Das Militärregime in Thailand hat die Wahl eines progressiven Ministerpräsidenten verhindert

Schwierige Regierungsbildung

Der progressive Pita Limjaroenrat scheitert daran, Ministerpräsident zu werden, obwohl seine Partei die thailändischen Parlamentswahlen im Mai gewonnen hatte. Schuld daran ist, dass die Armee sämtliche Senatoren ernennen darf.

Zwei Monate nach der Parlamentswahl herrscht in Thailand weiterhin eine politische Blockade. Pita Limjaroenrat, Spitzenkandidat und Vorsitzender der progressiven Phak Kao Klai (Fortschrittspartei, international bekannt als Move Forward Party, MFP), ist zum zweiten Mal bei dem Versuch gescheitert, zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden.
Pita ließ sich für ein Bündnis aus acht Parteien aufstellen, das sich nach der Parlamentswahl am 14. Mai zusammengefunden hatte, bei der die MFP, die im Wahlkampf drastische demokratische Reformen im vom Militär gestützten Königreich angekündigt hatte, mit einer deutlichen Stimmenmehrheit der thailändischen Wähler gewonnen hatte.

Pita konnte seitdem aber trotz seines Wahlsiegs und einer Mehrheit im Repräsentantenhaus im ersten Versuch kein Mehrheiten bei der Aggregation der Stimmen beider Parlamentskammern hinter sich bringen. Den Ministerpräsidenten wählen die 500 Mitglieder des Repräsentantenhauses gemeinsam mit den 250 von der Militärjunta eingesetzten Senatsmitgliedern, die überwiegend als konservativ gelten. Pita holte nur 13 Stimmen aus dem Senat, 43 Mitglieder des Senats blieben der Abstimmung fern, andere enthielten sich, doch die meisten stimmten gegen ihn.

Danach verkündete Pita, sich einer weiteren Abstimmung zu stellen, nach einer erneuten Niederlage aber dem Kandidaten des größten Partners seines Parteienbündnisses, der in der vorherigen Legislaturperiode größten thailändischen Oppositionspartei Pheu Thai (PT), die Möglichkeit zu geben, einen Kandidaten aufzustellen. Die PT verfügt über 141 Sitze im Parlament, MFP über 151.

Doch diese zweite Abstimmung haben konservative Hardliner verhindert und folgendermaßen argumentiert: Pita erneut zur Wahl aufzustellen, widerspreche den parlamentarischen Regeln, wonach eine einmal gescheiterte Vorlage in der gleichen Sitzungsperiode nicht ein weiteres Mal eingebracht werden dürfe. Das sah eine Mehrheit von 394 Parlamentariern genauso – damit kann Pita nicht mehr erneut kandidieren. Das Verfassungsgericht entzog Pita zudem ausgerechnet am Tag der zweiten Versuchs, zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden, das Abgeordnetenmandat.

Die Move Forward Party, deren Stimmen zum großen Teil von Angehörigen der Demokratie­bewegung kamen, hat vom mehr oder weniger progressiven Achter­bündnis den größten Reformeifer.

Zwar können nach thailändischem Recht auch Nichtparlamentarier für das Amt des Ministerpräsidenten nominiert werden, das ändert aber nichts an der Mehrheitsentscheidung, Pitas Kandidatur in dieser Legislaturperiode nicht mehr zuzulassen. Der Richterspruch illustriert aus Sicht der als reformorientiert geltenden Kräfte noch zusätzlich, wie vehement das noch regierende Regime Pita auf allen Ebenen angeht.

Hintergrund der Gerichtsentscheidung sind Ermittlungen gegen Pita wegen des angeblichen Besitzes von Anteilen an einem Medienunternehmen während seines Wahlkampfs, was in Thailand verboten ist. Pitas Angaben zufolge ist das betreffende Medienunternehmen, dessen ihm gehörige Anteile aus dem Nachlass seines Vaters stammen, schon lange geschlossen.

Die MFP, deren Stimmen zum großen Teil von Angehörigen der studentisch geprägten Demokratiebewegung kamen, hat unter den Parteien im mehr oder weniger progressiven Achterbündnis den größten Reformeifer. Pita und seine Anhänger haben vor, den Einfluss der Armee auf die Politik zu begrenzen, die Befugnisse des nicht demokratisch legitimierten Senats einzuschränken und Artikel 112 des Strafgesetzbuchs, der für Majestätsbeleidigung, also Beleidigung des Monarchen oder der Monarchie, bis zu 15 Jahre Haft vorsieht, zu reformieren oder gänzlich abzuschaffen.

Gerade Letzteres lehnen konservative Parlamentarier strikt ab, daher würden die meisten Senatoren »unter keinen Umständen« für Pita stimmen. Schon der Versuch, Artikel 112 zu reformieren, sei als Angriff auf die Monarchie als Institution zu verstehen. Dies wird auch von den Parteien, die die weiterhin geschäftsführende Regierung unter General Prayut Chan-o-cha unterstützen, so gesehen. Der ehemalige Oberkommandierender der Armee hatte 2014 erfolgreich gegen die demokratisch legitimierte Regierung von Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra (PT) geputscht.

Pitas Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten wurde von den Konservativen blockiert, obwohl im Grundsatzprogramm des Achterbündnisses die Abschaffung des Artikels nicht gefordert wird, da selbst einige der Bündnispartner der MFP das Thema nicht angehen wollen. Spitzenpolitiker der PT hatten gesagt, sie würden den Artikel 112 unverändert lassen, wenn sie an die Macht kämen.

Die drei möglichen Kandidaten der PT für das Ministerpräsidentenamt sind der Immobilienmagnat Srettha Thavisin, Paetongtarn Shinawatra, die Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, der 2006 vom Militär gestürzt wurde, und Chaikasem Nitisiri, der Chefstratege der Partei und unter Yingluck Shinawatra Justizminister. Auch Thavisin, der aussichtsreichste Kandidat, betonte, er werde an dem umstrittenen Artikel 112 nicht rütteln. Mit ihm könnten sich vor allem die einflussreichen Wirtschaftsverbände gut anfreunden. Das Achterbündnis scheint zunächst ­weiterhin intakt, wie Srettha selbst sagte.

Noch steht kein neuer Termin für den unterbliebenen zweiten Wahlgang fest. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Wan Muhamad Noor Matha, teilte Reportern am Dienstag mit, die Abstimmung werde bis zu der Entscheidung des Verfassungsgerichts verschoben, ob Pita gegen ein Wahlgesetz verstoßen habe und es rechtmäßig gewesen sei, ihn von einer zweiten Nominierung auszuschließen. Wan Noor, Vertreter einer kleineren Partei, die aus einer Abspaltung von der PT entstanden war, hatte zuvor bereits versucht, zwischen dem Achterbündnis, Vertretern des Regimes und dem ­Senat zu vermitteln.

Am Abend des 19. Juli kamen Gruppen der Demokratiebewegung am Democracy Monument im Bangkoker Stadtzentrum zu einem Protest zusammen gegen die versuchte Kaltstellung Pitas und aus Furcht, dass die angestrebten Reformen verhindert werden könnten.