»Die Politik der Rackets« von Kai Lindemann

Herrschen, teilen, Beute machen

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»Deinen Feind, den musst du erkennen, und danach mit seinem Namen benennen«, sangen die Goldenen ­Zi­tronen vor fast 30 Jahren. Umso mehr verwundert es, dass genau das in der Kritik der politischen Ökonomie noch immer nicht ausreichend geschieht. Angesichts stetig wachsender ­Ungleichheit von Lebenschancen, Macht und Ressourcen scheint es nachvollziehbar, selbst in OECD-Staaten – die zumeist Länder mit einem hohen Pro-Kopf-Einkommen sind – von einer Rückkehr zum Elend feu­daler Verhältnisse zu sprechen. Dagegen bedürfte es, wie Kai Lindemann in seiner Studie »Die Politik der Rackets« feststellt, einer eingehenden politiktheoretischen Auseinandersetzung mit der »Praxis der herrschenden Klassen«.

Den Schlüssel hierfür findet der Autor im Racket-Begriff. Theodor Adorno und Max Horkheimer nutzten ihn in der »Dialektik der Aufklärung«, um zu zeigen, wie die archaische Gewalt von Clans und Banden sich über alle Stufen gesellschaftlicher Entwicklung von der Frühzeit bis in die verwaltete Welt des Fordismus erhält. Insbesondere in Horkheimers Denken steht er an zentraler Stelle. Wer Debatten aus den vergangenen Jahren in dieser Zeitung verfolgt hat, wird von der Vorstellung, dass in Oligarchien, neoliberalen Netzwerken und Komplizenschaften zwischen privatem Kapital, staatlichen Stellen und militärischer Macht durchaus klassenübergreifende Beutegemeinschaften das Funktionieren des Systems sichern, kaum überrascht sein.

Dennoch ist die Materialfülle, die Lindemann zur Theoretisierung der Rackets, der psychosozialen Disposi­tion ihrer Mitglieder und ihres Imperativs, politisches Entscheiden und Handeln zu unterbinden, zusammenträgt, über weite Strecken erhellend, zumal sie mit vielen aktuellen Beispielen versehen ist. Schade ist nur, dass das Fazit dann fade reformistisch ausfällt. »Starke, demokratische Gewerkschaften« – in der vorangegangenen Analyse bereits als Chimären entlarvt – sollen für mehr Demokratie sorgen und das Politische stärken. Dem Lesegenuss hätte überdies ein Lektorat gutgetan.

Kai Lindemann: Die Politik der Rackets. Zur Praxis der herrschenden Klassen. Verlag West­fälisches Dampfboot, Münster 2021, 155 Seiten, 16 Euro