Der Super Bowl, das US-amerikanische Football-Endspiel, steht bevor

Glamour und Verantwortung

Im Super Bowl am Sonntag (12. Februar) treffen die Philadelphia Eagles auf die Kansas City Chiefs, um die Meisterschaft der National Football League auszuspielen. Der Sport steht dabei im Vordergrund, aber die Politik spielt eine wichtige Nebenrolle.

In der Nacht vom 12. auf den 13. Februar findet bereits zum 57. Mal der Super Bowl statt, das Finale der National Football League (NFL), diesmal in Glendale im US-Bundesstaat Arizona. Kickoff deutscher Zeit ist um 00:30 Uhr. Das mit Abstand größte Sportereignis Nordamerikas verspricht rein sportlich ein echter Leckerbissen zu werden. Doch wie so oft geht es nicht nur um Sport.

Bereits im September war angekündigt worden, dass die Half Time Show in diesem Jahr die barbadische Popsängerin Rihanna bestreiten soll; es wird ihr großes Comeback sein, nachdem sie im Mai vergangenen Jahres ein Kind zur Welt gebracht hat. Die Nationalhymne vor Spielbeginn soll derweil der Country-Sänger Chris Stapleton aus Nashville singen.

Die Nationalhymne soll am Sonntag der Country-Sänger Chris Stapleton aus Nashville singen. Anders als die meisten Country-Musiker und -Musikerinnen hatte er sich nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd Anfang 2020 nicht in Schweigen gehüllt, sondern sich ernsthaft erschüttert gezeigt.

Dass die Wahl gerade auf ihn fiel, kann durchaus als gesellschaftspolitische Stellungnahme der NFL gewertet werden. Anders als die meisten anderen Country-Musiker und -Musikerinnen hatte Stapleton sich nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd Anfang 2020 nicht in Schweigen gehüllt, sondern sich ernsthaft erschüttert gezeigt. »Das ist jetzt ein Moment, in dem ich und andere zuhören sollten«, sagte er damals in der Fernsehsendung »CBS This Morning«. »Das Land, in dem ich zu leben gedacht hatte, ist ein Mythos.«

Eine schwarze Sängerin, die nicht einmal US-Bürgerin ist, und ein Country-Sänger, der Verständnis für Black Lives Matter hat. Ist das noch die NFL? Vielleicht mehr, als man zunächst denken mag. Zwar ist noch immer die Mehrzahl der Coaches und erst recht der Besitzer und Besitzerinnen der Teams weiß, weit über die Hälfte der Spieler jedoch ist schwarz und auch auf Seiten des Publikums ist American Football inzwischen bei Schwarzen in den USA beliebter als unter Weißen. Mit diesen Veränderungen geht auch eine höhere Erwartung an die Liga einher, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden.

So hatte die Entscheidung, den diesjährigen Super Bowl in der Arena der Arizona Cardinals auszutragen, gleich mehrfach für Kritik gesorgt. Im Januar 2022 forderten mehr als 200 religiöse Führungspersönlichkeiten um Jesse Jackson, einen einstigen Weggefährten Martin Luther Kings, in einem offenen Brief an die NFL, das Spiel zu verlegen, nachdem das Parlament von Arizona, in dem die Republikaner in beiden Kammern über eine Mehrheit verfügen, zwei umstrittene Gesetze zur Reform des Wahlrechts verabschiedet hatte.

Mit den Gesetzen beabsichtigen die Republikaner, den traditionell mehrheitlich demokratisch wählenden Schwarzen und Latinos das Wählen zu erschweren. Stimmen, die Bürger in einem ihnen nicht zugeordneten Wahllokal abgeben, sind nunmehr ungültig. Eine weitere Regel verbietet Politikern und Aktivisten das Sammeln von Stimmzetteln, um sie gebündelt in einem Wahllokal abzugeben. Die Begründung, so solle Wahlbetrug erschwert werden, knüpft direkt an Donald Trumps Verschwörungserzählung an, er sei bei den Wahlen 2020 um den Sieg betrogen worden. Joe Biden hatte damals in Arizona denkbar knapp mit weniger als 11 000 Stimmen Vorsprung gewonnen. Der deutliche Vorsprung Bidens bei den zwei genannten Gruppen galt hierbei als wahlentscheidend.

Im April 2022 dann war es die stellvertretende Vorsitzende der Demokraten in Arizona, Brianna Westbrook, die eine Verlegung des Spiels forderte. Sie kritisierte dabei in erster Linie ein neues Gesetz, dass Transmädchen verbietet, sich Mädchensportteams anzuschließen. »Die republikanische Führung ist regelrecht besessen von Trans-Kindern«, sagte Westbrook. Der Großraum Phoenix habe einen der höchsten Anteile von queeren Ein­wohner:innen der gesamten USA. »Wenn die NFL wirklich an unserer Seite steht, weiß sie, was zu tun ist.«

Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass die NFL dem Staat Arizona den Super Bowl entzieht. Bereits 1993 fand das Endspiel im kalifornischen Pasadena statt in Tempe statt. Die Entscheidung hatte die Liga 1991 getroffen, nachdem im Jahr zuvor ein Volksentscheid, der Martin Luther Kings Geburtstag zum bezahlten Feiertag machen sollte, knapp gescheitert war. Den Feiertag hatte auf Bundesebene bereits 1983 Präsident Ronald Reagan mit Unterstützung beider Parteien eingeführt, einige Staaten weigerten sich jedoch lange, ihn anzuerkennen.

