Interview mit dem Architekturhistoriker »Richard Němec« über die nationalsozialistische Baupolitik in Osteuropa

»Radikal usurpatorische Expansionspolitik«

Der Architekturhistoriker »Richard Němec« hat die Rolle der nationalsozialistischen Baupolitik bei der sogenannten Germanisierung von Mittel- und Osteuropa zwischen 1938 und 1945 untersucht. Neben der rassistischen Ideologie war die ökonomische Dimension bei der Architekturplanung wesentlich.
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In Ihrer Studie verwenden Sie den Begriff der »Ökonomisierung des Raumes«. Was meinen Sie damit?

Das ist meine Hauptthese. Am Beginn des nationalsozialistischen Wahnsinns stand die Ideologie, um die Massen zu gewinnen und zu bändigen, aber auch wirtschaftliche Interessen spielten eine große Rolle. In steigendem Maß waren neben den ideologischen Interessen vor allem ökonomische Belange Motor für okkupatorisches Handeln in diesem reinen Eroberungskrieg. Mit dem Begriff beschreibe ich daher einen auf wirtschaftlichen Prämissen basierenden Prozess, innerhalb dessen Staat, Institutionen und Gesellschaft Ressourcen frei- und einsetzten, um den gegebenen Planungsraum zu gestalten. In Bezug auf die Architektur hieß das, dass sich für viele auf einmal ungeahnte profitable Möglichkeiten boten.

Welche Namen wären da zu nennen?

An vielen Aufträgen hat neben den reichsweit bekannten Architekten wie Albert Speer, Fritz Höger oder Paul Bonatz unter anderem auch die zweite oder dritte Liga deutscher Planer und Architekten mitgewirkt, die bisher noch wenig in der Forschung exponiert waren. Reinhold Niemeyer in Prag, der Hauptstadt des Protektorats Böhmen und Mähren, oder Walther Bangert im damaligen Reichsgau Sudetenland oder auch Reichsgau Wartheland beispielsweise. Dabei waren bereits die Planungsprozesse von unterschiedlichen Strukturen wirtschaftlicher, organisatorischer, bautechnischer und personeller Art geprägt. Der Blick in die inneren Vorgänge der Reichsämter offenbart zudem gnadenlose Kompetenzstreitigkeiten und ein erbarmungsloses Ringen um die attraktiven Posten. Die wirtschaftlichen Interessen betreffenverfolgten allerdings nicht nur die deutschen Architekten und Planer, sondern zum Teil auch Einheimische vor Ort.

Sie sprechen die Problematik der Kollaboration an?

Die derzeitige Diskussion in Tschechien, Luxemburg, Polen oder der Slowakei über die Frage der Kollaboration in verschiedensten Abstufungen zeigt die Brisanz dieses historischen Erbes. In Bezug auf die Planungen sind nur einige der Beispiele aufzuführen. In Prag, dessen Umgestaltungspläne geheimgehalten wurden und nach dem Krieg realisiert werden sollten, ist festzustellen, dass zwischen 1941 und 1945 nicht nur 14 deutsche, sudetendeutsche und österreichische, sondern auch 35 tschechische Architekten an der Raum- und Landesplanung, am Städtebau und bei Siedlungsfragen beteiligt waren. In Pressburg/Bratislava war der Hauptarchitekt der Hauptstadt der Slowakei, Vladimír Pojtek vom Ministerium für Verkehr und öffentliche Arbeiten, für die Umgestaltungsmaßnahmen zuständig.

»Den Nationalsozialisten ging es darum, einen neuen Raum zu erobern, zu besiedeln und Menschen zu vertreiben und später zu vernichten. Das Deutsche Reich gewann an Bedeutung und verfolgte eine radikal usurpatorische Expansionspolitik, wie es sie bis dahin noch nicht gegeben hatte. Staaten verschwanden, so etwa Polen oder die Tschechoslowakei, und zugleich entstanden neue Staatseinheiten wie der Reichsgau Sudetenland, der Slowakische Staat, das Protektorat Böhmen und Mähren oder das Generalgouvernement und den Reichsgau Wartheland.«

Der polnische Architekt Adolf Szyszko-Bohusz beteiligte sich unter der Ägide der reichsdeutschen Architekten Franz Koettgen und Edgar Horstmann in Krakau maßgeblich an der Umgestaltung der Krakauer Burg. Aber auch der »Mythos der aktiven Auflehnung« (eine Formulierung des Historikers Denis Scuto, der das Schweigen über die Kollaboration kritisierte, Anm. d. Red.) in Luxemburg musste fallen. Dies zeigt, dass diese Problematik sowohl an der Ost- wie Westgrenze des damaligen »Großdeutschen Reiches« festzustellen ist. Gleichzeitig ist die Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten wegen der verschiedenen Handlungsmotivationen und Machtverhältnisse eine sehr komplexe Angelegenheit – und wäre deswegen Thema für eine eigene Publikation. Genauso wie die Karrieren vieler in die Germanisierung Ost- und Mitteleuropas involvierter Architekten und Stadtplaner nach 1945.

