Studentische Beschäftigte kämpfen für einen Tarifvertrag

Kampf für den Tarifvertrag

Studentische Hilfskräfte haben eine bundesweite Kampagne gegründet, um bessere Arbeitsbedingungen und tarifvertragliche Regelungen an den Hochschulen durchzusetzen.

Ob an einem Lehrstuhl, in Bibliotheken oder Laboren, in der Verwaltung oder im Bereich der technischen Infrastruktur: So vielfältig die Beschäftigungsmöglichkeiten an den hiesigen Universitäten für Studierende sind, so schlecht ist ihre Entlohnung. Um diesen Missstand zu beheben, haben die Gewerkschaften Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Verdi Anfang April in einer gemeinsamen Presseerklärung zur Unterstützung der Kampagne »Keine Ausnahme« aufgerufen, zu der sich in den vergangenen Monaten mehrere Initiativen studentischer Beschäftigter aus verschiedenen Städten zusammengeschlossen hatten.

Die Kampagne will die prekären Arbeitsbedingungen studentischer Hilfskräfte an den Hochschulen verbessern und fordert bundesweite Tarifverträge. Wie der NDR berichtete, demonstrierten ­einen Tag vor der Veröffentlichung der Presseerklärung Mitglieder von »TV Stud Hamburg«, einer Initiative studen­tischer Beschäftigter, vor der Hamburger Finanzbehörde und steckten die ersten Unterschriften einer entsprechenden bundesweiten Petition in die Briefkasten der Behörde. In den kommenden Wochen und Monaten soll es wei­tere Aktionen in verschiedenen Bundesländern geben.

In der Regel fallen Beschäftigte an den Hochschulen unter den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder. Studentische Hilfskräfte sind davon allerdings ausgenommen. Derzeit ist Berlin das einzige Bundesland, in dem mit dem »TV Stud III« ein eigener Tarifvertrag für studentische Beschäftigte in Kraft ist.

Ann-Kathrin Hoffmann, die Sprecherin des Bundesausschusses der Studentinnen und Studenten in der GEW und eine der Koordinatorinnen der Kampagne, bezeichnete im Gespräch mit der Jungle World die Unterschiedlichkeit der Arbeitsbedingungen und die Abhängigkeit der studentischen Beschäftigten von ihren Vorgesetzten als das Hauptproblem der gegenwärtigen Regelungen. »Zentral sind die ex­trem kurzen Vertragslaufzeiten. Wenn man alle fünf bis sechs Monate anklopfen und nachfragen muss, ob der Vertrag verlängert wird, verstärkt das die Abhängigkeit«, so Hoffmann.

Daneben kritisiert die Kampagne insbesondere die niedrigen Löhne. Für alle Bundesländer außer Berlin gilt eine Richtlinie der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, die Höchstsätze für wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte vorsieht. Von diesen können die Länder nur nach unten bis zum geltenden Mindestlohn abweichen. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder ist die Arbeitgebervereinigung der Bundesländer und somit Verhandlungspartnerin der Gewerkschaften. Für studentische Beschäftigte ohne abgeschlossene Hochschulausbildung liegt der Höchstsatz im Tarifgebiet West bei 10,91 Euro, im Tarifgebiet Ost sind es 10,49 Euro. Der Mindestlohn beträgt zurzeit 9,50 Euro pro Stunde.

In Berlin erhalten studentische Hilfskräfte seit dem 1. Januar einen Stundenlohn von 12,68 Euro. Festgelegt ist dies im Tarifvertrag »TV Stud III«, den die Gewerkschaften mit den Hochschulen im Juni 2018 ausgehandelt haben. Zuvor hatten studentische Beschäftigte der Berliner Hochschulen im Rahmen einer dreijährigen Kampagne über 40 Tage lang gestreikt, um Neuverhandlungen durchzusetzen. Im »TV Stud III« ist nun festgelegt, dass der Stundenlohn bis 2022 regelmäßig erhöht wird, im letzten Schritt auf 12,96 Euro. Ab 2023 soll die Erhöhung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder angepasst werden. Dann wird der Stundenlohn um den Prozentsatz erhöht, um den auch die Löhne der Entgeltgruppen 1 bis 15 des öffentlichen Dienstes im Schnitt steigen.

Der Kampagne »Keine Ausnahme« dient der »TV Stud III« als Vorlage für ihre Forderungen: »Ich habe auch mal in Berlin studiert und von dem Tarifvertrag profitiert, das war wirklich ein ­großer Unterschied. Man lernt viele Regelungen nachträglich zu schätzen, wenn man merkt, wie es ohne laufen kann«, sagte Hoffmann, die zurzeit als studentische Hilfskraft an der Europa-Universität Flensburg beschäftigt ist.

Zu Aspekten dieses Tarifvertrags, an denen sich die Kampagne orientieren will, gehört auch die betriebliche Mitbestimmung, von der studentische Beschäftigte in den meisten Bundesländern ebenfalls ausgenommen sind. Sie werden nicht durch den Personalrat der Hochschule vertreten und haben dort weder aktives noch passives Wahlrecht. Aus einer Antwort des Hambuger Senats auf eine Anfrage der Abgeordneten Stephanie Rose (»Die Linke«) der Hamburgischen Bürgerschaft vom Ju­ni 2020 geht hervor, dass der Senat derzeit keinen Handlungsbedarf sieht, studentische Hilfskräfte in das Personalvertretungsgesetz des Landes aufzunehmen.

Die Petition der Kampagne richtet sich an die Tarifgemeinschaft deutscher Länder und die zuständigen Landesministerinnen und -minister. Streiks soll es vor der im September geplanten Tarifrunde im öffentlichen Dienst vorerst nicht geben. »Einige der Initiativen haben sich gerade erst gegründet und müssen erst mal ein Bewusstsein unter den studentischen Beschäftigten schaffen, dass Arbeitsverhältnisse gemeinsam veränderbar sind«, sagte Hoffmann.