25.03.2021
Die rechtsextreme Kampfsportszene versucht sich am Streaming ihrer Veranstaltungen

Neue Geschäftsmodelle

Wegen der Coronamaßnahmen fielen auch Kampfsportveranstaltungen der extremen Rechten aus. Veranstaltungen über Streaming sind für die Szene dennoch lukrativ.

Ein atmungsaktiver Windbreaker oder ein Shirt, dessen Aufschrift »Disziplin ist alles!« wie eine Selbstermahnung klingt: Mehr als die Bewerbung von Merchandiseklamotten geht gerade nicht auf der Facebook-Seite von »Kampf der Nibelungen«, der größten Kampfsportveranstaltung der rechts­extremen Szene in Deutschland. 2018 zog sie etwa 700 Zuschauer aus ganz Europa sowie Russland ins sächsische Ostritz. Die Covid-19-Pandemie hat der rechtsextremen Kampfsportszene zwar einen schweren Schlag versetzt, k. o. ist sie dadurch aber nicht.

Die fehlenden Einnahmen bedeuten einen Rückschlag für die Organi­satoren, doch könnte dieser für eine rasante Entwicklung im Bereich des Online-Marketings und der damit verbundenen Erlösmodelle sorgen.

Die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben es erschwert, derartige Kämpfe abzuhalten. Eine im Juni vorigen Jahres von dem französischen Neonazi und Kampfsportler Tomasz Szkatulski geplante Veranstaltung in der Schweiz, an der nach Einschätzung der antifaschistischen Kampagne »Runter von der Matte« rund 300 Neonazis aus dem In- und Ausland teilnehmen wollten, musste auf den Sommer 2021 verschoben werden. Auch eine weitere Auflage des 2018 erstmals in der sächsischen Erzgebirgsstadt Grünhain-Beierfeld veranstalteten Turniers »Tiwaz – Kampf der freien Männer« fiel aus.
Der seit 2013 jährlich stattfindende »Kampf der Nibelungen«, der 2019 aufgrund einer Verbotsverfügung der Stadt Ostritz ausfiel, sollte im vergan­genen Herbst nachgeholt werden. Juristische Probleme und die Infektionsschutzbestimmungen erschwerten jedoch den Organisatoren um den Dortmunder Neonazi Alexander Deptolla die Vorbereitung, so dass sie sich entschieden, die Ersatzveranstaltung per Livestream zu übertragen. Diese sollte Ende September in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) auf dem Gelände des rechtsextremen Motorradclubs »Division 39« stattfinden. Allerdings wurde das Treffen »aufgrund von präventiver Gefahrenabwehr« von der Polizei auf­gelöst, wie die Recherchegruppe Exif berichtete.

Ein weiterer Übertragungsversuch gelang schließlich Mitte Oktober: »Runter von der Matte« zufolge fanden die Kämpfe in einer »selbstgebauten Ringkonstruktion in den Räumlichkeiten der ›Sportgemeinschaft Barbaria‹ im thüringischen Schmölln sowie in einem heruntergekommenen Keller in einem Gewerbegebiet in Brandenburg« statt. Die Qualität des zweistün­digen, auf der Videoplattform Vimeo hochgeladenen Streams ließ jedoch zu wünschen übrig, weil zwischen die live übertragenen Kämpfe auf dilettantische Weise unter anderem Aufnahmen früherer Kämpfe geschnitten wurden.

Das Vorgehen der staatlichen Behörden machten den Organisatoren offenbar zu schaffen. »Was der Staat dieses Jahr an Repression aufgefahren hat, war auf jeden Fall eine neue Nummer«, sagte Deptolla in einem weiteren in den Stream eingebundenen Video. Kämpfer aus dem Ausland seien abgeschoben worden, Landkreise hätten Veranstaltungsverbote ausgesprochen und man habe »zu guter Letzt noch ­einen Peilsender an einem Auto eines Mitwirkenden gefunden«. Deshalb verkündete Deptolla am Ende des Videos, dessen Wortlaut Exif veröffentlicht hat: »Es wird erst mal keine Veranstaltung von uns geben« – zumindest bis alle juristischen Fragen geklärt seien.

Die fehlenden Einnahmen bedeuten einen Rückschlag für die Organisatoren, doch könnte dieser für eine rasante Entwicklung im Bereich des Online-Marketings und der damit verbundenen Erlösmodelle sorgen. Die derzeitigen Versuche der deutschen rechtsextremen Kampfsportszene, die Kämpfe als Live­streams anzubieten – zumal als bezahlpflichtige –, sind jedoch noch unausgereift.

