Magali le Huche erzählt im Comic »Nowhere Girl« von der weiblichen Pubertät

Beatlemania und Schulphobie

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In der Beatles-Ballade »Nowhere Man« (1965) geht es um eine Lebenskrise, Selbstisolation und Orientierungslosigkeit und den, wie man heute sagen würde, akzeptierenden Umgang damit. Die französische ­Comiczeichnerin Magali le Huche hat sich von diesem Song zu dem autobiographischen Comic »Nowhere Girl« in­spirieren lassen, der auf ­berührende Art von der Krise ihrer Adoleszenz erzählt und die Bedeutung reflektiert, die die Popkultur bei der allmählichen Bewältigung ihrer Ängste, Zwänge und Phobien spielt. Magali, zweite Tochter eines Psychologen-Paars, wird nach dem Wechsel aufs Gymnasium plötzlich von heftigen Versagensängsten geplagt, die sie mit Hilfe eines immer ausgefeilteren Systems magischer Rituale zu kontrollieren versucht. Immer tiefer verstrickt sich die 11jährige in die selbstgeschaffenen Welt der Zwänge. Ganze zwei Jahre lang ist es ihr nicht möglich, in die Schule zu gehen und Freundschaften zu pflegen. Die Idole ihrer Kindheit, Madonna, Michael Jackson, Morten Harket, interessieren sie nicht mehr. Umso mehr die Beatles, die gleichermaßen zur Droge wie zur Therapie werden, nachdem ihre Schwester zu Hause zufällig eine Beatles-CD eingelegt hatte. Die Alben »With the Beatles« und »Yellow Submarine« werden zu einer Art Erweckungserlebnis, das zu einer extremen Form des Fantums führt. »1963 und 1969 mussten soviel besser gewesen sein als 1990«, schlussfolgert das Mädchen. In einem imaginären gelben Unterseeboot geht Magali buchstäblich auf Tauchstation, bis sie allmählich bereit ist, aus der Phantasiewelt herauszutreten, um mit den Eltern und ihrer Psychologin über ihre Gefühle und ihre Liebe zu den Beatles zu sprechen. Der ansonsten mit leichtem Strich gezeichnete Comic setzt die überwältigende musikalische Erfahrung in grellbunte psychedelische Bilder um, die das ­revolutionäre Design des von Peter Blake und Jann Haworth geschaffenen Covers zu »Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band« auf ganze eigene Weise aufgreift. Der Coming-of-Age-Comic ist die gelungene Annäherung an die Krise des Erwachsenwerdens aus der Perspektive des Mädchens und eine außergewöhnliche Hommage an die wichtigste Boyband der Welt.

Magali le Huche: Nowhere Girl. Aus dem Französischen von Silvia Bannenberg. Reprodukt, Berlin 2022, 120 Seiten, 24 Euro