In South Carolina dauerte es sogar bis zum Jahr 2000. In Arizona wurde der MLK Day, wie er auch genannt wird, schließlich 1992 nach einem erneuten Volksentscheid zum offiziellen Feiertag. Da wollte die NFL ihre Entscheidung jedoch nicht mehr rückgängig machen, und so mussten die Fans in Arizona noch bis 1996 warten, bis sie dort zum ersten Mal einen Super Bowl erleben konnten.
Da die Liga sich dem unterm Strich doch eher moderaten öffentlichen Druck in diesem Jahr nicht beugen wollte, findet das letzte Spiel der NFL-Saison nun bereits zum vierten Mal in Arizona statt. Dort hatte der Super Bowl zuletzt 2015 in Glendale stattgefunden. Damals schlugen die New York Patriots die Seattle Sea­hawks in einem überaus packenden Spiel. In diesem Jahr treffen die Philadelphia Eagles und die Kansas City Chiefs aufeinander. Die Buchmacher gehen von einem knappen Spiel aus, sehen die Eagles jedoch als Favoriten.

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit werden wie immer die beiden Quarterbacks stehen. Das werden diesmal Jalen Hurts bei den Eagles und Patrick Mahomes bei den Chiefs sein. Beide haben eine herausragende Saison hinter sich, und doch könnten ihre Ausgangssituationen unterschiedlicher kaum sein. Mahomes hat in der NFL bereits alles erreicht. 2020 holte er mit den Chiefs den Titel und wurde zum wertvollsten Spieler des Endspiels gekürt. Ein Jahr zuvor war er zum wertvollsten Spieler der regulären Saison gewählt worden, für den Pro Bowl, das All-Star-Spiel der NFL, wurde er in diesem Jahr zum fünften Mal in Folge nominiert. Für ihn geht es in erster Linie um Wiedergutmachung, nachdem er vor zwei Jahren das Finale gegen die Tampa Bay Buccaneers mit einem der schlechtesten Spiele seiner Karriere fast im Alleingang verloren hat, und darum zu beweisen, dass er auch unter Druck zu Höchstleistungen fähig ist.

Hurts hingegen steht in seiner dritten Saison zum ersten Mal im Super Bowl, und auch für den Pro Bowl ist er dieses Jahr zum ersten Mal nominiert worden. Umso dominanter war sein Auftreten in dieser Spielzeit. Sechs der 14 Siege in der Ligaspielzeit (regular season) holten die Eagles mit mehr als zehn Punkten Unterschied, die New York Giants und die San Francisco 49ers wurden in den Ausscheidungsspielen (post-season) regelrecht deklassiert. Mit 15 Rushing Touchdowns in einer Saison hat er zudem gerade einen neuen Ligarekord aufgestellt.

Genau hier liegt der zentrale Unterschied in der Spielanlage beider Teams. Bei den Chiefs dominiert klar das Passspiel (passing game). Mahomes 45 Passing Touchdowns und fast 5 800 Passing Yards sind einsame Ligaspitze. Das Laufspiel (rushing game) ist im Vergleich dazu eher durchschnittlich. Bei den Eagles dagegen ist die Offensive deutlich laufintensiver. Sie erzielt sogar mehr Touchdowns durch Läufe als durch Pässe. Das und die Tatsache, dass Hurts auch jederzeit selbst laufen kann, macht das Team sehr viel schwerer auszurechnen.

Umgekehrt zeigt die Tatsache, dass Mahomes seine Würfe nahezu nach Belieben an den Mann bringt, obwohl jedes Team um die Gefährlichkeit seines Passspiels weiß und versucht, die Verteidigung entsprechend einzustellen, wie unfassbar gut er in dieser Saison erneut ist. Wenn die Eagles ihren zweiten Super Bowl gewinnen wollen, werden sie genau hier ansetzen müssen. Da trifft es sich gut, dass die Abwehr des Teams gerade in diesem Bereich die Liga dominiert. Sie erzwingt viele Interceptions (Unterbrechungen) und lässt nur wenige lange Pässe zu. Gleichzeitig macht kein anderes Team der NFL auch nur annähernd so viel Druck auf den Quarterback. Die mit weitem Abstand meisten Sacks der Liga – also den gegnerischen Quarterback zu Fall bringen, bevor dieser einen Pass werfen konnte – sind nur einer von vielen beeindruckende statistischen Werten.

Die Chiefs dürften diesem Druck nur standhalten können, wenn ihre Offensive Line um Tight End Travis Kelce einen guten Tag erwischt und es schafft, ihren Quarterback zu schützen. In der Verteidigung wiederum ruht die Hoffnung in erster Linie auf Defensive Tackle Chris Jones. Im Ligafinale (conference final) gegen die Cincinnati Bengals sackte er deren Quarterback Joe Burrow bei einem Dutzend Tackles fünf Mal. Dazu fälschte er sieben Pässe ab und erzwang sechs Ballverluste. Wenn er am Sonntag ähnlich dominant auftritt, könnte es schwer werden für Jalen Hurts.
Am Ende wird wahrscheinlich alles auf die Frage hinauslaufen, ob mit den Eagles das ausgewogenere Team gewinnt oder mit den Chiefs das Team mit dem besten Spieler. Möglich ist vieles, nur dass es ein schlechtes Spiel wird, ist nahezu ausgeschlossen. Und falls doch, gibt es immer noch Rihanna.