Kritik einer Formulierung, die im Raum steht

Ein Zimmer voller Abstrakta

Das letzte Wort. Was neben dem Elefanten sonst noch im Raum steht.
Das letzte Wort Von

»Da steht ein Pferd auf’m Flur«, berichtet ein niederländischer Karnevalsschlager. Im Raum hingegen steht ein Verdacht – der Verdacht nämlich, dass es mit jenem Raum etwas ganz Besonderes auf sich haben muss. Was dort nicht alles herumsteht: außer allerlei Verdachten beispielsweise Vorwürfe und Drohungen.

Handelt es etwa um das dunkle Kämmerlein, in das man alles steckt, was man aus dem Bewusstsein verdrängen will? Keineswegs, denn was da steht, wird der allseitigen Beachtung empfohlen; es ist wohl eher an einen Ausstellungsraum mit gläsernen Wänden zu denken.

In Raum stehen zudem zahlreiche Fragen und Zweifel. Hingegen hat man noch nie davon gehört, dass eine Antwort oder eine Gewissheit dort stehe. Womöglich muss man sich eine Art dreidimensionales Fahndungsplakat vorstellen?

Man stelle sich vor, eine ­Reinigungskraft stoße beim Feudeln versehentlich das Prozessegeführtwerden um, so dass es auf das Opfergewesenseinkönnen fällt – nicht auszudenken!

Richtig bunt wird es, wenn man sich die Einzelposten anschaut – eine kaum zu überblickende Vielfalt verdinglichter Abstrakta. Allein die Hüterin traditioneller bildungsbürgerlicher Tugenden, die FAZ, vermeldete unter anderem folgendes Inventar: »Ein Parteiausschlussverfahren steht im Raum«, nämlich eines gegen Hans-Georg Maaßen; doch der muss noch nicht verzagen, er kann es ­machen wie die Verteidiger in einem andern Fall: Diese »stellen ein anderes Szenario in den Raum«.

»Die Spaltung der Linken steht im Raum«, und da steht sie offenbar gut, denn die FAZ fand sie dort schon vor elf Jahren. »Auch eine Übergewinnsteuer steht im Raum«; und »das Wort Steuerhinterziehung steht« nicht etwa im Wörterbuch, sondern, na, Sie wissen schon, wo.

Eine Dose Wort für 99 Cent

Sogar komplexe Sachverhalte beziehungsweise ganze Gliedsätze findet man dort: Im Fall des verstorbenen Fußballfunktionärs Rolf Heller »steht im Raum, er könnte Opfer eines Gewaltverbrechens gewesen sein«. Mit Blick auf irgendeine andere Frage »steht im Raum, dass auch um diese Frage Prozesse geführt werden«. Erwachsen aus dieser überbordenden Raumausstattung nicht auch Gefahren? Man stelle sich vor, eine ­Reinigungskraft stoße beim Feudeln versehentlich das Prozessegeführtwerden um, so dass es auf das Opfergewesenseinkönnen fällt – nicht auszudenken!

Aber auch »drastische Kürzungen stehen im Raum«, vermutlich hat es deswegen nicht für eine bessere Verfloskelung gereicht. Und nicht nur das: »Im Raum steht eine große Kiste«, hoppla, da ist es ja wörtlich gemeint.

Ein Gutes könnte das geistig-sprachliche Messietum jedoch haben: Der aus dem Englischen importierte Elefant im Raum kann sich zwischen all dem Gerümpel mühelos zu einem Elefanten im Porzellanladen umschulen.