Der Klimawandel bringt Hitzewellen, die Folgen sind für arme Menschen schlimmer

Schöne Hitze, schlimme Hitze

Der ersten Hitzewelle dieses Sommers werden weitere folgen. Längst ist klar, dass dies Auswirkungen des menschengemachten Klima­wandels sind. Die Folgen treffen aber nicht alle gleichermaßen.

Die erste Hitzewelle des Jahres 2021 ist über Deutschland hinweggerollt. Es war so heiß, dass man eigentlich nur mit einem Radler und einer Portion Pommes im Schwimmbad oder am See liegen wollte. Wer das Sommerwetter nicht einfach genießen konnte, für den oder die wurde es schnell anstrengend.

Hitzefrei für Lohnabhängige gibt es nicht, denn das wäre ja der Mehrwertproduktion abträglich. Und so muss der Großteil der erwachsenen Bevölkerung die kommenden Monate in oftmals unklimatisierten Büros, Fabrikhallen oder Wohnungen schwitzend der Lohnarbeit nachgehen. Seen oder Schwimmbäder können erst nach Feierabend oder am Wochenende aufgesucht werden, wo man sich dann Leib an Leib auf der Liegewiese drängt und eine Viertelstunde an der Wasserrutsche anstehen muss.

Auf jene, die nicht an der Vermarktung von Umweltschutz partizipieren wollen – oder vielmehr können –, schaut das grüne Bürgertum herab.

Auch die sommerliche Freizeitgestaltung ist im Kapitalismus kommodifiziert, was zur Folge hat, dass arme Menschen konsequent ausgeschlossen werden. Schwimmbäder kosten Eintritt für alle, die nicht das Glück haben, Kleinkind zu sein. Für prekarisierte Familien ist ein regelmäßiger Schwimmbadbesuch also schwer möglich, was vor allem für Kinder zu einer Belastung werden kann. Die Alternative ist der Besuch an einem See – wenn man zufällig in der richtigen Gegend wohnt oder sich ins Auto setzen und aus der Stadt herausfahren kann, was ärmeren Familien oft ebenfalls nicht möglich ist. In Berlin sind viele Seen zwar mit der S-Bahn erreichbar, die Erfrischung verfliegt auf dem Weg zurück in die Stadt jedoch schnell, dicht an dicht mit anderen verschwitzten Körpern. Selbst eine schnöde Kugel Eis ist vielerorts kaum noch für unter 1,50 Euro zu haben – und wer behauptet, dass dies im Budget armer Menschen doch drin sei, hat schlicht keine Vorstellung von der Lebensrealität jener, die von Hartz IV oder Mindestlohn leben müssen.

Besonders schwer sind Obdachlose von der Hitzewelle betroffen, für sie können hohe Temperaturen lebensgefährlich werden. Gerade in der Covid-19-Pandemie fehlt es ihnen an Rückzugsorten, der Eintritt in öffentliche Räume wird ihnen zudem oft verwehrt. Selbstorganisierte Obdachlosencamps sind bedroht, wie in der Rummelsburger Bucht in Berlin, wo der Bezirk im Winter räumen ließ und nun wieder – aus der Not geboren – ein neues Camp entstanden ist. Die Berliner Stadtmission rät dazu, Wasserflaschen an Obdachlose zu verschenken – an­gesichts von Verhältnissen, in denen immer wieder Menschen in die Wohnungslosigkeit gezwungen werden, ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Auch Menschen, die schwerer Arbeit unter freiem Himmel nachgehen, sind gefährdet, sich hitzebedingte Gesundheitsschäden zuzuziehen. Hierbei handelt es sich vor allem um Bauarbeiter, Obst- und Gemüsepflückerinnen sowie Spargelstecher – alles Beschäftigungen mit ausgesprochen prekären Arbeitsbedingungen, unter denen schutzlose Wanderarbeitskräfte systematisch ausgebeutet werden. Wie der ORF berichtet, erlag am 23. Juni 2021 ein Bauarbeiter in der Steiermark dem Hitzetod. Der zweifache Familienvater aus Polen verstarb, weil er gezwungen war, bei über 32 Grad im Schatten extremer körperlicher Arbeit nachzugehen. Gegen solche »Arbeitsunfälle« besteht auch in Deutschland kein rechtlicher Schutz, eine Temperaturobergrenze für die Arbeit im Freien gibt es nicht.

