Die seltsamen Kandidaten bei der Wahl des Bundespräsidenten in Österreich

Die Wahl der Qual

Am 9. Oktober wird in Österreich der Bundespräsident gewählt. Diesmal fordern sechs Sonderlinge, allesamt Männer, den amtierenden Bundespräsidenten heraus.

Alexander Van der Bellen muss am Sonntag hoffen, seinen Wahlerfolg von 2016 wiederholen zu können. Damals gewann er mit knappem Vorsprung gegen den Kandidaten der rechtsextremen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Norbert Hofer, die Wahl zum Bundespräsidenten. Einige Umfragen sehen ihn zwar als klaren Sieger, in anderen aber liegt er nur sehr knapp über den für einen Sieg im ersten Wahlgang benötigten 50 Prozent. Sein aussichtsreichster Gegenkandidat ist der FPÖ-Politiker Walter Rosenkranz; daneben gibt es noch fünf weitere ­Bewerber.

2016 gaben nicht wenige Van der Bellen vor allem deshalb ihre Stimme, weil sie einen Sieg des dezidierten Rechtsaußen Hofer verhindern wollten. Doch viele sind von ihm enttäuscht. Zu dem Skandal-Hurrikan, der während seiner Amtszeit tobte und immer noch tobt, schwieg er weitgehend, ebenso zum Abstieg Österreichs im jährlichen globalen Demokratie-Ranking der Universität Göteborg von einer »liberalen Demokratie« zu einer »Wahldemokratie«. Außer einem schlaffen »Wir sind nicht so« kam ihm kaum ein Wort der Kritik über die Lippen – obwohl seine Wahl als die bislang letzte unter umfassend demokratischen Verhältnissen abgehaltene gilt. Bei den folgenden Nationalratswahlen wurden die Ergebnisse durch gefälschte Meinungsumfragen zugunsten der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) verzerrt. Die sechs Herausforderer des Amtsinhabers spiegeln den demokratischen Verfall in Österreich gut wider.

Dominik Wlazny alias Marco Pogo ist der einzige Kandidat neben dem Amtsinhaber, der politisch nicht weit rechts steht. Er studierte Medizin, hat aber nach erfolgreichem Abschluss beschlossen, mit der Punkrockband Turbo­bier samt Merchandising seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wlazny gründete 2015 die Bierpartei, zunächst als Satireprojekt, schaffte damit aber 2020 den Einzug in einige Wiener Bezirksvertretungen. Neben Nonsens-Forderungen, wie jener nach einem öffentlichen Bierbrunnen, vertritt Wlazny linksliberale Positionen: mehr Geld für Kunst und Kultur, humanere Asylgesetze, Förderung finanziell benachteiligter Kinder, Klimaschutzmaßnahmen, Geschlechtergerechtigkeit und andere Punkte, gegen die halbwegs aufgeklärte Menschen nichts einzuwenden haben sollten. Wlazny ist der einzige Kandidat, der sich eindeutig für einen strengen Pandemieschutz und für Impfungen ausgesprochen hat. Reale Chancen hat er freilich nicht, denn dazu ist die österreichische Gesellschaft strukturell zu konservativ und wohl auch noch nicht kaputt genug, um ihr Glück bei einem Komiker zu suchen.

Der FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz ist der einzige, der von einer Parlamentspartei aufgestellt wurde. Er ­gehört zum deutschnationalen Kern der FPÖ und hat in Magazinen wie der 2018 eingestellten rechtsextremen Aula publiziert, in der KZ-Überlebende als »Landplage« beleidigt wurden. Im Sammelband »150 Jahre Burschenschaften in Österreich« des Ares-Verlags lobte er 2009 den NS-Blutrichter Johann Karl Stich, der für mindestens 63 Justizmorde während der Nazizeit verantwortlich war, als »Leistungsträger für Österreich«. Als politisches Vorbild nannte Rosenkranz mehrere Male den deutschnationalen österreichischen Politiker und glühenden Antisemiten Julius Sylvester, der Anfang des 20. Jahrhunderts dafür gekämpft hatte, Ver­eine »judenrein« zu machen, und seine Liegenschaften in Salzburg damit bewarb, dort könne man eine »judenfreie Sommerfrische« verbringen.

