Chantal Akermans Buch über ihre Mutter wurde jetzt ins Deutsche übersetzt

Keine Homestory

Als die Mutter gebrechlich wird, protokolliert die belgische Filmemacherin Chantal Akerman die ihnen gemeinsam verbleibende Zeit. Das Journal »Meine Mutter lacht« ist auch eine Hommage an eine stumm gebliebene Überlebende des Holocaust und der Versuch, sich mit den eigenen Beschädigungen zu konfrontieren.

»Eine Frau mit Gnadenfrist. Die überlebt hat. Sie weiß es, sie hat überlebt und wird weiter überleben. Ihr Moment ist noch nicht gekommen«, hält Chantal Akerman in ihren Aufzeichnungen fest, die nun unter dem Titel »Meine Mutter lacht« auf Deutsch erschienen. Nach einer Herzoperation kehrt die 85ährige Mutter der Filmemacherin mit einer gebrochenen Schulter in ihre Brüsseler Wohnung zurück – »für immer«. Ihr Körper ist winzig und abgezehrt, sie schläft viel und braucht Hilfe beim Waschen und Ankleiden, aber sie lacht, sogar oft. »Ich höre auf ihr Lachen. Sie lacht wegen nichts. Dieses Nichts ist viel. Manchmal lacht sie sogar am Morgen.«

Akerman, die in New York und Paris lebt und mit ihren Filmen unterwegs ist, kommt sie immer wieder besuchen, für ein paar Tage, manchmal auch länger. Die verbleibende gemeinsame Zeit, unterbrochen von wiederholten Krankenhausaufenthalten, protokolliert sie filmend und schreibend. 2015, kurz nach dem Tod der Mutter und nur wenige Monate vor dem Suizid der belgischen Filmemacherin, wird die Dokumentation »No Home Movie« auf dem Filmfestival in Locarno uraufgeführt. Es ist ein Film, der das Spannungsverhältnis zwischen Nähe und Abstand, Zärtlichkeit und Schroffheit, zwischen der eigenen, sehr persönlichen und der »großen« Geschichte durchmisst. »Ma mère rit«, wie der französische Originaltitel des zwei Jahre zuvor veröffentlichten Autoporträts lautet, liegt nun in einer gelungenen Übersetzung von Claudia Steinitz auf Deutsch vor. Wie der Film kreist auch das Buch um Themen und Motive, die Akermans Werk prägen: die Figur der Mutter, das Schweigen, das Erbe der Shoah, das Exil, die häusliche Sphäre.

Das Journal besteht aus überwiegend kurzen, mitunter fast fragmenthaften Absätzen, der Ton ist knapp und von einer Nüchternheit, hinter der sich gewaltige, nicht nur historische, Räume öffnen.

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