Das syrische Regime ist nach wie vor auf russische Unterstützung angewiesen

Garanten des Elends

Russland ist die wichtigste Stütze des Regimes von Bashar al-Assad und sichert den labilen, von Gewalttätigkeit geprägten Status quo in Syrien. Zöge Russland wegen des Ukraine-Kriegs Truppen ab, würde das den Iran stärken.
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In Syrien ist immer noch alles beim Alten. Ende März meldete die UN genau 5 724 230 registrierte syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern. Das ist zwar ein neuer Höchststand, aber seit der syrische Diktator Bashar al-Assad um das Jahr 2018 herum angeblich den Krieg gewonnen hat, sind nur noch ein paar Zehntausend dazugekommen; Flüchtlingszahl bleibt seit Jahren recht konstant. Fast niemand kehrt zurück, höchstens Syrer, die die Not aus dem wirtschaftlich kollabierten Libanon über die Grenze treibt.

Das Assad-Regime finanziert sich weiterhin durch Drogenhandel, vor allem mit Captagon, und aus der – maßgeblich von Deutschland mitfinanzierten – humanitären UN-Hilfe; Assads Unterstützer Russland und Iran haben Soldaten, aber kein Geld für ihn übrig. Größere Kampfhandlungen gibt es tatsächlich seit Jahren nicht mehr, ab und zu überfällt der »Islamische Staat« (IS) einen Konvoi mit Regierungssoldaten in der Wüste. In Dara’a, im Süden, bringen Assads Geheimdienstleute, die unter russischem Kommando stehen, derweil ehemalige Rebellen um. Im Norden kontrolliert die Türkei das Gebiet um Idlib mit seinen Islamisten, in dem über vier Millionen Menschen vor Assad Schutz suchen. Jüngst wurde dort ein türkisches Panzerfahrzeug mit einer Rakete angegriffen, vielleicht war es ­Assad, vielleicht die syrischen Truppen der PKK, jedenfalls war es eine Botschaft. Israel wiederum bombardiert regelmäßig Militäranlagen der Iraner und der Hizbollah in Assads Herrschaftsgebiet, Anfang März wurden dabei auch zwei Offiziere der iranischen ­Revolutionsgarden getötet.

Der Konflikt in Syrien ist auf seine Art eingefroren – aber wer weiß, wie lange noch. Denn es stellt sich die große Frage, welche Rolle Russland dort in Zukunft spielen wird. Nachdem sich Meldungen über den geplanten massenhaften Einsatz syrischer Söldner auf russischer Seite in der Ukraine erwartbarerweise als reine Propaganda herausgestellt haben, bleibt offen, inwieweit Russland Militär aus Syrien abzieht, um es in der Ukraine einzusetzen. Inoffizielle Meldungen aus israelischen Armeekreisen sprechen davon, dass bereits jetzt iranische Militärberater an die Stelle russischer Truppen treten sollen. Das könnte die Situation irgendwann zum Kippen bringen und insbesondere für Israel gefährlich werden.

Nach der Intervention in Syrien ist Russland eine zentrale Rolle im Nahen Osten zugewachsen. Es ist zum Garanten des Dauer­elends in Syrien geworden; zwar ist es über Assad mit den Iranern de facto verbündet, doch hat der russische Präsident Wladimir ­Putin sie auch in ihren Handlungsmöglichkeiten beschränkt. Den Israelis hat er zugestanden, die Iraner und die Hizbollah mit Luft­angriffen zu traktieren, wie er auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der auf sunnitischer Seite in den Krieg eingegriffen hat, trotz immer wieder aufflackernder Spannungen letztlich einen modus vivendi gefunden hat. Russisches und türkisches Militär fahren an der syrischen Grenze gemeinsam Patrouillen. Dem syrischen Potentaten Assad selbst gibt die latente Konkurrenz zwischen seinen Paten Iran und Russland ein bisschen Handlungsspielraum.

Ohne Russland könnte das labile Gleichgewicht, das sich in Syrien eingestellt hat, nicht weiter bestehen bleiben. Sowohl die Türkei wie Israel agieren daher vorsichtig, auch was die Ukraine betrifft. Russland hat in den vergangenen Wochen mit mehreren kritischen Äußerungen zu den israelischen Luftangriffen in Syrien zu verstehen gegeben, was für die Israelis auf dem Spiel steht. Und Erdoğan hat zwar erst den Bosporus für russische Kriegsschiffe sperren ­lassen und nun auch den türkischen Luftraum für alle russischen Flugzeuge mit dem Ziel Syrien, hat diese Maßnahmen den Russen aber vermutlich vorher intern angekündigt. Nun hat aber auch Aserbaidschan mit einem Überflugverbot nachgezogen.

Assad dürfte mit Sorgen die Nachrichten aus der Ukraine verfolgen. Er kann sich ohne die Hilfe seiner Verbündeten nicht in seinem Palast halten, und jede Schwächung Russlands bedeutet, dem Iran stärker ausgeliefert zu sein. Putin hat Assad zwar schon des ­Öfteren öffentlich brüskiert und wie einen Untergebenen behandelt, doch Putin ist auch immer wieder nach Hause geflogen. Die Interessen Russlands innerhalb Syriens sind sehr begrenzt. Die Iraner dagegen haben sich dort längst festgesetzt. Sie sind gekommen, um zu bleiben.