Es gibt aber auch Vorteile. So sind ­online publizierte Kämpfe nicht nur leichter zugänglich, da die Zuschauer sie bequem von zu Hause aus schauen können, auch die Anonymität wird besser geschützt als beim Besuch der Veranstaltungen an Ort und Stelle. Mussten die Zuschauer bisher damit rechnen, auf der An- und Abreise von der Presse oder von Antifaschisten beobachtet zu werden, können sie die Veranstaltungen nun unerkannt streamen. Kamen bisher zum »Kampf der Nibelungen« einige Hundert Zuschauer, könnten in Zukunft Tausende dabei sein. Allein der Instagram-Account von »Kampf der Nibelungen« zählt derzeit mehr als 7 000 Follower. Die Vermarktung von Textilien ist ein lukratives Geschäft für die rechtsextreme Szene. Immer wieder entstehen in diesem Kontext neue Marken. Eine davon ist das Label Resistend. Erstmals tauchte es als Sponsor 2019 beim »Kampf der Nibelungen« auf, wie »Runter von der Matte« berichtete. Im Unterschied zu anderen rechtsextremen Kleidungsmarken versucht das Label, mit schlichtem Design und Funktionalität zu punkten. Die Zielgruppe sind »ausschließlich Sportlerinnen und Sportler«, wie der Inhaber Michael Ruchhöft in einem auf der Website von Resistend veröffentlichten Interview mit dem rechtsextremen Blogger und Gitarristen Frank Kraemer sagt. Die Aufmachung der Kleidung sei darauf ausgelegt, als »Alternative zu den herkömmlichen Mainstream-Sportmarken« zu dienen. Wer »deren Weltbild und Botschaften« nicht mehr mit dem Kauf ihrer Produkte unterstützen wolle – Ruchhöft nennt beispielhaft die Solidarisierung großer Marken mit der »Black Lives Matter«- oder der LGBTQ-Bewegung –, der sei bei Resistend richtig. Die Klamotten der in der ungarischen Hauptstadt Budapest angemeldeten GmbH werden im Chemnitzer Ladengeschäft des Vertriebsunternehmens und gleichnamigen Rechtsrocklabels PC-Records verkauft.

Die Marke gibt an, »drei junge Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus den Bereichen Kampf- und Kraftsport«, die namentlich unerwähnt bleiben, als Sponsor zu fördern. Die Sponsorings dienen wie bei vielen rechtsextremen Bekleidungsmarken vor allem in den sozialen Medien als öffentlichkeitswirksame Empfehlung. Den Verkauf von Textilwaren hatte in der Szene zuerst die Marke White Rex mit der Vermarktung von Kampfsportveranstaltungen verbunden. Der einflussreiche rechtsextreme Hooligan und Kampf­sportler Denis Kapustin, der sich Denis Nikitin nennt, hatte sie 2008 gegründet. Er organisierte rechtsextreme Kampfsportveranstaltungen in mehreren europäischen Ländern und pflegt Kontakte in die deutsche Naziszene, zum Beispiel zu Thorsten Heise, einem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD und zentralen Akteur der militanten Neonaziszene in Thüringen, und zu Tommy Frenck, dem ehemaligen NPD-Funktionär und Konzertveranstalter.

White Rex diente jahrelang als Vorbild für viele kommerzielle Unternehmungen aus der Mode- und Kampfsportszene. In den vergangenen Jahren wurde es etwas ruhiger um Kapustin. Wie der Rechercheverbund von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung im August 2019 berichtete, erwirkten nordrhein-west­fälische Behörden ein Einreiseverbot gegen den in Köln aufgewachsenen russischen Staatsbürger, nachdem er nach einem Umzug ins Ausland seinen deutschen Aufenthaltstitel verloren hatte. Seit einigen Monaten versucht Kapustin jedoch, die Marke White Rex wiederzubeleben.

Doch die Konkurrenz ist groß. Unter rechten Hooligans beliebte Marken wie Label 23, Pro Violence oder Sport Frei haben sich den Markt hierzulande aufgeteilt. Aber auch diese Marken stehen unter Druck, seit die schwedische Marke Askari in Deutschland vertrieben wird. Sie inszeniert sich als unpolitisch und dem Hooliganmilieu nahestehend und wird im Rahmen des schwedischen Kampfsportformats »King of the Streets« beworben. Deren professionell inszenierte Garagenkämpfe, schreibt der Rechtsextremismusexperte Robert Claus auf Twitter, hätten sich innerhalb der europäischen Hooliganszene zu einer wichtigen Veranstaltungsreihe entwickelt. Sie dienen als Vorbild für die neonazistische Kampfsportszene, weil sie ihre Kämpfe bereits erfolgreich als bezahlpflichtige Livestreams vermarkten.