Der ehemalige FPÖ-Politiker Gerald Grosz, der sich 2005 der rechtspopulistischen FPÖ-Abspaltung Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) anschloss, ist Sachbuchautor und Unternehmer und verdient daneben unter anderem Geld mit Youtube-Videos und bezahlten Fernsehauftritten. Grosz unterhält enge Beziehungen zur US-amerikanischen Rechten um Donald Trump, was seinen Wahlslogan inspiriert hat: »Make Austria Grosz Again«. Grosz bezeichnete die Militäraktionen Israels gegen die libanesische Hizbollah im Jahr 2006 als »Terrorkrieg« und ist Mitglied des elitären, monarchistischen und rechtskonservativen St.-Georgs-Orden. Wie Rosenkranz und alle anderen Kandidaten außer Wlazny wetterte Grosz immer wieder gegen Coronaschutzmaßnahmen und die Unterstützung der Ukraine. Für den unwahrschein­lichen Fall eines Wahlsiegs kündigte Grosz an, die Regierung zu entlassen – diese Befugnis hat der Bundespräsident de jure nach eigenem Ermessen, in der politischen Praxis hat noch kein Bundespräsident davon Gebrauch gemacht.

Michael Brunner, ein Anwalt und Mitgründer der impfkritischen Kleinpartei Menschen – Freiheit – Grundrechte (MFG), gehört zur Szene der »Querdenker« und hat entsprechend konfuse und unappetitliche Ideen. Auch Brunner will die Regierung entlassen, die Sanktionen gegen Russland abschaffen und die Mitgliedschaft Österreichs in der EU »überdenken«. Im Umfeld von MFG wird von Sympathisanten immer wieder harter Anti­semitismus und Antiamerikanismus verbreitet. Seine erste Auslandsreise als Bundespräsident würde nach Moskau unternehmen, sagte Brunner in ­einem Fernsehinterview und machte damit klar, wo seine weltpolitischen Sympathien liegen.

Der Schuhfabrikant Heinrich Staudinger gilt seit vielen Jahren als Darling der nach rechts offenen Öko- und Alternativbewegung. Er ist so alter­nativ, dass er auf Demonstrationen von Impfgegnern auftrat und kürzlich im Fernsehen die abenteuerliche Meinung vertrat, die »Me too«-Bewegung sei »von der CIA erfunden« worden, um »Bündnisse zwischen Menschen schwieriger zu machen«. Staudinger, von Fans gerne »Heini« gerufen, will ­außerdem »eine Wirtschaft, die dem Gemeinwohl dient und nicht nur dem Gewinn«, er sieht als einen seiner Hauptfeinde das »Bankensystem«. Am russischen Überfall auf die Ukraine sei diese selbst ebenso schuld wie die Nato. 2014 postete Staudinger ein Hitler-Zitat auf der Website seines Unternehmens.

Der Rechtsanwalt und langjährige Kolumnist für die Boulevardzeitung Krone, Tassilo Wallentin, schließlich postete auf Instagram reihenweise ­sexistische Memes, in denen Frauen für vermeintliche Unattraktivität verspottet und auf ihre Rolle als kochende Hausfrau reduziert wurden. Wallentin wird maßgeblich vom österreichisch-kanadischen Milliardär Frank Stronach unterstützt, der 2013/2014 als Vorsitzender seiner eigenen Partei »Team Stronach« im Nationalrat saß. Inhaltlich bewegt sich Wallentin im rechten Verschwörungsmilieu und »warnt« vor einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit in Österreich, was dem Repertoire der bei Identitären beliebten Theorie vom »Großen Austausch« entliehen ist.