Kurz: Entspannt ist der Sommer nicht für alle. Auch für viele Frauen wird die Freude, endlich das neue niedliche Sommerkleidchen ausführen zu dürfen oder nackt am See zu liegen, schnell getrübt. Starrende cisgeschlechtliche Männer, objektivierende Kommentare und die sexistische Bewertung von Körpern sind im Patriarchat leider immer noch Alltag; eine kritische Auseinandersetzung mit der Omnipräsenz dieser Belästigungen findet nach wie vor recht einseitig statt. Anstatt sich einzugestehen, dass leichtbekleidete weibliche Menschen einfach nur ungestört existieren wollen, müssen Männer das Elend ihres Mannseins beweisen, indem sie als weiblich gelesene Personen konsequent darauf hinweisen, für sie nur sexualisierte Objekte zu sein.

Für transgeschlechtliche Menschen, die nicht »passen«, also im Alltag nicht als Angehörige ihres Geschlechts wahrgenommen werden, ist der Wunsch, sich sommerlich zu kleiden, immer mit der Sorge verbunden, transfeindlich attackiert zu werden.

Kinderbetreuung im Sommer wird, wie in den anderen Jahreszeiten auch, primär den Müttern aufgebürdet. In ­einer zu kleinen Wohnung bei über 30 Grad Kinder zu unterrichten oder zu bespaßen oder mehrere Kinder im Schwimmbad unter Aufsicht zu halten, ist eine ausgesprochen anstrengende Angelegenheit. Wer hätte es gedacht: Klassen- und Genderaspekte lassen sich nicht voneinander losgelöst denken!

Glücklich kann sich da die Bourgeoisie nennen, die über große, klimatisierte Häuser mit eigenen Swimmingpools verfügt. Da können die Kinder einfach herumplanschen, das Au-pair wirft schon ein Auge drauf. Die Dame des Hauses kann sich ungestört von fremden Blicken auf der Terrasse sonnen. Und wenn es in der Stadt zu voll wird, kann man ja einen kleinen Abstecher zum Ferienhaus machen und sich dort ein bisschen die frische Brise um die Nase wehen lassen. Zudem können sich wohlhabende Menschen das gute Gefühl zulegen, etwas gegen den Klimawandel zu tun; zum Beispiel durch den Kauf eines schicken neuen Elektroautos, teurer Fairtrade-Kleidung aus Bio-Baumwolle oder durch Ausgleichszahlungen, die ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern.

Es geht schließlich nicht nur ums Wetter, sondern um das Klima. Der Klimawandel und seine Kipppunkte werden zwar zusehends gesellschaftlich thematisiert, doch anstatt darüber zu sprechen, dass 100 Unternehmen für über 70 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, wird der Kampf um einen für Menschen lebenswerten Planeten auf die einzelne Konsumentin abgewälzt. Der »Green Capitalism«, also die Vermarktung von Umweltbewusstsein, ist in den vergangenen Jahren zu einem riesigen Markt angewachsen, auf dem man sich ein gutes Gewissen erkaufen kann. Auf jene, die nicht an der Vermarktung von Umweltschutz partizipieren wollen – oder vielmehr können –, schaut das grüne Bürgertum herab. Dabei gilt seine Verachtung jedoch weniger den Vorständen von Exxon, Gazprom oder BMW, sondern eher jenen, die sich weder Hybridauto noch Biofleisch leisten können; denn nach unten tritt es sich besser.

Unterstützt wird die klimaschädliche Ausbeutung der Natur von reaktionärer Politik; letztendlich ist die Vernichtung der Erde aus Profitgründen auch nichts anderes als Klassenkampf von oben. Sei es die Verteidigung fossiler Brennstoffe, der Widerstand gegen das Tempolimit oder die steuerliche Entlastung von Großunternehmen auf Kosten der Bevölkerung: Industrielobbys und jene Parteien, deren Programm primär aus bourgeoiser Identitätspolitik besteht, arbeiten weltweit Hand in Hand gegen eine Zukunft, in der das Gros der Menschheit sicher und gut leben könnte.

Immerhin hat der Bundestag in der vergangenen Woche das Klimaschutzgesetz verschärft, Deutschland soll 2045 komplett klimaneutral sein, für die einzelnen Sektoren gelten nun ­verbindliche Ziele – wie diese erreicht werden sollen, ist allerdings weiterhin unklar. Auch die Verteilung der Kosten ist noch nicht geklärt. Ein Beispiel aus jüngster Zeit lässt nichts Gutes ahnen: Im Mai 2021 hatte sich die Bundesregierung auf einen Gesetzesentwurf geeinigt, der vorsah, dass demnächst Vermieter und Vermieterinnen die Hälfte des seit diesem Jahr geltenden CO2-Preises auf Heizöl und Gas tragen sollen – nun ist dieses Vorhaben am Einsatz der Union gescheitert. Wieder einmal haben wohlhabende Menschen das Privileg, sich nicht um Umweltpolitik kümmern zu müssen – die drohende Sintflut übersteht man notfalls auf der Jacht.