Welche Rolle spielten Planer und Architekten bei der Erweiterung des »deutschen Lebensraums« durch das nationalsozialistische Regime?

Für die Nationalsozialisten war der Raum samt Bevölkerung der von ihnen eroberten, annektierten oder besetzten Gebiete eine Verfügungsmasse. Diese menschenverachtende Haltung kam auch in der nationalsozialistischen Bau- und Repräsentationspolitik zum Ausdruck. Den Nationalsozialisten ging es darum, einen neuen Raum zu erobern, zu besiedeln und Menschen zu vertreiben und später zu vernichten. Das Deutsche Reich gewann an Bedeutung und verfolgte eine radikal usurpatorische Expansionspolitik, wie es sie bis dahin noch nicht gegeben hatte. Staaten verschwanden, so etwa Polen oder die Tschechoslowakei, und zugleich entstanden neue Staatseinheiten wie der Reichsgau Sudetenland, der Slowakische Staat, das Protektorat Böhmen und Mähren oder das Generalgouvernement und den Reichsgau Wartheland.

Der Planer nahm dabei als verlängerter Arm des Regimes eine außerordentlich wichtige Rolle ein, er arbeitete daran mit, die Idee eines nationalsozialistischen Europa umzusetzen und den sogenannten »Lebensraum« überhaupt entstehen zu lassen. Erschreckend ist: Je nachdem, welche Wertigkeit die Nationalsozialisten der Nation, dem Volk oder dem einzelnen Menschen zuschrieben, erstreckte sich die Palette vom Wiederaufbau über die Neugestaltung bis hin zur Vernichtung und Neuerrichtung ganzer Städte, und ganz auf dieser Linie wurde auch das entsprechende städtebauliche und architektonische Vorgehen geplant beziehungsweise umgesetzt. Zahlreichen Städten, allen voran Warschau, wurde eine totale Vernichtung nicht nur angedroht, sondern sie wurden tatsächlich bombardiert und dabei weitgehend zerstört.

Wie sind Sie in ihrer Studie vorgegangen?

Ich habe die Rolle des Städtebaues, der Architektur, der Raum- und der Landesplanung im Rahmen der umfassenden Germanisierungsbestrebungen in den Gebieten östlich des sogenannten Altreichs in den Blick genommen. Diese Gebiete sollten mittels Umgestaltungs-, Siedlungs-, Kolonisierungs- und Vertreibungsmaßnahmen »germanisiert« werden, wobei anzumerken ist, dass dieser Kampfbegriff als reinste Propaganda des nationalsozialistischen Regimes immer entsprechend kontextualisiert werden muss. Methodisch bisweilen sehr progressive Architekten entwickelten in diesem Zusammenhang ganze städtebauliche Programme, die ebenso wie einzelne Architekturprojekte teils auch umgesetzt wurden. Zahlreiche Maßnahmen im damaligen Protektorat Böhmen und Mähren, aber auch in der faschistisch gewordenen Slowakei oder schließlich im Generalgouvernement und im Reichsgau Wartheland blieben lediglich in Planung, da sie aufgrund des Kriegsverlaufes nicht realisiert werden konnten. Mir ging es darum, diese Strategien, die von den Reichsbehörden, aber auch von den kommunalen Verwaltungen mitbestimmt wurden, in ihrer Wechselseitigkeit zu interpretieren.

In ihrer Studie haben Sie sich auf einige exemplarisch ausgewählte Städte in Mittel- und Osteuropa beschränkt. Welche Orte waren das?

