Joachim Aigner und seine »impf­skeptische« Partei MFG haben in Oberösterreich Erfolg

Lockdown im Gehirn

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Gerechte Verteilung der Sorgearbeit, bessere Bezahlung in Pflegeberufen, bezahlbare Mieten, gute Gesundheitsversorgung für alle, Solidarität mit Geflüchteten – das wären nur einige der politischen Fragen, deren Dringlichkeit die Covid-19-Pandemie noch einmal deutlich gezeigt hat. Man sollte glauben, dass sie auch für die Wahlentscheidung relevant sein sollten. Doch manchen scheint das alles gleich zu sein, da reichen die Reizbegriffe Impfung und Maskenpflicht völlig aus, ihre Entscheidung zu treffen. Der Lockdown im Gehirn hat bei einigen österreichischen Wahlberechtigten dazu geführt, dass die »impfskeptische« Liste MFG (Menschen, Freiheit, Grundrechte) bei den Landtagswahlen in Oberösterreich vom Sonntag den Einzug in den Landtag geschafft hat. Sie hat die Vierprozenthürde ohne Mühe überwunden, gar 6,2 Prozent der Stimmen errungen. Die MFG soll vor rund einem Jahr als Chatgruppe angefangen haben, im Februar wurde die Partei dann in Wien gegründet.

Im Juli wählten die Mitglieder der MFG den 1976 geborenen Steuerberater Joachim Aigner zum Landesvorstand. Er sagte nach der Wahl dem Standard: »Wir haben mit einem Einzug gerechnet, aber dass es so deutlich ist, ist für uns einfach unfassbar.« Unfassbar, allerdings. Freiheit ist für Aigner und seine Partei offenbar die Freiheit, Viren ungehemmt zu verbreiten. Zudem geht es gegen das »politische Establishment«, das die MFG allerdings nicht gefährden konnte. Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) erhielt in Oberösterreich 37,6 Prozent der Stimmen. Erfreulich ist zumindest, dass die rechtsextreme Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) in Oberösterreich über zehn Prozentpunkte und damit auch einen Sitz im von den Landesparlamenten nach Parteienproporz besetzten Bundesrat verloren hat – auch wenn es immer noch erschreckend ist, dass jede fünfte Stimme im Bundesland auf die FPÖ entfällt. Die Verluste mögen zu einem guten Teil an der Krise der FPÖ infolge der »Ibiza-Affäre« liegen, aber wohl auch an der »impfskeptischen« Konkurrenz. Da half es auch nicht, dass etwa Herbert Kickl, Bundesparteiobmann der FPÖ, am Freitag vergangener Woche bei einer eigens einberufenen Pressekonferenz einen Covid-Antikörpertest zeigte, der beweisen sollte, dass er weder geimpft noch genesen ist – sein Beitrag gegen »Impfgerüchte«, die seinen Tiraden gegen das »Corona-Kastenwesen« die Glaubwürdigkeit nehmen könnten.