Die nationalistischen Proteste in Tschechien dauern an

Tschechien zuerst

Zehntausende Menschen demonstrierten im September auf dem Wenzels­­platz in Prag. Nationalistische Forderungen dominierten die Kundgebung. Die Demonstranten wurden auch von der AfD unterstützt.

Bereits Anfang September versammelten sich 70 000 Menschen auf einer prorussischen Demonstration in Prag. Am Mittwoch, dem 28. September, wurde erneut protestiert. Diesmal war die Zahl der Teilnehmenden weitaus geringer, doch kamen nach Angaben der Polizei immerhin Zehntausend Menschen zu der Demonstration, die unter dem Motto »Tschechien zuerst« stand. Bei dem Namen drängen sich unweigerlich Assoziationen mit der »America First«-Bewegung des Trump-Lagers in den USA auf. In der Tat betonten auch die Rednerinnen oftmals ihre Unterstützung für Donald Trump. Die Demonstrierenden forderten Gaslieferverträge mit Russland, den Austritt Tschechiens aus der EU, der Nato und den UN sowie ein Ende der Unterstützung der Ukraine. Dabei griffen die Redner auf nationalistische und verschwörungsraunende Rhetorik zurück. So sprachen sie zum Beispiel von einer angeblich von langer Hand geplanten Überfremdung der tschechischen ­Nation durch ukrainische Geflüchtete.

An erster Stelle stand für die Teilnehmenden, ihre Opposition zur Regierung zu betonen – in Sprechchören forderten sie: »Rücktritt! Rücktritt!« In den Reden wurde Präsident Miloš Zeman aufgefordert, die Regierung aufzulösen. Auch in den großen Städten Brno, Plzeň und Liberec gab es Demonstrationen, im nordöstlich gelegenen Ostrava organisiert von der rechtsex­tremen Partei Svoboda a přímá demokracie (Freiheit und direkte Demokratie, SPD). Deren Vorsitzender Tomio Okamura warf der Regierung vor, die Preise absichtlich hoch zu halten und den Krieg in der Ukraine aus Profitgründen zu unterstützen. Bei der Kundgebung in Prag sprachen Mitglieder mehrerer nationalistischer Parteien wie der SPD und Vertreter von Kleinstparteien wie der liberal-konservativen Svobodní (Die Freien) und der rechtspopulistischen Trikolora. Auch die Komunistická strana Čech a Moravy (Kommunistische Partei Böhmens und Mährens, KSČM) hatte zu der Kundgebung aufgerufen und präsentierte sich der wütenden Menge.

Auf der Bühne versammelten sich allerdings nicht nur Politiker und Politikerinnen aus Tschechien. Auch die »Alternative für Deutschland« (AfD) war dort vertreten und solidarisierte sich mit den Anwesenden: Die Europaabgeordnete Christine Anderson hielt eine Rede und auch der Bundestagsabgeordnete Petr Bystroň, in Tschechien geboren und bis 2013 FDP-Mitglied, erklärte sich mit den Demonstrierenden solidarisch. Dieser Auftritt sorgte in der tschechischen Presse für Empörung. Die AfD gilt in Tschechien als Putin besonders nahestehende Partei und erntet dafür auch scharfe Kritik. Der Journalist Jan Stránský erinnerte daran, dass die AfD vor kurzem noch gegen tschechische Arbeitskräfte hetzte und in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Er forderte in einem Kommentar auf der Nachrichten-Website Seznam Zprávy, nicht gemeinsam mit »deutschen Rassisten« zu demonstrieren und sich nicht von »Idioten« täuschen zu lassen.

Der Prager Politologe Jan Charvát sagte Seznam Zprávy, dass die Demonstrationen vor allem von Wut angetrieben würden. Seiner Einschätzung nach verstrickten sich die Redner in Widersprüche, sie würden ein Ende des Kriegs fordern, gleichzeitig allerdings auch Gaslieferungen aus Russland. Ihre Rhetorik sei geprägt von antiamerikanischen und antieuropäischen Ansichten. »Interessant ist, dass ihrer Meinung nach die Regierung für alle von den Organisatoren erwähnten Schwierigkeiten verantwortlich ist«, so Charvát. »Aber es wurde nie erwähnt, dass viele der Dinge, die jetzt passieren, von der vorherigen Regierung verursacht wurden.«

Patrik Eichler vom sozialdemokratischen Verein Masarykova demokratická akademie rief die Regierung dazu auf, die Demonstrationen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Sie seien nicht nur regierungskritisch, sondern systemfeindlich. Die Regierung müsse einen Weg finden, einen großen Teil der Gesellschaft wieder in die alle angehenden Debatten einzubeziehen. Momentan gelinge es den Organisa­toren der Proteste, die Angst der Menschen vor der Energiekrise und den steigenden Preisen auszunutzen. »Diese Leute haben Angst um ihre Existenz, deshalb gehen sie auf die Straße«, sagte er im Česká televize, dem öffentlich-rechtlichen tschechischen Fernsehen.