Genauer angesehen habe ich mir die Zentralorte der annektierten oder okkupierten Territorien wie zum Beispiel das damals zweisprachige Reichenberg, heute Liberec, in Tschechien. Nachdem die Stadt in Folge des Münchner Abkommens von 1938 von den Deutschen, so wie sie es nannten, »heim ins Reich« geholt wurde, konnte sie als Gauhauptstadt des Reichsgaus Sudetenland und Sitz des Reichsstatthalters Konrad Henlein fungieren. Städtebaulich war Liberec stark von der Zeit als Teil der k.u.k.- Monarchie sowie der 1918 entstandenen demokratischen Tschechoslowakei geprägt. Für die Nationalsozialisten stellten Reichenberg dann den Prototyp einer Neugestaltungshauptstadt dar, der eine nationalsozialistische Identität verliehen werden sollte.

Worin zeigte sich dieser nationalsozialistische Stil?

Beispielsweise durch repräsentative Bauten, wie etwa das Gautheater in der Innenstadt, die Eingemeindung der umliegenden Orte oder die Planung eines Teiles der Reichsautobahn, die zu einer Ost-West-Verbindung gehörte, die bis nach Bamberg als Teil eines umfassenden Autobahnnetzes reichen sollte; ein Plan, der nach dem Krieg aufgegriffen und umgesetzt wurde. Dies diente dazu, Groß-Reichenberg raumplanerisch wie städtebaulich zu positionieren. Insgesamt verliefen die Planungen für die Umgestaltung von Reichenberg allerdings keineswegs reibungslos und einheitlich, so dass auch hier nicht von einem monolithischen nationalsozialistischen Städtebau gesprochen werden kann.

Mit Karlsbad haben Sie sich auch einen scheinbar unpolitischen Kurort im nationalsozialistischen Reichsgau Sudetenland angesehen. Was haben Sie herausgefunden?

Unter den Nationalsozialisten wurde Karlsbad zur Regierungspräsidentenstadt erklärt. 1939/40 wurde ein Wettbewerb zu Neugestaltung Karlsbads ausgeschrieben. Bereits zuvor wurde die Stadt in der programmatischen Fachzeitschrift Raumordnung und Raumforschung zusammen mit Marienbad und Teplitz als eines der künftigen Weltbäder des Großdeutschen Reiches hervorgehoben. Andere Fachzeitschriften berichteten ähnlich, weshalb von einer breiten Rezeption zumindest in Fachkreisen auszugehen ist. Bei der Umgestaltung von Karlsbad handelte es sich um eine bis dahin unbekannte, hochdotierte und politisch profilierte Bauaufgabe. Das Ziel war es, die Hauptquelle, den sogenannten Sprudel, auch Springer genannt, zu gestalten. Der Sprudel befindet sich zwischen der Maria-Magdalena-Kirche von Kilian Ignaz Dientzenhofer und der Burg aus der Zeit Karls IV., und genau zwischen diesen beiden städtebaulichen Dominanten sollte das künftige Projekt angemessen eingebettet werden.

Am 1. Oktober 1938 wurde Karlsbad nach dem Münchner Abkommen annektiert und dem »Dritten Reich« zugeschlagen

Bild:
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Hans Mehrtens, der Gewinner des Wettbewerbs, orientierte sich bei seinem Entwurf am Elisenbrunnen in Aachen von Karl Friedrich Schinkel und Johann Peter Cremer und bewies damit – wie die Jury – eine Sehnsucht nach Traditionen. Gleichzeitig stand in Karlsbad auch im Vordergrund, dem traditionsreichen Ort, der als wesentlich vom gesellschaftlichen Aufstieg eines vor allem jüdischen, kosmopolitischen Großbürgertums geprägt galt, eine neue, mit den nationalsozialistischen Ideen kompatible Identität zu verleihen. Diese Intention ist der Architektur allerdings nicht explizit eingeschrieben. Kriegsbedingt wurden die Pläne für Karlsbad größtenteils ad acta gelegt. Von den umfassenden, reichsweit angekündigten Umbaumaßnahmen wurde lediglich der Abbruch der Gusseisenhalle und der Aufbau eines Sprudelprovisoriums realisiert. Das Provisorium wurde 1946 durch eine Kuppel ergänzt, Mitte der sechziger Jahre jedoch durch einen Bau des Prager Architekturbüro Beta abgelöst, der heute noch das Wahrzeichen der Kurstadt darstellt.

Sie haben dem slowakischen Bratislava ebenfalls ein eigenes Kapitel gewidmet. Warum ist Pressburg, wie die Stadt früher hieß, für Ihre Forschung interessant?

