Small Talk mit Thorsten Willenbrock über die Räumung des Buchladens Kisch & Co.

»Was hier wirklich passiert, ist Verdrängung«

Die alteingesessene Buchhandlung Kisch & Co. in der Berliner Oranienstraße soll am 24. August geräumt werden. Nachdem im April ­gerichtlich der Räumungsklage des Besitzers des Miethauses, einem luxemburgischen Immobilienfonds, stattgegeben wurde, steht jetzt das Datum fest. Der Buchladen hätte im nächsten Jahr sein 25jähriges Jubiläum gefeiert. Eine Kundgebung am Tag der Räumung soll auf die Verdrängung aufmerksam machen. Die Jungle World sprach mit dem Inhaber Thorsten Willenbrock über die erwartete Räumung und die Gentrifizierung in Kreuzberg.
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Wie geht es Ihnen und der Belegschaft?

Insgesamt ist es sehr anstrengend für alle, die hier arbeiten. Der schlimmste Moment war eigentlich am 22. April, als das Landes­gericht das Urteil zur Räumung gefällt hat. Da war klar, dass wir hier raus müssen. Wir hatten danach eine längere Zeit der Unsicherheit und da kann man auch nicht mehr richtig arbeiten. Wir mussten die Bestände reduzieren, konnten nicht mehr richtig bestellen und auch keine Vertreter mehr empfangen. Wir waren also in unserer Tätigkeit als Buchhändler stark eingeschränkt. Das hat sehr an den Nerven gezehrt. Es ist fast schon eine Erleichterung, ein Datum für die Räumung zu haben, da wir jetzt wissen, dass es am 24. August passiert. Darauf können wir uns einstellen.

Was werden Sie gegen die Räumung unternehmen?

Wir werden den Laden räumen müssen, eine Räumung durch den Gerichtsvollzieher wäre extrem teuer. Das können wir uns nicht leisten. Am 24. August werden wir vor dem Laden eine Kundgebung veranstalten. Wir hoffen, dass bei Schlüsselabgabe um 8.15 Uhr viele Leute kommen und mit uns gegen diese Verdrängung protestieren.

Wird es den Buchladen weiterhin geben?

Wir sind dabei, ein anderes Ladengeschäft zu suchen, es gibt Gespräche. Wir wollen unbedingt hier im Kiez bleiben. Unser Buchladen ist momentan ein prominentes Beispiel, aber es geht nicht nur um uns. Was hier passiert, ist eine Verdrängung von sozialen Einrichtungen, Handwerkern und Künstlerinnen. Gentrifizierung klingt für mich dafür zu niedlich als Begriff. Was hier wirklich passiert, ist eine Verdrängung aufgrund von Renditeerwartungen. Wir protestieren dagegen, dass wir nur des Geldes wegen verdrängt werden.

Müsste es einen ­stärkeren Schutz für kleinere Gewerbe­treibende geben?

Erstmal geht es natürlich darum, die Gewerbetreibenden zu schützen. Wir wollten erreichen, dass es überhaupt ein Gewerbemietschutzrecht gibt. Es gibt zurzeit bloß zwei Paragraphen, die das regeln. Der eine verbietet Wucher und der andere regelt die Kündigungsfrist bei unbefristeten Mietverträgen. ­Einige Politiker sehen da durchaus Handlungsbedarf, alle Initiativen wurden aber von den Regierungsparteien abgeschmettert. Man kann daran sehen, wer ein Interesse hat, Gewerbetreibende zu schützen oder ein Interesse, Immobilienbesitzer zu unterstützen. Wenn man längerfristig über das Problem nachdenkt, kommt man zum Schluss, dass der Besitz dieser Häuser das Entscheidende ist. Es ist notwendig, möglichst viele Häuser in Gemeineigentum zu überführen.