Der Judenhass auf der Internationalistischen Queer Pride in Berlin-Neukölln

Queer Hate Parade

Auf der Internationalistischen Queer Pride in Berlin-Neukölln, die als eine Art alternativer Christopher Street Day fungieren soll, wurden Israel vor anderthalb Wochen Apartheid, Siedlerkolonialismus und Pinkwashing vorgeworfen.

Radikal ist, wer Israel den Kampf ansagt – das bilden sich bekanntlich nicht wenige Linke ein. Immer mehr links­radikale Demonstrationen in Berlin und anderswo laufen wieder mit Palästina-Fahnen oder gleich einem eigenen Palästina-Block, etwa bei der »Revolutionären 1. Mai-Demo«. Im Februar riefen in Berlin-Kreuzberg Teilnehmende ­einer Gedenkdemonstration für die Opfer des rechten Terroranschlags in ­Hanau zwei Jahre zuvor »Yallah Intifada, von Hanau bis nach Gaza«. Der Hass auf Israel hat in Teilen der linksradikalen Szene ­erneut Hochkonjunktur. Und die Kids tragen wieder Kufiya, zu Deutsch: ­Palituch.

Bei der Internationalistischen Queer Pride in Berlin-Neukölln liefen vor ­anderthalb Wochen mehrere Tausend Menschen mit – darunter viele, die für die »Freiheit Palästinas« und den Kampf gegen Israel auf die Straße ­gingen. Auf der Queer Pride, die als eine Art alternativer Christopher Street Day fungieren soll, wurden Israel Apartheid, Siedlerkolonialismus und Pinkwashing vorgeworfen. Die Gruppe »Palästina spricht« war mit einem eigenen Redebeitrag präsent; im Mai gab es auf von der Gruppe organisierten Demonstrationen mehrfach Bekundungen von offenem Judenhass. Anscheinend kein Grund für Konsequenzen. Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus, das die Queer Pride filmte, spricht von einer »Normalisierung von Antisemitismus«.

Schon im Vorhinein gab es Kritik an der geplanten Demonstration. Auf dem wimmelbildartigen Plakat der Queer Pride war eine jüdische, blinde Person abgebildet, »ganz in antisemitischer Manier als fahler, blasser Jude«, wie die jüdische Journalistin Debora Antmann auf Twitter anmerkte. Dass Juden als weiß und damit in der Logik der critical whiteness als privilegiert gelten, ist zudem eine Grundannahme, die es nicht erlaubt, Antisemitismus als irgend erwähnenswert mitzudenken. »Jews Don’t Count« benannte der jüdische Comedian David Baddiel deshalb sein Buch über den progressiven Antisemitismus im Vereinigten Königreich: »Juden zählen nicht.«

Das kurioseste Transparent auf der Internationalistischen Queer Pride forderte: »Queer as in Free Palestine«.

Das bewahrheitet sich auch bei der Lektüre des »Awareness Statement« der Demo. Die Veranstalterinnen und Veranstalter zählen hier lang und breit auf, was sie alles nicht dulden werden: Rassismus, Sexismus, Transphobie und vieles anderes. Antisemitismus sucht man in der Aufzählung vergeblich. Die wohlmeinendste Interpretation dieser Leerstelle geht davon aus, dass Anti­semitismus hier als Spielart von Rassismus verstanden wird und dadurch mitgemeint sein könnte. Ein Kurzschluss, der immer häufiger zu beobachten ist, und dem auch die »Jerusalemer Er­klärung zum Antisemitismus« aufsitzt, deren Vertreter den Antisemitismus einer solchen Demonstration wohl einfach wegreden würden.

Zu der Leerstelle gesellte sich eine Drohung: »Die sogenannten Antideutschen sind bei dieser Veranstaltung nicht willkommen.« Wer damit genau gemeint ist, bleibt im Dunklen. Vermutlich genau diejenigen, die sich an dieser Leerstelle stören und nicht akzeptieren, dass der Israelhass nicht als Antisemitismus benannt wird. »Anti­deutsch« ist hier zu einer Feindmarkierung verkommen, die beliebig verwendet werden kann. In den sozialen Medien werden auch regelmäßig Jüdinnen und Juden als antideutsch bezeichnet, wenn sie Antisemitismus anprangern.

Das kurioseste Transparent auf der Queer Pride forderte: »Queer as in Free Palestine«. Unklar bleibt, was das bedeuten soll. Die NGO United Nations Watch berichtete im März vergangenen Jahres, LGBTQ im Westjordanland und im Gaza-Streifen litten unter Verfolgung und Ächtung. Schwule Männer, die fliehen konnten, berichteten von Folter, Zwangsheirat und Todesdrohungen. Mohammed Saleem Ali, Islamgelehrter und Vorbeter der al-Aqsa-Moschee in Jerusalem, bekräftigte Anfang Juli: »Unser palästinensisches Volk wird es nicht akzeptieren, dass ein einziger Homosexueller seine Abscheulichkeiten öffentlich verkündet.«

Eine Zustandsbeschreibung kann »Queer as in Free Palestine« also nicht sein. Aber es enthält ein Versprechen: Dass es einmal ein freies Palästina geben sollte, in dem man ohne Angst verschieden sein könnte. Solange das nicht existiert, ist das Transparent eine Kritik an der heutigen palästinensischen Gesellschaft – ob gewollt oder nicht.