Die österreichischen »Rückkehrberatungszentren« für abgelehnte Asylbewerber sollen verstaatlicht werden

Die Rückkehrbereitschaft optimieren

Die sogenannten Rückkehrberatungszentren für abgelehnte Asyl­bewerber in Österreich werden bereits seit einiger Zeit kritisiert. Die geplante Verstaatlichung der Asylberatung in einer neuen Agentur dürfte kaum Verbesserungen für die Betroffenen bringen.

Beinahe im Nirgendwo, auf einer Lichtung im Wald auf 1 250 Metern Höhe, befindet sich die sogenannte Rückkehrberatungseinrichtung am Bürglkopf in der Tiroler Gemeinde Fieberbrunn. Dort sind Menschen untergebracht, die negative Asylbescheide ­erhalten haben, jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht einfach abgeschoben werden können – etwa weil es kein Rückführungsabkommen mit ­ihrem Herkunftsland gibt. Sowohl das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als auch der Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) haben in der Einrichtung ein Büro. Die am Bürglkopf untergebrachten Personen können sich dort beraten lassen.

Die Initiative »Bürglkopf schließen« bezeichnet die Rückkehrberatungs­einrichtungen als »Abschiebezentren, in denen haftähnliche Zustände herrschen«.

Die Einrichtung liegt nicht zufällig so abgelegen. Erst als 17 der dort Untergebrachten im Juni 2019 in den Hungerstreik traten, um gegen die mise­rablen Lebensbedingungen zu protestieren, erhielt sie größere Aufmerksamkeit. Der damalige österreichische Innenminister Wolfgang Peschorn bat das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) daraufhin, die Einrichtung in Fieberbrunn und eine weitere in Schwechat bei Wien zu überprüfen. Das UNHCR formulierte Empfehlungen. So sollten vor allem Kinder und Familien nicht länger in Fieberbrunn oder Schwechat unter­gebracht werden, da sie in besonderem Maße von den schlechten Bedingungen betroffen seien. Einige Vorschläge verwirklichte das Bundesministerium für Inneres (BMI). Familien wurden in einem anderen Flüchtlingszentrum in Oberösterreich untergebracht.

Die Einrichtung in Fieberbrunn war 2017 unter dem damaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) für bis zu 100 abgelehnte Asylsuchende eingerichtet worden. Der offizielle Zweck der Zentren in Schwechat und Fieberbrunn ist es unter anderem, für die »Optimierung und Steigerung der Bereitschaft zu einer eventuell freiwilligen Ausreise« zu sorgen. Die Unterbringung komme »nur bei einer bereits rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und nach ungenutztem Verstreichen der Frist zur freiwilligen Ausreise in Frage«, heißt es in einer Mitteilung des BMI. Mit der »Rückkehrentscheidung« ist die Anordnung der zuständigen Behörde zur Abschiebung gemeint. Die Initiative »Bürglkopf schließen« bezeichnet die Rückkehrberatungseinrichtungen als »Abschiebezentren, in denen haftähnliche Zustände herrschen«.

Derzeit warten am Bürglkopf viele Personen auf die Abschiebung, die sich seit bald fünf Jahren in Österreich aufhalten. Nicola Gschnitzer von »Bürglkopf schließen« sagt im Gespräch mit der Jungle World, dies könne daran liegen, dass 2015 viele Flüchtlinge ins Land gekommen seien. Sie schließt ­jedoch auch nicht aus, dass mehr dahintersteckt. »Es ist durchaus denkbar, dass das BFA beziehungsweise das BMI die Beantragung des sogenannten humanitären Bleiberechts unterbinden wollen, welche nach fünf Jahren Aufenthalt in Österreich möglich ist.«

Die Flüchtlinge dürfen die Unterkunft zwar zwischen sechs und 22 Uhr verlassen, doch der Fußmarsch ins Dorf dauert ungefähr zwei Stunden. Nächtliches Fernbleiben wird mit einer Geldstrafe sanktioniert, die jedoch mangels Geld in der Regel als mehrtägige Haftstrafe abgesessen werden muss. Der Alltag besteht außer aus Schlafen und Essen vor allem aus Warten. Das ist für die meisten zermürbend, viele berichten von erheblichen Gesundheitsproblemen wie Schlafstörungen und Depressionen. Ein Insasse sagt, sein Dasein sei auf das eines Tiers reduziert. »Ich habe bis jetzt nicht verstanden, warum ich hier bin«, sagt ein anderer. »Das Lager ist für Abschiebungen, aber ich bin seit acht Monaten hier und habe keine Abschiebung gesehen.«

Die Rückkehrberatung leisten in Österreich die Caritas und der VMÖ. Letzterer wurde 2002 unter der ersten Koalition zwischen der ÖVP und der FPÖ gegründet. Lange Zeit wurde keine Rechtsberatung, sondern lediglich eine Rückkehrberatung für die Abzuschiebenden angeboten. Diese war nicht unabhängig, sondern unterlag dem staatlichen Interesse, die Ausreise­bereitschaft zu erhöhen. In jüngster Zeit berichteten die in den Zentren Untergebrachten vermehrt, in der Beratung seien ihnen drei Möglichkeiten aufgezeigt worden: untertauchen, ­heiraten oder ausreisen.