Der im März 1939 unter der Slowakischen Volkspartei Hlinkas (HSL’S) gegründete Slowakische Staat war als Satellitenstaat Verbündeter Deutschlands und orientierte sich politisch in vielerlei Hinsicht am faschistischen Italien und auch am deutschen Nationalsozialismus. In Pressburg kam es ebenfalls zu intensiven Umgestaltungsmaßnahmen. Sie sollten dem neuen Sitz der slowakischen Souveränität eine neue Identität verleihen, die etwa in Form von staatstragenden Bauten zum Ausdruck kommt. Sofort wurde in Pressburg mit der Planung eines Regierungsviertels und eines Universitätscampus begonnen, durchaus orientiert an italienischen Planungen und unter Beteiligung italienischer Architekten wie Ernesto La Ppadula und Attilio La Ppadula oder Adalberto Libera aus Rom. Die rege Planungs- und Bautätigkeit in Pressburg war auch den Nationalsozialisten aufgefallen. Dem Generalbauinspektor Albert Speer wurde nachweislich von eigenen Mitarbeitern davon berichtet, und auch deutsche Fachzeitschriften widmeten sich den Entwicklungen und Projekten in der Slowakei.

Ab 1942 war Albert Speer nicht nur Generalbauinspektor, sondern auch Rüstungsminister und in dieser Funktion mitverantwortlich für die Beschäftigung von sieben Millionen Zwangsarbeitern, darunter etwa 450 000 KZ-Häftlingen. Zudem nahm Speer Einfluss auf den Betrieb und den Ausbau von Konzentrationslagern. Welche Rolle spielte Speer bei der von Ihnen untersuchten Bau- und Repräsentationspolitik in Mittel- und Osteuropa?

Nachdem Speer schon 1934/35 monumentale Bauten etwa für die Reichsparteitage der NSDAP in Nürnberg entworfen hatte, die für Aufsehen wie seinen Aufstieg sorgten, wurde er 1937 zum Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Berlin ernannt. Seitdem war Speer nicht mehr zu stoppen, über seinen Tisch mussten alle Entwürfe für Großprojekte gehen. In seiner Funktion als Generalbauinspektor war Speer auch für die Bauvorhaben in den annektierten und okkupierten Territorien zuständig. Er legte Hand an bei den Planungen in Österreich, in Norwegen, aber auch im Elsass, in Ostpreußen oder in den polnischen und tschechischen Territorien. Das betraf Städte wie das berühmte Memel, Danzig, Aussig, Reichenberg, Troppau, wobei Prag eine große Bedeutung zukommt. Entsprechend hat sich sein Mitarbeiterstab, bestehend aus Planern, Architekten, Technikern, Zeichnern und Büroangestellten, immens vergrößert. Die bebauten Objekte sowie zahlreiche Materialien, die sich im Bundesarchiv und örtlichen Bauregistraturen befinden, belegen die eifrige Tätigkeit.
Anfang 1941 hat Speer Adolf Hitler allerdings gebeten, ihn von allen Funktionen abseits seiner Rolle für Berlin und die sogenannten Führerstädte zu entbinden – weil er, wie es in der sogenannten GBI-Chronik (Berichte über die Arbeit Speers, verfasst von seinem engen Mitarbeiter Rudolf Wolters, Anm. d. Red.) formuliert wird, mit seiner Aufgabe in Berlin künstlerisch verausgabt war. Nur so könne er sich ausschließlich seinem »eigentlichen Lebenswerk«, der Errichtung der Reichshauptstadt und Nürnberger Bauten, widmen. Freilich hatte sich Speer das Privileg vorbehalten, die von ihm ausgewählten Projekte auch weiterhin zu betreuen, wie seine Geburtsstadt Heidelberg oder eben auch Prag. Die Kommunen wurden entsprechend informiert. Die Verantwortung für die Gestaltung der Städte in den annektierten und okkupierten Gebieten lag anschließend bei der Gauleitung und den Bürgermeistern, was lokale Eigendynamiken verstärkte.

Erst in den Achtzigern setzte die Aufarbeitung der Rolle von Speer im »Dritten Reich« ein. Wie bewerten Sie sein Wirken?

Generell muss das Bild eines apolitischen Architekten korrigiert werden. Speer ist da bezeichnend. Von den Zeitgenossen verherrlicht, wurde er zur internationalen, medial-öffentlichen Kunstfigur. Er wurde als der apolitische Technokrat gefeiert, als der er sich selbst immer wieder ­bezeichnet hatte. Doch das war er nicht, ein Beispiel aus Prag belegt dies. Am 4. Dezember 1941 besuchte Speer die Hauptstadt des Protektorats Böhmen und Mähren, um sich einen ersten Überblick über die städtebauliche Situation Prags zu verschaffen und die dort geplanten Maßnahmen zu bewerten, die ihm Reinhard Heydrich, der stellvertretender Reichsprotektor, auf der Prager Burg präsentierte.

