenen ehrenamtlichen politischen Ämtern und wollte eigentlich nur mein Grundeinkommen bei Starbucks sichern, um in Ruhe politisch arbeiten zu können. Es kam jedoch auf Wunsch der Belegschaft anders und ich kandidierte für eine alternative Liste. Da ich bis zu diesem Zeitpunkt keine aktive Betriebsratsarbeit hatte leisten können, unterstützte ich diese und übernahm nach dem karrierebedingten Rücktritt des damaligen stellvertretenden Vorsitzenden auf Wunsch des Gremiums dessen Position im Betriebsrat. Es war für mich klar, dass ich als Betriebsratsmitglied gegen Unrecht kämpfen werde und mich nicht kaufen lasse.

Sie sind in der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) organisiert. Werden Sie von ihr unterstützt?

2017 hatte ich die Basisgewerkschaft FAU angeschrieben, weil man mich damals wegen angeblichen Boykottaufrufs und Ehrverletzung fristlos kündigen wollte. Leider habe ich keine Reaktion auf meine Mail erhalten. Ich hatte damals zur Besetzung der Filialen im Streikfall aufgerufen, da man gegen uns die noch schlechter bezahlten polnischen Kolleginnen und Kollegen als Streikbrecher ­einsetzen wollte. Die polnischen Gewerkschafter waren jedoch solidarisch mit uns. Die NGG vertritt uns, wir haben auch einen sehr freundschaftlichen Kontakt, aber ich fühlte mich bei allen Tarifverhandlungen verschaukelt und sehe wenig dauerhafte Existenzchancen für Gewerkschaften, die immer nur den Spatz in der Hand nehmen, statt endlich für die Taube zu kämpfen. Für einen Lohn unter der Armutsgrenze sorgt schon die Bundesregierung mit ihrem am Profit der Wirtschaft orientierten Mindestlohn. Das sollte die Gewerkschaft besser machen.

Einer der Gründe, aus denen Sie gekündigt werden sollten, ­lautete »Siezen der Vorgesetzten«. Ist es schwerer, sich in einem Betrieb gewerkschaftlich zu organisieren, in dem das »Du« praktisch vorgeschrieben ist?

Ja, man ist schneller bei einer kumpelhaften Art. Zumindest erhofft sich das der Arbeitgeber. Man schlägt einem Kumpel ungern eine Bitte ab, und so disziplinieren sich viele selbst und vergessen oder ignorieren die Rechte der Kolleginnen und Kollegen, die sie vertreten sollen. Mir ist das erst so richtig bewusst geworden, als ich im November 2018 beim Einreichen einer Strafanzeige wegen Nötigung und Behinderung der Betriebsratsarbeit von der Polizei gefragt wurde, weshalb ich in der Arbeitsanweisung geduzt werde.

Haben Gewerkschaftler bei Starbucks auch in anderen Städten Probleme?

Ja, der ehemalige Betriebsratsvorsitzende im Saarland hat ebenfalls Hausverbot erhalten. In Düsseldorf hat man den vorherigen Betriebsrat vor Gericht durch Anfechtung der Wahl abgesetzt und die Neuwahl intensiv begleitet, bis ein arbeitgeberfreundlicher Betriebsrat im Amt war. In Stuttgart wurden die Betriebsratsstrukturen nach der Anfechtung einer Wahl ebenfalls zerschlagen.