Tatsächlich verschwinden einige einfach aus den Zentren. Manche reisen weiter in ein anderes EU-Land. Andere tauchen unter und fallen so völlig aus der staatlichen Versorgung und Betreuung, manche von ihnen gleiten von der Illegalität in die Kriminalität. Das ist auch ein Argument der Rückkehrberater und -befürworter: Da einige Asylsuchende in der Kriminalität landeten und die Gefängnisse überlastet seien, sei es besser, sie reisten frei­willig aus.

Der VMÖ rühmt sich mit steigenden Rückkehrerzahlen. Seit seiner Gründung kritisieren ihn andere Trägervereine der Asylberatung für seine Nähe zum Staat. Der Obmann von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt, etwa sieht in dem Verein eine »abhängige Dienstleistungsagentur, keine NGO«. Die Aufgaben des VMÖ umfassen ausschließlich Aufträge des BMI: Zu seinem Kerngeschäft gehören Rückkehrberatung, Abschiebehaftbetreuung und das »Monitoring aufenthalts­beendender Maßnahmen durch unabhängige Menschenrechtsbeobachter«.

Der Verein wird zu 95 Prozent vom österreichischen Staat und von der EU finanziert. Er äußert sich nicht kritisch über die Regierung. Im Gegenzug für die Loyalität kann der VMÖ finanziell aus dem Vollen schöpfen. So stiegen die Fördergelder kontinuierlich, während kritischeren Organisationen Zuwendungen gestrichen wurden.

Es gibt keine einsehbaren Tätigkeitsberichte des VMÖ. Auf Öffentlichkeitsarbeit verzichtet der Verein seinem Obmann und Gründer Günter Ecker zufolge gänzlich. Die Verbindung Eckers zum BMI ist sehr gut, er selbst brüstet sich damit und macht aus der dubiosen Rolle des VMÖ keinen Hehl. In einem Interview 2011 bezeichnete er öffentliche Kritik an Exekutivorganen als »Selbstdarstellung«, auf die sein Verein nicht angewiesen sei.

In einem Bericht des Hohen Kommissariats der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) von 2018 räumte ein Vertreter des Vereins sogar ein, es sei gar nicht das Ziel, Migranten zu vertreten, sondern die Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten. Das Kommissariat hatte in diesem Bericht kri­tisiert, der österreichische Staat verhindere unabhängige, menschenrechtsorientierte Kontrollen im Asyl- und Abschiebesystem. Angesichts der Zustände hatte der bekannte Wiener Menschenrechtsanwalt Wilfried Embacher schon vor Jahren gesagt, der VMÖ mache »die Drecksarbeit des Innenministeriums«.

Doch die Rechtslage soll sich im kommenden Jahr ändern. Ab dem 1. Januar 2021 soll die gesamte Asylberatung in eine neue, eigens dafür eingerichtete »Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen« (BBU) übergehen – so der von Kickl ­ersonnene Plan. Der VMÖ soll in dieser neuen Agentur vollständig aufgehen. Günter Ecker soll den Bereich Rückkehrberatung, Menschenrechtsbeobachtung, Übersetzung und Dolmetschen leiten.

Verschiedene NGOs haben mit der Kampagne #fairlassen immerhin ­erreicht, dass die neue Behörde weisungsfrei bleibt, also ein Mindestmaß an Unabhängigkeit der Beratungen ­gewährleistet sein könnte – so zumindest die Hoffnung. Jedoch ist nicht ­anzunehmen, dass eine Verstaatlichung der Beratung zu mehr Transparenz und Kontrolle führen wird. Die BBU ist eine GmbH des Bundesinnenministe­riums, bei dem auch das BFA angesiedelt ist, also die Behörde, die über Asylanträge entscheidet. Lukas Gahleitner-Gertz von der »Asylkoordination« in Wien befürchtet, dass es zu Interessenkonflikten zischen dem BFA und der BBU kommen könnte. »Dass die Menschenrechtsbeobachtung von einer staatlichen Agentur wahrgenommen wird, ist eines angeblichen Vorreiters im Menschenrechtsschutz, wie es als Zielvorgabe im aktuellen Regierungsprogramm steht, unwürdig«, sagt er im Gespräch mit der Jungle World.