»Generell muss das Bild eines apolitischen Architekten korrigiert werden. Speer ist da bezeichnend. Von den Zeitgenossen verherrlicht, wurde er zur internationalen, medial-öffentlichen Kunstfigur. Er wurde als der apolitische Technokrat gefeiert, als der er sich selbst immer wieder bezeichnet hatte. Doch das war er nicht, ein Beispiel aus Prag belegt dies.«

Heydrich ergriff die Gelegenheit, über eine radikale städtebauliche Konzeption für die Moldau-Stadt zu referieren, die in vielem an die Planungen in Deutschland angelehnt war, aber auch den Ideen der von Himmler verbreiteten Raum- und Generalsiedlungspläne und dessen wachsendem Einfluss im Protektorat entsprach. Dass Hitler über die Neugestaltung von Prag informiert war, die bereits unter Konstantin von Neurath, dem Protektor, erfolgte, wird anhand mehrerer Dokumente sichtbar. Dabei versprach Speer seine Hilfe bei der Durchsetzung der Planungen für das »neue Deutsche Prag«, er werde durch seinen Rat und durch eine zeitweilige »Zurverfügungstellung seiner schöpferischen baulichen Kräfte« – damit waren Speers Berliner Architekten gemeint – behilflich sein.

Im Nationalarchiv Prag gibt es ein Protokoll, das eine konkrete Anweisung Speers wiedergibt. Thematisiert werden darin das Hotel, die Uferstraße an der Moldau, die Autobahnbrücken, die Erholungsflächen für die Bevölkerung, der Bau öffentlicher Gebäude des Reichs und die Lage des neuen deutschen Zentrums samt HJ-Zentrale auf dem Letná-Hügel. Auch weitere Baumaßnahmen wie das Parteiforum auf dem Laurenziberg, die Nord-Süd-Achsen mit den monumentalen Verwaltungsbauten sowie eine Reihe von Siedlungsprojekten sind gut dokumentiert. Speers Aufenthalt hatte jedoch auch einen wirtschaftlichen Aspekt, der zugleich den wahren Grund seiner Beteiligung verdeutlicht: Der Generalbauinspektor schloss mit Heydrich einen nicht näher erläuterten »Teufelspakt« und verlangte im gleichen Zusammenhang außerdem, ihm nicht nur umgehend 15 000 tschechische Arbeiter zukommen zu lassen, sondern für die Bearbeitung der Berliner Aufgaben – genauer gesagt für den Aufbau der Reichshauptstadt Berlin nach Kriegsende – auch noch die Zusage einer jährlichen Wiederholung dieser Bereitstellung junger arbeitsfähiger Tschechen, die über einen längeren Zeitraum zur Arbeit (zwangs-)verpflichtet werden sollten. In Prag hatte diese Ankündigung, die tatsächlich umgesetzt wurde, für Panik gesorgt, ohne dass jemand wusste, dass dies auf eine Forderung Speers – also eines Architekten – zurückging. Speers aktiver Anteil an dem mörderischen und brutalen Regime bestätigt sich damit, sein Anteil an der Gestaltung der Architektur wird politisch, die menschenverachtende und auf Ausbeutung gerichtete Einstellung deutlich.

Speer hatte zudem die Kriegsmaschinerie maßgeblich aufgebaut und ab Februar 1942 als Rüstungsminister so lange wie möglich am Laufen gehalten. Immerhin rechnete man im Allgemeinen damit, dass der Krieg 1941 gewonnen und beendet sein würde. Die beschlossenen raumplanerischen, infrastrukturellen, aber auch städtebaulichen und architektonischen Maßnahmen, die die breite Palette der ideologisierten und von den nationalsozialistischen Machthabern eingesetzten Okkupationstechniken ergänzten, sind als eine Art Kulturimperialismus und zugleich als Ausweis von dessen Ökonomisierung zu deuten.

Richard Němec: Die Ökonomisierung des Raums. Planen und Bauen in Mittel- und Osteuropa unter den Nationalsozialisten 1938 bis 1945. Dom Publishers, Berlin 2020,498 Seiten, 98 Euro