Small Talk: die Verdi-Kampagne »Für die gute Sache! Aber zu welchem Preis?«

»Die Angst ist groß bei den Beschäftigten«

Die seit April 2019 laufende Verdi-Kampagne »Für die gute Sache! Aber zu welchem Preis?« setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen im Bereich der Bildungs- und Beratungsarbeit im Land Berlin ein. Derzeit unterstützt die Kampagne vor dem Berliner Arbeitsgericht die Klage einer Kollegin, die zuvor bei dem Unternehmen Goldnetz gGmbH angestellt war. Die Jungle World sprach mit Melanie Schmitz von der Kampagne.

Sie waren selbst bei einem Bildungsträger beschäftigt. Warum haben Sie aufgehört?

Ich war bei der Gesellschaft für Qualitäts- und Dienstleistungsmanagement (DQG mbH) tätig – einem der wenigen Bildungsunternehmen, die überhaupt einen Betriebsrat besaßen. Am 9. November 2020 haben wir erfahren, dass alle drei unserer Bildungsberatungsprojekte nicht mehr finanziert werden sollen. Deshalb wurden 28 der 70 Beschäftigten nicht mehr weiterbeschäftigt. Auch zwei der fünf Betriebsräte mussten gehen.

Wie reagierten die Kolleginnen und Kollegen?

Zunächst überlegte die Geschäftsführung, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Als die Senatsverwaltung aber mitteilte, dass sich die DQG doch noch für ein Beratungsprojekt bewerben dürfe, wollte man die Senatsverwaltung nicht verärgern und hielt die Füße still, um sich vor der Insolvenz zu retten.

Das Amt der Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales hat Elke Breitenbach (»Die Linke«) inne. Unterstützt sie die gewerkschaftlichen Aktivitäten der Bildungsarbeiter?

Das wäre wünschenswert. Doch tatsächlich wurde uns von der Senatsverwaltung immer wieder signalisiert, dass unsere Aktivitäten im Rahmen unserer Kampagne nicht erwünscht seien. Uns ging es um einen Branchentarifvertrag und bessere Arbeitsbe­dingungen in der Bildungsbranche insgesamt. Unsere Projekte und damit auch unsere Arbeitsverträge waren in der Regel für ein Jahr befristet. Eine Verstetigung der Projekte wurde leider nie angestrebt, sie bestanden seit 13 beziehungsweise 17 Jahren ­unter diesen Bedingungen. Diese Bedingungen galten teilweise auch für die Beschäftigten senatseigener Einrichtungen. Die Senatsverwaltung stellte sich immer auf den Standpunkt, für dauerhafte Projekte sei kein Geld da.

Stand die Einstellung der Projekte der DQG in Verbindung mit der gewerkschaftlichen Organisierung?

Das lässt sich nicht nachweisen. Bei der DQG wurde die gewerkschaftliche Organisierung von der Geschäftsführung zumindest nicht behindert. Die hatte auch das Interesse, dass wir besser bezahlt werden, weil sie hoffte, dass so die Fluktuation der Beschäftigten geringer wird. Bei uns waren mehr als 30 Prozent der Beschäftigten Verdi-Mitglieder. Zusammen wollten wir einen Tarifvertrag erkämpfen, dazu ist es wegen der Entlassungen nicht mehr gekommen.

Warum ist es so schwer, sich im Bildungsbereich gewerkschaftlich zu organisieren?

Die Angst ist groß bei den Beschäftigten. Ein Grund liegt in den Befristungen der Arbeitsverhältnisse. Es ist schwer, Beschäftigte zum Kampf für bessere Arbeitsbedingungen zu motivieren, wenn die Gefahr besteht, dass sie ihren Job verlieren. In einigen Betrieben wurde die von Verdi gesetzte Beteiligungsquote von mindestens 30 Prozent Verdi-Mitgliedern nicht erreicht. Dass bei der Goldnetz gGmbH drei Kolle­gin­nen, die sich in unserer Kampagne engagiert haben, ihren Job verloren haben, hat die Verunsicherung verstärkt.