Der Trisomie-Bluttest soll in diesem Frühjahr eine Kassenleistung werden

Eine Art von Eugenik

Der Trisomie-Bluttest soll in diesem Frühjahr eine Kassenleistung werden. Die Möglichkeit, pränatal eine Behinderung zu erkennen, wirft grundsätzliche Fragen auf und zeigt, wie es in der Gesellschaft um die Inklusion steht.

Im Laufe dieses Frühjahrs soll es so weit sein: Der nichtinvasive Trisomie-Bluttest wird Kassenleistung. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das höchste Gremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, bereits im August vergangenen Jahres beschlossen. Der G-BA bestimmt innerhalb des vom Gesetzgeber festgelegten Rahmens, welche Leistungen der medizinischen Versorgung die gesetzlichen Krankenkassen im Einzelnen übernehmen.

In einer Orientierungsdebatte im Bundestag hatten sich die Abgeordneten im April 2019 mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass der Test nur bei begründetem Verdacht auf eine Trisomie zum Einsatz kommt und auf keinen Fall zur Reihenuntersuchung werden soll. Dieses Plädoyer hat der G-BA berücksichtigt und plant die Kostenübernahme nur, »wenn eine Frau gemeinsam mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt zu der Überzeugung kommt, dass der Test in ihrer persönlichen Situation notwendig ist«.

»Viele Menschen mit Down-Syndrom empfinden den Bluttest als Angriff auf ihre Person.« Wolf-Dietrich Trenner, Vorsitzender des Arbeitskreises Down-Syndrom

Der nichtinvasive Pränataltest (NIPT) zur Feststellung einer Trisomie 13, 18 oder 21 ist bereits seit 2012 auf dem Markt, musste von den Schwangeren aber bislang selbst bezahlt werden. Der Test ist relativ einfach und risikolos durch eine einmalige Blutabnahme durchführbar. Die deutlich riskantere Fruchtwasseruntersuchung ist hingegen schon seit vielen Jahren eine Kassenleistung.

Während die Trisomien 13 und 18 mit schweren Fehlbildungen einhergehen und in der Regel zu einem früheren Ableben führen, leben Menschen mit Trisomie 21, auch bekannt als Down-Syndrom, oftmals ein glückliches Leben – mit Behinderung. »Viele Menschen mit Down-Syndrom empfinden den Bluttest als Angriff auf ihre Person«, sagt Wolf-Dietrich Trenner, der Vorsitzende des Arbeitskreises Down-Syndrom, im Gespräch mit der Jungle World. Sie hätten Angst vor einer »Auslese« ihrer genetischen Abweichung. Aufgrund der Formulierung des G-BA, wonach der Test zur Anwendung kommt, wenn er in der »persönlichen Situation notwendig ist«, sieht Trenner die Gefahr ­einer regelhaften An­wendung.

Etwa neun von zehn Frauen würden Expertenschätzungen zufolge nach einer Diagnose von Trisomie 21 hierzulande ihr Kind abtreiben. Verlässliche Zahlen gibt es nicht, da solche Statistiken nicht erhoben werden. In Dänemark, wo das öffentliche Gesundheitssystem seit 2004 allen Schwangeren einen Test auf Trisomie anbietet, sind nach dessen Zulassung die Geburtszahlen von Babys mit Down-Syndrom stetig gesunken.

»Natürlich führt der Test zu einer Art Eugenik«, sagt Trenner. »Der Wunsch nach einem gesunden Kind ist wohl tief im Menschen verankert. Man vergisst dabei leicht, dass nur 2,5 Prozent der Menschen mit Behinderungen überhaupt von Geburt an behindert sind, davon nur ein Teil mit Trisomie. Behinderung wird man mit dem Test nicht los«, so Trenner, der selbst Vater einer behinderten Tochter ist. Er mahnt auch, dass der gesellschaftliche Umgang mit Behinderung immer noch mangelhaft sei. »Da werden immer noch große Ängste geschürt, statt einfühlsam zu beraten«, so Trenner. Trotz aller Inklusionsversprechen gebe es immer noch das »Rumdrucksen« von Ärztinnen und Pflegern nach der Geburt eines behinderten Kindes; auch fehle die Bereitschaft zur Integration von Menschen mit Behinderung in Schule und Beruf. Viele Eltern mit einem behinderten Kind werde oft, sagt Trenner, mehr oder weniger verhohlen die Frage gestellt, ob »das denn nötig ge­wesen« sei.

Befürworter der Kostenübernahme für den Trisomie-Bluttest argumentieren, dass durch die Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen die Diskriminierung ärmerer Frauen beendet werde. Das Bündnis gegen die Kassenfinanzierung des Bluttests auf Trisomien will mit der Kampagne #NoNIPT den Test hin­gegen am liebsten ganz verhindern. Es fordert eine erneute Diskussion im Bundestag und von den Bundestagsabgeordneten: »Verhindern Sie eine kassenfinanzierte vorgeburtliche Selektion!« Der Test sei »nicht vereinbar mit Artikel drei des Grundgesetzes und der UN-Behindertenrechtskonvention«.

Wolf-Dietrich Trenner befürchtet, dass der NIPT nur der Anfang sei. »Ich war auf einer Fachtagung in der Charité. Dort wurde von 550 genetischen Abweichungen gesprochen, für die man bald ein Testverfahren hat«, so Trenner. Eine Welt frei von Behinderungen würden allerdings auch diese Tests nicht bedeuten, denn der weitaus größte Teil der rund acht Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland hat diese erst im Laufe des Lebens erworben.