Dass Russland Gas als Druckmittel nutzt, hat Deutschland sich selbst eingebrockt

Gaskrise mit Ansage

Dass Russland nun Erdgas als Druckmittel einsetzen kann, hat sich die politische Führung Deutschlands selbst eingebrockt.
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Vor fast vier Jahren hatte Heiko Maas (SPD) etwas zu lachen. »Der deutsche Außenminister Heiko Maas konnte grinsend mit seinen Kollegen gesehen werden«, schrieb die Washington Post in einem Bericht über die UN-Generaldebatte in New York im September 2018. Was Maas so belustigt hatte, war eine der üblichen Krawallreden des damaligen US-Präsidenten Donald Trump. Mit Bezug auf diese sagte Maas, Trumps Vorwürfe an Deutschland entsprächen »nicht der Realität«, die Bundesregierung werde »nicht müde werden«, Trump die »echten Fakten entgegenzusetzen«.

Was für fake news hatte Trump da verbreitet? Er hatte gegen das deutsch-russische Pipeline-Projekt Nord Stream 2 gewettert und gewarnt, Deutschland werde »total abhängig von russischer Energie werden, wenn es nicht sofort seinen Kurs ändert«. Dem trat Maas entschieden entgegen. Es gebe »keine Abhängigkeit Deutschlands von Russland, schon gar nicht in Energiefragen«.

Jahrelang hatte Deutschland die Warnungen und Mahnungen aus den USA und osteuropäischen Ländern in den Wind geschlagen und war eine enge »Energiepartnerschaft« mit Russland eingegangen. Als Rechtfertigung für diese eigennützige Strategie diente der Slogan »Wandel durch Handel« – oder zumindest die Behauptung, dass man Russland durch enge Wirtschaftsbeziehungen außenpolitisch einhegen könne.

Falls die Regierung das wirklich geglaubt hatte, hätte man kaum falscher liegen können. Die enorme Abhängigkeit Westeuropas von russischen Gaslieferungen hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht vom Krieg abgehalten. Im Gegenteil: Vermutlich hat er kalkuliert, dass Länder wie Deutschland langfristig nicht auf russisches Gas verzichten wollen und deshalb im Falle eines schnellen russischen Sieges in der Ukraine bald zum business as usual zurückkehren würden. Das könnte ihn ermutigt haben, den Krieg zu führen. Schließlich hatten schon die vorherigen acht Jahre des russischen Kriegs gegen die Ukraine die deutsche Regierung nicht an­gefochten. Ein Jahr nach der russischen Annexion der Krim wurden die Verträge für Nord Stream 2 unterschrieben.

Doch die Ukraine hat nicht mitgemacht und sich bislang erfolgreich gegen die Invasion gewehrt. Eine Rückkehr zum business as usual ist bislang auch für Deutschland nicht möglich. Trotzdem spielt die deutsch-russische »Energiepartnerschaft« Putin derzeit strategisch in die Hände. Gaslieferungen wurden von den westlichen Sanktionen ausgenommen, weil der Schaden für die europäische Wirtschaft groß gewesen wäre. Mit den Einnahmen aus diesem Geschäft konnte Russland seine Wirtschaft stabilisieren, fürs Erste zumindest.

Die westlichen Sanktionen werden erst in einigen Monaten ihre volle Wirkung entfalten. Bis dahin kann Putin die Gaslieferungen beziehungsweise ihre Verweigerung als strategische Waffe einsetzen. Indem er die Liefermengen reduziert, treibt er die Preise in die Höhe und kann Westeuropa glaubhaft mit echter Gasknappheit drohen. Das Kalkül ist, damit jene Kräfte in Europa zu stärken, die der Ukraine nicht helfen wollen. Wenn sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert, könnten irgendwann einige Staaten entweder die Sanktionen lockern oder die Militärhilfe für die Ukraine einstellen. Beides würde nicht – wie es diverse offene Briefe behaupten – den Krieg verkürzen, sondern im Gegenteil ein Signal an Putin darstellen, dass er den Krieg doch noch gewinnen kann, wenn er nur länger durchhält als die Ukraine.

Hierzulande gibt es Stimmen, die ein Einlenken gegenüber Russland fordern – allen voran bedeutende Figuren der Linkspartei wie Sahra Wagenknecht und Klaus Ernst. Sie behaupten, ihnen gehe es um die deutschen Verbraucher, die unter den hohen Preisen leiden. Und in der Tat müssen nun arme Menschen ausbaden, dass deutsche Industriekapitäne es für clever gehalten haben, sich mit billigem russischem Gas einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Doch statt zu betonen, wie obszön es ist, dass es in einem der reichsten Länder der Welt überhaupt Menschen gibt, die sich das Heizen und das Essen kaum leisten können – und die gab es auch schon vor diesem Krieg –, fordern linke Nationalisten wie Wagenknecht von der Bundesregierung, doch endlich nationale Interessen knallhart an die erste Stelle zu setzen. In der Hinsicht sind sie, trotz der Meinungsverschiedenheit in Sachen Nord Stream 2, Trump sehr ähnlich.